MHRD - Test, Logik & Kreativität, Linux, PC

MHRD
20.01.2017, Benjamin Schmädig

Test: MHRD

Die Ursuppe der Informatik

Mein lieber Herr Gesangsverein: MHRD hat mir Grenzen gezeigt, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da waren – und dann auch noch ausgerechnet auf dem Gebiet des logischen Denkens! Das Spiel, dessen Beschreibung sich ähnlich liest wie die des grandiosen Shenzhen I/O, hat mit Programmieren im eigentlichen Sinne nämlich nicht allzu viel zu tun. Vielmehr dringt es zur Ursuppe der Informatik vor. Und dort hilft weder die den meisten bekannte Mathematik noch das Lernen einer Programmiersprache.

Wenn eins und null nicht eins ergibt, sitzt man als Laie erst mal im falschen Film. Tief im Inneren jedes Computers und Mobiltelefons rechnen Schaltkreise nämlich nicht nach Ries, sondern lösen ständig kleine Logikrätsel. Das liegt an der Funktionsweise aller Prozessoren, durch deren Bestandteile entweder Strom fließt oder nicht. Die einzige „natürliche“ Information, die Computer verarbeiten können, ist also die, ob an einem Empfänger Strom ankommt oder nicht. Komplexere Informationen, darunter der Aufbau aller Zahlen unseres Dezimalsystems, ergeben sich erst aus der Kombination der Daten mehrerer Empfänger.

Von null bis CPU

Die Bauweise eines Schaltkreises bestimmt dabei, welche Kombinationen sich ergeben können, und genau solche Schaltkreise entwirft man in MHRD: Man wählt die benötigten Bauteile sowie deren Vernetzung, damit jeder Schaltkreis eine geforderte Funktion ausführt. Durch das Zusammenfügen verschiedener Schaltkreise sind schließlich immer aufwändigere Funktionen möglich – so führt das Spiel am praktischen Beispiel in die Grundlagen der Informatik ein. Zum Schluss entwirft man gar einen funktionierenden Prozessor.

Man kombiniert Logikgatter, damit Schaltkreise verschiedene Funktionen erfüllen.

So weit bin ich allerdings noch lange nicht. Während MHRD für Programmierer nämlich eine gerade mal zwei- bis dreistündige Fingerübung ist, müssen Laien hier gewaltige und bedeutend langwierigere Kopfnüsse knacken. Ich hatte mich ja nie zuvor mit der praktischen Anwendung des zentralen Bauteils dieser Schaltkreise beschäftigt: den Logikgattern .

Eins UND null

Die bestimmen nämlich, wie die am Empfänger eintreffenden Signale (Strom/kein Strom bzw. eins/null) verarbeitet werden. Dazu werden logische Operatoren mit den Namen UND, ODER sowie NICHT verwendet, wobei durch Kombinationen weitere Operatoren entstehen. Und während nach Adam Ries null UND eins immer eins ergibt, müssen in dem in Logikgattern verwendeten System von George Boole beide Eingangswerte eins betragen, um als Ergebnis eins zu erhalten. Auch mit null ODER eins kann man eins herleiten, für eins ODER eins gilt das Gleiche.

Man hantiert also nicht mit einer Programmiersprache, sondern überlegt, wie ein Schaltkreis funktionieren muss, um aus unterschiedlichen Eingangswerten die gewünschten Ergebnisse zu erhalten. Anschließend gibt man auf einer altmodischen Benutzeroberfläche der Firma Microhard (bruha!) ein, welche Bauteile wie miteinander verbunden werden und welche Funktionen sie jeweils ausführen sollen.

Erst wenn ein Entwurf alle Tests besteht, gilt die Aufgabe als abgeschlossen.


Das klingt verwirrender als es ist! Es dauert allerdings eine Weile, bis man diese Art zu denken verinnerlicht hat. Ich bin im Erstellen entsprechender Tabellen jedenfalls immer wieder in die Arithmetik verrutscht.

Als Arbeitsspeicher winzig war

Mir hat es ja schon dieser fiktive Computer mit seinen 512 KB Arbeitsspeicher angetan: Anstelle von Musik hört man die lauten Anschläge einer mechanischen Tastatur sowie das summende Betriebsgeräusch des Rechners. Als Farbschema dient entweder Weiß, Grün oder Orange auf Schwarz. Und Maussteuerung ist selbstverständlich tabu! Stattdessen navigiert man in sämtlichen Menüs per Tastatur.

