Snipperclips - Test, Logik & Kreativität, Switch

Snipperclips
09.03.2017, Jan Wöbbeking

Test: Snipperclips

Kooperativer Geheimtipp für Switch

Neben VOEZ wartet im eShop noch ein weiteres Juwel auf Switch-Besitzer: Mit seinem kooperativen Zurechtschnibbeln und Balancieren stellt Snipperclips (ab 50,90€ bei kaufen)Freundschaften und Beziehungen auf eine harte Probe – und macht nebenbei einen Heidenspaß!

„Nach rechts, verdammt! Nein – nach rechts drehen, nicht gehen! Und es bringt uns kein Bisschen weiter, wenn du mich aus Trotz in Stücke schneidest. Oder vielleicht doch? Warte mal, jetzt passe ich in den kleinen Schlitz zum Bewegen der Brücke, genial! Haaaalt, nicht weiterschneiden, jetzt bin ich schon wieder zu klein!“ Wenn es ein Spiel gibt, in dem es in jeder Sekunde auf die Kommunikation ankommt, dann ist es Snipperclips. Das Konzept gehört zu einem der Geistesblitze, die einem offenbar nur auf einem Game Jam kommen: Die Idee kam den Brüdern Adam und Tom Vian von SFB Games während einer eintägigen Entwickler-Party. Nach der Präsentation des Prototyps auf der GDC Europe schnappte Nintendo sich das Projekt für seine auf den Multiplayer ausgelegte Konsole Switch, für die es tatsächlich wie gemacht ist!

Was denn nun?

Das etwas andere Basketball!
Zwei Spieler ziehen die beiden kleinen Joycon-Controller von der Konsole ab und stutzen sich danach verbal und mit der Schere zurecht. Ein Schnitt hier, eine großzügige Ausbuchtung dort und schon hat eine der Figuren eine fette Kuhle im Kopf, mit der er vorsichtig eine schwere Bowlingkugel ans andere Bildschirmende balanciert. Kurz vorm Ziel wird noch einmal der Partner „gekürzt“, damit er sich als helfende Plattform hinknien kann - und schon kullert die fragile, von der Physik-Engine bewegte Fracht an ihren Platz. Bei einem anderen Rätsel trimmt man sich gegenseitig so, dass man zusammen eine Herzform ausfüllt und dadurch das Level abschließt.

Obwohl man die ganze Zeit über schnibbelt, bekommt man niemals eine Schere zu Gesicht: Stattdessen steuert jeder Spieler eine einfache geometrische Figur mit einer runden und einer eckigen Hälfte. Um zu schneiden, stellen sich beide einfach voreinander. Dann drückt ein Spieler einen Feuerknopf und trennt so die sich überschneidende Fläche des Partners ab. Schön, dass es fast keinerlei Tipps oder Anweisungen gibt und man daher selbst grübeln, seine Kreativität spielen lassen und wild drauf los probieren muss. Trotz einer riesigen Vielfalt sind die Rätsel bemerkenswert gut für zwei Spieler ausbalanciert.

Formidable!

Vorsicht, fragile Fracht: Nachdem man seine Partner in Badewannenform gebracht hat, muss man das aufgefangene Wasser mit vorsichtig dosiertem Analogstick in Trippelschritten zum entsprechenden Umriss transportieren.
In der Retrospiel-Welt z.B. gibt es ein kleines Jump-n-Run mit einer Prinzessin, die zu quietschvergnügter Musik vorwärts trippelt. Ein Spieler schneidet (wie Murphy in Rayman Legends) Löcher in einen Block, so dass Tunnel entstehen, die idealerweise an Gegnern vorbei zu versteckten Edelsteinen führen. Vorher muss er aber erstmal in die passende Werkzeug-Form gebracht werden und wird dazu vom Partner entsprechend zurechtgestutzt. Zum Schluss bilden beide Spieler eine Räuberleiter, um den an der Level-Decke befestigten Joystick zu erreichen. Bleibt die Prinzessin hängen, muss der „dünne“ Spieler noch mal die Tunnel nachbessern. Währenddessen ziehen die putzig designten Figürchen pausenlos Grimassen, was das chaotische Tohuwabohu noch eine ganze Ecke lustiger gestaltet. Nicht nur in Nintendos Twitch-Präsentation hagelte es im Sekundentakt alberne Anspielungen und Schuldzuweisungen...

