Psychonauts in the Rhombus of Ruin - Test, Adventure, OculusRift, PlayStation4, HTCVive, PlayStationVR

Psychonauts in the Rhombus of Ruin
22.02.2017, Mathias Oertel

Test: Psychonauts in the Rhombus of Ruin

Pyrokinese in der virtuellen Psi-Realität

Ein Action-Adventure, das die vorletzte Konsolen-Generation prägte, war Psychonauts. Das Werk von Tim Schafer (Brütal Legend, Grim Fandango) überzeugte vor allem mit seiner skurrilen Welt sowie dem herrlich absurden Humor. Teil 2 ist bereits in Arbeit, doch vorher darf man mit dem Helden Raz und seinen Freunden ein VR-Abenteuer erleben. Wir sind für den Test mit Psychonauts in the Rhombus of Ruin auf PlayStation VR in die verrückte Welt abgetaucht.

Die Raute des Ruins? Nein, hier handelt es sich nicht um das Wappen des HSV. In der Welt der von Tim Schafer zuerst in Form eines famosen Action-Adventures erfundenen Psychonauts ist der "Rhombus of Ruin" das Gegenstück des Bermuda-Dreiecks. Und hier sind die Mitglieder des Super-Geheimdienstes, der auf psionische Fähigkeiten setzt, mit ihrem Flieger gestrandet. Auf der Suche nach ihrem Chef muss Raz, der Protagonist des ersten Teils und mittlerweile vom Rekruten zu einem vollwertigen Psychonaut aufgestiegen, die Unterwasserwelt erforschen, seine Freunde retten und das Geheimnis der Kindheit eines der Antagonisten des Action-Adventures lüften.

Das Wissen um die Vergangenheit

Die ansehnlichen Umgebungen sind großräumig und offenbaren beim Umschauen viele Details.
Obwohl die Charakterzeichnung überaus gelungen ist und auch für sich alleine bestehen kann, werden Neulinge in der Welt des mittlerweile annähernd mit Kultstatus versehenen Psychonauts natürlich einige Anspielungen nicht verstehen. Zudem werden einige Nuancen Charakterisierung angesichts fehlenden Hintergrundwissens untergehen. Doch da sich dieses Abenteuer mechanisch ohnehin von dem Action-Adventure absetzt, das sowohl das Original als auch die in Entwicklung befindliche Fortsetzung auszeichnet, lässt sich dies verschmerzen. Der Spagat gelingt: Man erfährt über die zahlreichen Gespräche und inneren Monologe genug von den Figuren, um sie alle interessant zu machen. Das Team um Tim Schafer, der in Rhombus of Ruin für das Skript verantwortlich war, war sich zudem der Schwierigkeiten um mögliche Bewegungskrankheit offensichtlich bewusst. Man inszeniert diese VR-Erfahrung weitgehend als Point&Click-Adventure, bei dem Rätsel, die Geschichte sowie die Erfahrung der Anwesenheit in der mit Unreal Engine gestalteten surrealen Welt im Mittelpunkt stehen.   

Man trifft auf viele Bekannte aus dem Action-Adventure Psychonauts (Xbox, PC, PS2, 2005), die in der VR-Welt sehr platisch modelliert und geschmeidig animiert werden.
Dabei bedient man sich sehr clever der psionischen Fähigkeit von Raz, in andere Figuren zu schlüpfen. Denn dies ist das absolut magenschonende Mittel der Fortbewegung. Man visiert einfach die Figur an und springt dann "in sie hinein". Dass man sich mitunter in den wunderschön gestalteten Abschnitten umschauen muss, um den nächsten "Übernahme"-Kandidaten zu finden, gehört zum Rätseldesign, das unter dem Strich sehr leicht ausfällt und der VR-Erfahrung untergeordnet wird. Andere Fähigkeiten, die einem nach dem Tutorial erst einmal wieder entrissen werden, bevor man sie nach und nach zurückgewinnt, sind Telekinese, Pyrokinese oder der Psi-Blast, ein laser-artiger Angriff. Dies sind letztlich auch die Bestandteile der Puzzles, die bis auf wenige Ausnahmen daraus bestehen, die richtige Figur zur Übernahme zu wählen und dort dann mit einer Fähigkeit bzw. einer bestimmten Reihenfolge die Schalter oder sonstige Mechanismen zu bedienen. Denn man kann die Figuren nur als "Fenster" nutzen und ihnen keine Befehler zur Bewegung usw. geben. Obwohl das Konzept sehr simpel ist, man nach etwa zweieinhalb Stunden den Abspann vorbeiziehen sieht und es so gut wie keinen Wiederspielwert gibt, hat mir Psychonauts: The Rhombus of Ruin als eigentlich notorisch Adventure-Abgeneigter Spaß gemacht.

