I am Setsuna - Test, Rollenspiel, PC, Switch, PlayStation4, XboxOne, PS_Vita
Das Beste an I Am Setsuna ist irgendwann, dass man zumindest manchen Kämpfen gegen all die Hasen, Pinguine, Eulen oder sonstigen, teilweise an Pokémon erinnernden Tierwesen, ausweichen kann. Dazu muss man seine Gruppe möglichst am Rand der kleinen Areale bewegen, damit einen die umher hüpfenden Monster nicht attackieren. Warum ist das gut, wenn man nicht kämpfen muss? Weil diese Gefechte keinerlei Überraschungen bieten, weil man auch so mehr als genug Beute sowie Erfahrung sammelt und was noch viel wichtiger ist: weil sie zu leicht zu meistern sind. Man gewinnt gegen diese gewöhnlichen Gegner so deutlich, dass das Abenteuer über weite Strecken wie ein Kinderspiel anmutet.
Bloß keine Kämpfe mehr!
Nicht falsch verstehen: Ich mag klassische Abenteuer. Ich schätze Retrocharme. Und der Einstieg in der Rolle des Söldners Endir, der gleich einen Mord begehen soll, ist
noch stimmungsvoll. Aber was von melancholischen Klavierklängen begleitet in der märchenhaften Winterlandschaft beginnt, entwickelt über die kommenden Stunden kein gemütliches Knistern mit Rollenspielfunken, sondern eine kühle spielmechanische Langeweile - ein Sinnbild dafür ist die Weltkarte, auf der man seine Gruppe vollkommen gefahrlos und in quälender Langsamkeit bewegt. Das Einzige, was hier passieren kann: Irgendwo blinkt es, dann sammelt man Ressourcen, die man irgendwann im Überfluss hat.Kühle Langeweile statt Rollenspielknistern
Dabei hat die Geschichte rund um die Pilgerreise eines jungen Mädchens namens Setsuna, das sich dem Wohle des von Monstern bedrohten Landes opfern will, einige melancholische Höhepunkte und Überraschungen zu bieten. Allerdings sind manche Entscheidungen von Nebencharakteren abzusehen und man hat kaum Einfluss auf seine Gefährten. Lediglich einige erzählerischen Wendungen sorgen für ein Restinteresse. Aber das monotone Spieldesign sorgt einfach für eine emotionale Distanz. Dazu trägt auch die entfernte Perspektive bei, die Mimik oder Gestik der Charaktere gar nicht einfangen kann.
Man durchstreift mit seiner Gruppe an bis zu drei Gefährten die immer gleichen, meist sehr kleinen 3D-Kulissen, wobei Höhlen, Dörfer, Schiffe & Co hinsichtlich des Leveldesigns keinerlei Überraschungen bieten. Erkundungsreize in den kleinen Arealen? Fehlanzeige. Man kann übrigens weder die Kamera drehen noch zoomen. Zunächst sieht alles noch charmant aus, zumal der aus Bäumen fallende Schnee, tiefe Fußspuren und manche Wetter- sowie Spiegeleffekte im Eis für Hingucker sorgen. Aber das generische Artdesign kann langfristig nicht faszinieren. Recht früh hat man sich an diesem Winter in all seinen frostigen Facetten satt gesehen, auch weil sich Architektur und Figuren in ihrem Aussehen so gleichen.
