Drawn to Death - Test, Shooter, PlayStation4

Drawn to Death
18.04.2017, Jan Wöbbeking

Test: Drawn to Death

Spielbares Splatter-Schulheft

Jeder kennt sie: Schulstunden oder Vorlesungen, welche die Raumzeit derart ausdehnen, dass sich ganze College-Blöcke mit abstrusem Gekritzel füllen. David Jaffe (God of War) erweckt Ninja-Kriegerinnen mit Haiköpfen und andere gezeichnete Monstrositäten im Online-Shooter Drawn to Death zum Leben. Ein spaßiges Gemetzel für PS-Plus-Mitglieder?

Was ist cooler als eine Armbrust? Natürlich eine Armbrust, die den ausgerissenen Arm gleich mit verschießt! Außerdem hält die blutende Hand noch ein fettes Päckchen Dynamit umklammert. Man will schließlich nicht unterbewaffnet in den Kampf gehen, wenn der Gegner mit Affenscheiße um sich schmeißt! Oder mit explosiven Bowlingkugeln, an denen zudem noch ein halber Bowlingspieler hängt und die mit Schwung erstaunlich viel Zerstörungskraft entfalten. Jede Waffe, jede Arena und jeder Spruch in Drawn to Death wirkt tatsächlich wie das Ergebnis von viel zu viel Langeweile auf der letzten Bank. Jedes noch so kleine Detail der gekritzelten Horror-Show musste natürlich üppig erweitert und ausgeschmückt werden. Neben einen brodelnden Blutlavasee passen schließlich noch viele martialische Ornamente. Und darüber flattern ein paar selbstmörderisch zerplatzende Engel – total Metal-Cover-mäßig! Und als Lehrmeister muss natürlich der sezierte Frosch aus dem Bio-Unterricht herhalten, der mit freigelegten Innereien die Mutter des Spielers beleidigt – logisch.

Hai-Ninjas und zerteilte Bowlingsportler

Etwas Ketchup gefällig?
Noch cooler ist der „Ringsprecher“, der nicht nur mit grummliger Quake-Stimme die Spieler erndiedrigt, sondern auch ausufernde Geschichten aus seinem Alltag erzählt, in dem er sich z.B. aus purer Lust am Schockeffekt Körperteile abtrennt. Manchmal schimmert in seinen Texten sogar die soziale Unsicherheit des Autors durch, der sich offenbar oft in seinen Wortspielen oder sexuellen Anspielungen verfängt – und dann bei weitem nicht so cool da steht, wie er es sich ausgemalt hatte. Passend dazu plärren aufgedrehte Gitarrenriffs aus dem Lautsprecher. Um auf den Punkt zu kommen: Design und Aufmachung sind Sonys San Diego-Studios prima gelungen – abgesehen vom wilden Farb- und Linienmix, denn im grellen Gewusel geht gerne mal die Übersicht verloren.

Für PS-Plus-Mitglieder ist der Mehrspieler-Shooter derzeit kostenlos erhältlich. Leider wirkt das Gebotene auch spielerisch etwas billig, so dass das Gemetzel nicht wirklich mit Genre-Größen wie Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2 konkurrieren kann. Das beginnt schon bei den Größenordnungen: Lediglich vier Spieler dürfen sich gegenseitig in den Arenen ärgern. Gespielt wird entweder in Rangmatches, in freien Runden oder privat mit Freunden. In lediglich einer Hand voll klassischer Modi wie einem Deathmatch torpediert man entweder alle Mitspieler oder birgt ähnlich wie in „Abschuss bestätigt“ (Call of Duty) die Herzen erlegter Gegner für sein Team. Hier müssen die Organe allerdings in Zonen mit unterschiedlich hohen Punkte-Belohnungen abgeliefert werden.

Lustig, aber unausgegoren

Spring in Sicherheit, Teddy: Einen Großteil der Matches verbringt man in der Luft.
Die Arenen besitzen zwar eine überschaubare Größe, trotzdem ist es etwas öde, mit lediglich vier Spielern darauf herumzuturnen. Zur Wahl stehen eine Reihe von Horror-, Fernost- und SciFi-Szenarien sowie ein klassisches Kolosseum mit einem Keller und beweglichen Wänden. Dank Doppelsprüngen und charakterspezifischer Fähigkeiten wie einer Harpune kann man relativ agil aus Gefahrenzonen turnen – zumal man hier ziemlich viel einstecken kann, bevor man den Löffel abgibt. Die aus der Schulterperspektive gezeigten Figuren steuern sich aber trotzdem etwas hölzern, was ein wenig an uralte Arena-Shooter wie Quake 3 Arena oder Unreal Tournament erinnert. Im Gegensatz zu damals nagen hier allerdings ständige Lags, Ruckler und Kameraprobleme am Geduldsfaden.