Psycho-Tricks in VR

Spielraum, um mit den Psi-Fähigkeiten zu experimentieren, gibt es leider in erster Linie nur im Tutorial.
Denn was hier an Tiefgang oder Anspruch fehlt, macht man über Atmosphäre und eine hohe Immersion wieder wett. Mit Liebe zum Detail wurde die skurrile sowie surreale Welt zu dreidimensionalem Leben erweckt und mit Dialogen gefüllt, die den gleichen Humor verströmen wie das Original. Man kann viel entdecken, wenn man den Blick ins weite Rund schweifen lässt, aber abseits des Tutorials an Bord des Psychonauts-Jets nur mit wenigen Elementen interagieren. Dennoch: Dank der schicken Animationen und der ausgefeilten Mimik der comichaften Figuren im Zusammenspiel mit den gleichermaßen farbenfrohen wie fantasievoll gestalteten Kulissen kommt man sich vor, als ob man in einem aufwändig 3D-Zeichentrickfilm eine entscheidende Rolle spielt. Psychonauts ist in dieser Form ein lebendig gewordenes Diorama, das einen tief in die Welt zieht. Je nach Lebewesen, in das man schlüpft, entwickelt sich auch eine andere Erfahrung. Aus den Augen eines Wals wirken manche Areale natürlich gänzlich anders als in einem Floh oder einem Menschen. Double Fine spielt dabei sehr geschickt mit den Perspektiven und hat auch einige der Rätsel in diesem linearen Erzähl-Abenteuer darauf abgestimmt.

Fazit

Psychonauts in the Rhombus of Ruin entfernt sich weit von den Action-Adventure-Wurzeln des Originals und wird mehr oder weniger als Point&Click-Adventure im dreidimensionalen Raum inszeniert. Es gibt keine deutsche Sprachausgabe. Es ist linear und mit seiner Dauer von etwa zweieinhalb Stunden etwas kurz. Die Rätsel sind bis auf wenige Ausnahmen sehr leicht und man hat nicht so viele Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung, wie man sich wünscht. Und dennoch ist das Abenteuer von Raz und seinen Freunden für mich als Psychonauts-Fan einer der interessantesten VR-Titel der letzten Zeit. Das Skript aus der Feder von Tim Schafer wird mit seinem subtilen Humor zwar vorrangig Fans des Originals ansprechen, doch die Charaktere sind auch ohne Vorkenntnisse interessant. Ohnehin steht die VR-Erfahrung ähnlich wie in Batman: Arkham VR im Vordergrund. Und die ist mit ihren stimmungsvollen sowie farbenfrohen Kulissen, in denen sich viele Details finden lassen, angenehm hoch. So fühlt man sich schließlich, als ob man der Hauptdarsteller inmitten eines schick animierten 3D-Zeichentrickfilmes ist.

Pro

  • ansehnliche, abwechslungsreiche sowie skurrile Kulisse
  • schicke Animationen
  • sehr gute (englische) Sprachausgabe
  • sehr angenehme Fortbewegung
  • psionische Fähigkeiten (u.a. Telekinese, Pyrokinese)
  • gelungenes Mittendrin-Gefühl

Kontra

  • keine deutsche Synchronisierung
  • Fähigkeits-Rätsel kaum anspruchsvoll
  • relativ wenige Möglichkeiten zur experimentellen Umgebungsinteraktion

Wertung

PlayStation4

Unterhaltsames VR-Adventure im Psychonauts-Universum, das in erster Linie von der Immersion, der Kulisse sowie der Story lebt, während die psionischen Rätsel oberflächlich bleiben.

PlayStationVR

Unterhaltsames VR-Adventure im Psychonauts-Universum, das in erster Linie von der Immersion, der Kulisse sowie der Story lebt, während die psionischen Rätsel oberflächlich bleiben.