Übertrieben bescheiden hält sich MHRD nur beim Heranführen an die Materie zurück. Ähnlich wie Zach Barth in den vergleichbaren Steam-Titeln TIS-100 und Shenzhen I/O verzichtet Entwickler Funghisoft zwar auf eine helfende Hand, die von außerhalb des Spiels zu kommen scheint. Das als Hilfedatei in die Benutzeroberfläche integrierte Handbuch könnte allerdings ausführlicher sein. Hin und wieder wären außerdem zumindest kleine Hinweise in den von Microhard-Kollegen gesandten Arbeitsanweisungen hilfreich. Bei Shenzhen I/O und TIS-100 habe ich gerne die ausführlichen Handbücher studiert, um Lösungen zu finden. Hier kam ich mir mehrmals einfach nur verloren vor.

Auch das Erstellen der Entwürfe dürfte gerne bequemer sein. Immerhin darf man einmal erschaffene Schaltkreise zwar beliebig modifizieren, aber nicht verschiedene Lösungen entwickeln. Pech im Unglück: Die Rangliste zeigt in MHRD ohnehin nicht an, dank welcher Merkmale ein Entwurf weltweit Spitze ist oder nur Mittelmaß.

Bis die grauen Zellen glühen

Klasse ist aber natürlich auch hier das eigenständige Erarbeiten von Lösungen, ohne an vorgegebene Wege gebunden zu sein! Man hat ja freie Hand – so lange die Testroutine die geforderten Ergebnisse bestätigt, darf man entwickeln und vor allem optimieren, bis die grauen Zellen glühen. Während man dabei nach und nach sämtliche Schaltkreise eines Prozessors entwickelt, übernimmt ein Microhard-Kollege übrigens den Entwurf solcher Module, die bereits erstellten stark ähneln – praktisch!

Fazit

MHRD ist Informatik für Hardcore-Interessierte. Das Problem daran: Für die meisten ist dieser Begriff ein Widerspruch in sich. Denn während Kenner gerne in den Untiefen ihres Steckenpferds versinken, wollen Interessierte sanft in die Materie eingeführt werden. Und das gelingt diesem Spiel kaum. Das thematisch ähnliche Shenzhen I/O ist sowohl zugänglicher als auch umfangreicher, obwohl es auf vergleichbare Art das Erstellen von Schaltkreisen nachahmt. Und trotzdem habe ich die Stunden genossen, die ich in MHRD mit echtem Stift und Zettel Wahrheitstabellen skizziert habe! Immerhin kommt es auch hier vor allem auf mich an, in welcher Form eine bestehende Aufgabe gelöst wird. Immerhin erfahre ich hier am ebenso fiktiven wie lebenden Beispiel wichtige Grundlagen der Informatik. Und immerhin fühlt es sich auch einfach nur gut an, dem Summen eines quasi-originalgetreuen Computers der 80er-Jahre zu lauschen, während der Kopf über anspruchsvollen Rätseln brütet. Wer sich wie ich zu dem kleinen Kreis der Hardcore-Interessierten zählt oder als Experte eine unterhaltsame Fingerübung sucht, könnte Microhard also mal eine Bewerbung schicken.

Pro

  • Einführung in die Funktionsweise von Schaltkreisen bis Entwurf eines Prozessors
  • freies Erarbeiten einer Lösung ohne vorgezeichneten Weg
  • originalgetreue Darstellung eines alten Computers einschließlich fehlender Maussteuerung
  • alle Anweisungen und Hilfestellungen kommen direkt aus dem Spiel
  • meist stehen mehrere Aufgaben zur Wahl
  • Schaltkreise, deren Design dem bereits vorhandener sehr ähnelt, werden von virtuellem Kollegen erstellt

Kontra

  • oberflächliches Handbuch mit für Laien zu oberflächlichen Beschreibungen
  • keinerlei Hilfestellung z.B. durch Beispielanwendungen
  • nur ein Programm pro Aufgabe
  • kein freies Entwickeln
  • Zustandekommen der Ranglisten-Platzierung ist nicht ersichtlich

Wertung

PC

Wer Logikgatter zu Schaltkreisen kombiniert, erlebt Informatik für Hardcore-Interessierte.