Eine Undo-Funktion zum Rückgängigmachen eines Schritts gibt es leider nicht, allerdings können die Spieler ihre Figur jederzeit wieder auf Knopfdruck in die ursprüngliche Form zurückversetzen. Auch das Hüpfen, Feinabstimmungen per Analogstick und das Rotieren der Figur werden zu wichtigen Grundlagen. Bei Letzterem muss man leider mit den ziemlich wabbeligen Schultertasten der Joycon-Controller Vorlieb nehmen. Glücklicherweise gewöhnt man sich aber ziemlich schnell daran, so dass der Mangel an Präzision nach einigen Minuten kaum noch auffällt. Zudem gibt es auch kein drängelndes Zeitlimit, daher kann man in Ruhe experimentieren und feintunen. Die Rätsel im Standard-Modus lassen sich auch alleine angehen. Man merkt ihnen aber an, dass sie primär für zwei Spieler konzipiert wurden und im Alleingang etwas kniffliger und mühsamer werden. Dann schaltet man immer wieder auf Knopfdruck zwischen den Figürchen hin und her. Auch das hat mir Spaß gemacht, es entfaltet sich aber bei weitem kein so herrlich hysterischer Wahnsinn wie im Koop. Unverständlich wirkt die Beschränkung, dass man auch im Dock-Modus vorm TV nur mit Joycons spielen darf. Pro-Controller werden grundsätzlich nicht unterstützt.

Primär für Zweierteams gemacht

Koordination ist alles: Spätere Level erfordern mehrere Schritte und Schnitte.
Mit ihrer Hilfe kann man im laufenden Spiel nicht mal zurück ins Konsolenmenü wechseln. In einem weiteren Modus wartet eine Reihe lustiger Puzzles auf drei bis vier Teilnehmer. Auch hier ist man mit einer geraden Spielerzahl im Vorteil: Zu dritt wird es etwas kniffliger, weil ein Spieler ständig zwischen zwei Figürchen wechselt, zu viert wird Snipperclips aber zu feinstem Partymaterial! A propos Party: Zusätzlich gibt es noch einen Modus mit den simplen „Blitz“-Minispielen Basketball, Hockey und einem Scherengemetzel, die aber allesamt schon nach wenigen Sekunden langweilig werden. Schade auch, dass es keinerlei Online-Modi, weltweite Bestenlisten oder ähnliche soziale Internet-Extras gibt.   

Der erste Partykracher für Switch?

Fazit

1-2-Switch und Bomberman haben sich als Gurken entpuppt, doch eine kleine kreative Perle aus dem eShop rettet Mehrspieler-Freunden den Tag: So viel gelacht wie beim koperativen Geschnippel Snipperclips habe ich schon lange nicht mehr! Man kann seinen herzallerliebst animierten Partner nicht nur nach Herzenslust ärgern und ihn übel mit der Schere verunstalten, sondern muss in fast jedem Moment gut kordiniert zusammenarbeiten. Hier ein paar Schnitte mit der spitzen Ecke der eigenen Figur und schon wird der Mitspieler zum zackigen Zahnrad, welches eine Labyrinth drehen kann. Es ist schon erstaunlich, wie viel Einfallsreichtum und Abwechslung in die Puzzles geflossen sind und wie motivierend die Aufgaben für zwei Spieler ausbalanciert wurden. Nach ein paar Minuten und einem heftigen Streit gelangt man fast immer zum Ziel. Lediglich im Alleingang oder mit drei bis vier Teilnehmern funktionieren die Rätsel nicht ganz so gut - und manche der Bonus-Minispiele taugen bestenfalls als Lückenfüller. Zudem ist es mir ein Rätsel, warum zum Kuckuck ich vorm Fernseher nicht den Pro-Controller nutzen darf. Davon abgesehen ist Snipperclips aber das zweite kleine Launch-Highlight neben dem großen Zelda! Vor allem Eltern und Geschwister bekommen eine wunderbar ideenreiche und liebenswerte Möglichkeit, sich fiese Wortgefechte zu liefern und danach doch noch mit Verhandlungsgeschick und spitzer Klinge ans Ziel zu gelangen.

Pro

  • geniale Spielidee
  • fesselnde Koop-Rätsel zu zweit
  • sehr viel Abwechslung
  • herzallerliebstes Basteldesign
  • unheimlich knuffige und vielfältige Animationen
  • albern quäkende Ohrwurm-Melodien
  • es werden auch Modi und Varianten für einen, drei oder vier Spieler geboten

Kontra

  • alleine, zu dritt oder zu viert nicht ganz so spaßig wie im Duo
  • Drehen mit den wabbeligen Joycon-Schultertasten etwas schwammig
  • nicht mit Pro-Controller spielbar
  • keinerlei Online-Modi, weltweite Bestenlisten o.ä.
  • Bonus-Minispiele zum Teil witzlos

Wertung

Switch

Ideenreicher kooperativer Rätselspaß, bei bei dem es stark auf gute Kommunikation ankommt.