Phoning Home - Test, Survival & Crafting, PC, Mac, Linux
ANI zumindest scheint die gute alte Zeit zu vermissen, als sich die damals noch menschlichen Eroberer des Alls häufiger mit gemütlichen Sentimentalitäten beschäftigten, statt nur die Expansion und eine effektivere Ressourcengewinnung voranzutreiben. Sie ist ein knuffiger kleiner Roboter mit noch knuffiger wackelnden Kulleraugen, die nicht nur meinen Beschützerinstinkt wecken, sondern auch Erinnerungen an die Kinderserie Schlupp vom grünen Stern. Ich habe sie auf meinem Streifzug durch das weitläufige Action-Adventure Phoning Home getroffen und sie aus einer unzugänglichen Schlucht gerettet, um sie zu ihrem Mutterschiff zurückzubringen. Auch bei meiner Spielfigur ION handelt es sich um einen Droiden - eine junge Aufklärungseinheit auf einer Mission zur Sicherung natürlicher Ressourcen. Bei einer Bruchlandung auf einem fremdartigen Planeten wurde sein Raumschiff ebenfalls fast komplett zerstört.
Menschelnde KI
Schade, dass große Teile der Geschichte nur ausgelagert in Textwüsten erzählt werden: Wer nicht ab und zu das Menü öffnet, um einen ausgiebigen Blick ins Logbuch zu werfen, verpasst zahlreiche Details oder sogar wichtige Anweisungen zur momentanen Aufgabe – z.B. wenn man mal ein paar Dialogzeilen überhört hat. Um nicht auf dem fremden Planeten zu versauern und verrosten, begibt sich das Roboter-Duo auf allerlei Erkundungstouren, um schließlich Kontakt mit dem Heimatplaneten aufzubauen.
Einschläfernder Sammelmarathon
Die offene Natur bietet zwar stimmungsvolle Panoramen, wirkt im Detail aber lange nicht so faszinierend wie die fein ausgearbeitete Kulisse in Ubisofts Steinzeit-Abenteuer, an dem natürlich ein viel größeres Team arbeitete als an diesem Indie-Titel vom Berliner Neuling „ION Lands“. Die Abstriche bei der Detailverliebtheit sorgen aber trotzdem dafür, dass ich schon früher die Nase voll vom Sammeln hatte. Zudem musste ich mit einer GeForce GTX 970 sogar die Grafikdetails auf die mittlere Stufe reduzieren, damit es nicht mehr zu gelegentlichen Rucklern kam. Auch Clippingfehler stören ab und zu die Immersion. Auch in No Man's Sky konnte die bizarre Tier- und Pflanzenwelt meine Faszination länger aufrechterhalten. ION braucht häufig Nachschub für Sprints und seine Schwebedüse, die korrosionsanfällige ANI dagegen Rostschutz. Um meinen Schützling zu schonen, kann ich ihn während eines Wüstensturms zwar in einer verlassenen Hütte abstellen, was ein wenig Voraussicht erfordert.
Teamwork gefragt
Im Gegenzug hilft ION seiner nicht gerade geländetauglichen Blechpartnerin durch das zerklüftete Terrain. Am Rande von Gebirgsschluchten suche ich immer wieder metallische Oberflächen, um dort kurzfristig Portale zu öffnen. Oder ich schnappe mir ANI mittels Energiestrahl und „trage“ sie über unebene Abhänge. Das funktioniert auch, während ION die Hindernisse per Schwebedüse überquert: Praktisch, aber ebenfalls nicht besonders herausfordernd. Manchmal funkt zudem die etwas hölzerne Steuerung dazwischen, die übrigens trotz Schulterkamera primär auf Maus und Tastatur ausgelegt wurde.
Auf zu neuen Aufgaben!
Fazit
Irgendwie tut es mir Leid, ein Spiel mit derart liebenswert philosophierenden, kulleräugigen Robotern eine Wertung von nur 50% zu verpassen. Eine gelungene Rahmenhandlung alleine kann ein Spiel allerdings nicht tragen. Vor allem nicht, wenn sie wie hier zu einem großen Teil in Logbuchtexte ausgelagert wird. Das größte Problem von Phoning Home ist allerdings, dass die meisten Spielmechaniken nicht unterhaltsam ausgearbeitet wurden. Am meisten ging mir der übertriebene Fokus aufs Sammeln und Crafting auf die Nerven, was oft in fade Fleißarbeit ausartet. Auch die Koop-Aufgaben des Roboter-Duos bei der Überquerung unebenen Terrains und die eingestreuten Kämpfe fühlen sich eher nach einer lästigen Pflicht an, statt herauszufordern. Schade um die geheimnisvolle Stimmung, aber für mich entwickelte sich Phoning Home leider eher zur Schlaftablette als zum faszinierenden Action-Adventure.
Pro
- knuffig designte Protagonisten
- geheimnisvolle Welt
- amüsante Seitenhiebe auf das Spannungsverhältnis zwischen KI und organischem Leben
Kontra
- einschläfernd umgesetzter Sammel-Marathon von Ressourcen
- manche Spezialfähigkeiten besitzen eine hakelige Steuerung...
- ...andere bieten zu wenig Herausforderung