Die Kulisse schmilzt dahin
Zwar steigen die Gefährten recht schnell und häufig auf, aber bis auf eine höhere Levelnummer hat das keine Auswirkungen: Man kann als Spieler weder manuell
einzelne Charakterwerte noch Talente anpassen, so dass es auch vollkommen egal ist, welcher Held was macht, wenn es z.B. um Kommunikation oder Erkundung geht, denn man handelt immer als Kollektiv, wechselt bei Bedarf einfach jemanden in die Dreierteam ein - langweiliger geht es nicht. Wie managt man dann überhaupt seine Gruppe? Lediglich über die Ausrüstung. Dabei lädt die Bewaffnung auch nicht zum Grübeln ein, denn man findet meist recht schnell bei einem Händler die eine bessere Klinge, die man später über das Schmieden noch etwas aufwerten kann - es gibt zu wenig Auswahl.Charakterentwicklung über Spezialfähigkeiten
Aber die arkanen Spezialfähigkeiten sorgen für taktisches Partymanagement: Hat man die nötigen Zutaten gefunden, die entweder irgendwo auf der Karte blinken und summen (!) oder von Feinden hinterlassen werden, kann man daraus diverse magische Manöver kreieren und seinen Helden zuweisen. Von offensiven Schlagkombos oder Bereichsschaden bis hin zu defensiven Verlangsamungs-, Schutz- oder Heilzaubern reicht die Palette. Und da jeder Charakter mehrere ausrüsten kann, ergeben sich interessante Kombinationen, die auch teilweise ansprechend über Licht und Animationen inszeniert werden. Aber was hilft das, wenn
die Kämpfe so einfach sind? Immerhin gibt es irgendwann Bosskämpfe, in denen der Schwierigkeitsgrad dann allerdings urplötzlich anzieht: Auf einmal können tatsächlich Helden sterben, auf einmal muss man sehr effizient mit seinen magischen Aktionen haushalten. Dieser sprunghafte Anstieg irritiert zwar zunächst, aber motiviert auch endlich mal, seine Fähigkeiten zu meistern.Leider muss man einige längere Laufwege bzw. Wiederholungen in Kauf nehmen, denn es kann nur an bestimmten Stellen gespeichert werden. Dass man auch mal umherirrt auf der Suche nach dem Ziel, liegt nicht etwa an anspruchsvollen Quests (Zutaten sammeln ist da schon ein Highlight), sondern an der teilweise oberflächlichen Dokumentation der Gespräche. Wer gerne sammelt und vervollständigt, wird da schon besser im Menü informiert: Dort kann man sich alle Monster, Waffen, Zutaten & Co in Statistiken geordnet und teilweise mit Bild ansehen. Nur so erkennt man übrigens auch mal, wie die eigenen Helden überhaupt aussehen.
Fazit
Ich mag Rollenspiele alter Schule. Aber I Am Setsuna lässt mich auch auf Switch fast einschlafen. Weder die statische Inszenierung noch die über weite Strecken kinderleichten Kämpfe oder die eindimensionale Charakterentwicklung können mich wach halten. Lediglich die plötzlich beinharten Bosse sowie das dort nötige Management der kombinierbaren Spezialfähigkeiten vitalisieren den Kreislauf so weit, dass ich diesen Test schreiben kann. Zwischen Gemütlichkeit und Langeweile verläuft manchmal ein schmaler Grat, aber hier reißen die Entwickler nach dem stimmungsvollen Einstieg einen steil abfallenden Graben auf - da knistert nichts, da gähnt man nur. Erkundungsreize oder tolle Quests? Fehlanzeige. Da hilft auch die Nostalgiebrille nicht, denn Tokyo RPG Factory serviert bis auf die angenehm melancholische Stimmung sowie einige erzählerische Überraschungen nur Spieldesign von der ganz alten Stange, zumal das putzig-naive Artdesign mit all seinen Wiederholungen ebenfalls keine Akzente setzen kann. So entsteht trotz einer Story, die mit Schuld, Trauer und Schicksal spielt, viel zu schnell eine emotionale Distanz. Dass man das Wesen klassischer Abenteuer wesentlich besser einfangen kann, indem man sie moderner interpretiert und kreativ bereichert, haben u.a. Spiele wie Ni No Kuni oder 3D Dot Game Heroes demonstriert.
Pro
- stimmungsvoller Einstieg
- kombinierbare Spezialfähigkeiten
- melancholische Hintergrundmusik
- zumindest einige fordernde Bosskämpfe
Kontra
- viel zu leichte Kämpfe, kaum Taktik nötig
- kaum Erkundungsreize oder Rätsel
- vorhersehbare Storyentwicklungen
- statische Kulissen mit viel Copy&Paste-Interieur
- monotones Artdesign ohne Akzente
- keinerlei Mimik/Gestik zu erkennen
- dämliches Zutatengeblinke und -gebimmel
- keine individuelle Charakterentwicklung
- nur spartanische Dialoge
- zu schnell zu viele Zutaten/Rohstoffe
- langweiliges Reisen auf der Weltkarte
- oberflächliche Dokumentation sorgt für Umherirren
- kaum Interaktion in Räumen möglich
- immer wieder Soundaussetzer im Kampf
- kein Drehen und Zoomen möglich
- kein manuelles Speichern
- keine deutsche Lokalisierung
- nur ein Schwierigkeitsgrad