Vor allem auf der Flucht über die Dächer oder durch schmale Gassen dreht sich die Sicht oft ungünstig weg oder neigt zu wilden Zuckungen. Am unterhaltsamsten gestalten sich daher direkte Duelle gegen nur einen Spieler, weil man dabei ruhiger seine Strategie durchziehen kann, ohne ständig von der Seite oder von Kameramacken überrascht zu werden. In den Zweier-Duellen kam es aber vor allem dann zu Verbindungsabbrüchen, wenn ich gerade das Match dominierte. Offenbar zieht der jugendliche Humor mit all seinen freischaltbaren Beleidigungen ein nicht all zu faires Publikum an – oder es lag auch hier nur an der schwachen Technik. Als Ottonormal-Spieler muss man viele Todbringer erst freischalten; gegen Mikrotransaktionen im PSN-Store lassen sich aber Extras erwerben, mit denen man schon von Anfang an seine Waffen und Spezialfähigkeiten frei kombinieren darf. Auch alberne Charakter-Verzierungen und Beschimpfungs-Animationen lassen sich freispielen oder käuflich erwerben.

Von der lebenden Minigun bis hin zum Sargwerfer

Total meta: Sogar die Hand des Zeichners greift ein.
Figuren wie ein sadistischer Horror-Teddy oder ein pflichtbewusster Armeeveteran bringen neben zwei mehr oder weniger skurrilen Waffen und diversen Granaten auch zwei wechselbare Spezialfähigkeiten mit, deren Abkühlzeit sich mit Bierfässern verkürzen lässt. Der rotzige Punk Johnny Savage z.B. produziert unerträglichen Lärm: Bleibt ein Gegner zu lange im rot markierten Schallradius, platzt ihm irgendwann der Schädel. Auch Extras wie ein Bodenstampfer oder eine Tarnfunktion sind dabei, so dass sich nach einigen Stunden erfreulich unterschiedliche Ausrüstungen und Spielweisen abstimmen lassen. Im Arsenal der Klasse lässt sich auch festlegen, welche Pickup-Waffen auf dem Schlachtfeld verstreut liegen. Sogar eine lebende Minigun und ein langsam nachladender Sargwerfer mit lebensgroßer Leiche ist enthalten. Ein Nachteil am variantenreichen Durcheinander ist, dass die Balance nicht immer durchdacht wirkt und dass das Gewusel auf dem Schirm schon mal zu unübersichtlich werden kann.

Fazit


Ein abgefahrenes Design allein ist nicht genug – das beweist Drawn to Death wie kaum ein anderes Spiel. Die derben Gags und abstrus zerteilten Kritzelfiguren haben sofort meine Sympathie gewonnen, zumal die wilden Spezialfähigkeiten einen sehr individuellen Spielstil ermöglichen. Trotzdem musste ich mich schon nach kurzer Zeit regelrecht vor die Konsole zwingen, wenn es gerade keine News zu tippen oder andere Arbeiten zu erledigen gab. Die Spielerzahl wirkt mit nur vier Teilnehmern äußerst karg und auch die Modi-Armut drückt stark auf die Langzeitmotivation. Am stärksten auf die Nerven gingen mir aber die vielen technischen Mankos wie Lags, der Bildratenschluckauf, eine hölzerne Steuerung oder die nervös zuckende Kamera. Für ein paar morbide Lacher und Metzel-Einlagen ist der kostenlose PS-Plus-Titel gut genug, spielerisch hat er aber keine Chance gegen durchdachtere Genregrößen wie Garden Warfare oder Overwatch.

Pro

  • übertrieben abgedrehtehte Gags und Beleidigungen
  • extrem durchgeknallte Waffen und Extras
  • sehr unterschiedliche Spielstile möglich
  • originelles wildes Kritzel-Design

Kontra

  • viele technische Probleme wie Ruckler und lange Ladezeiten
  • häufige Lags
  • maximal vier Spieler
  • greller Mix aus Farben und Formen stört die Übersicht
  • nervöse Kamera
  • altbackene hölzerne Steuerung
  • es mangelt an Umfang und Abwechslung

Wertung

PlayStation4

Lediglich kurzfristig lustiges Kritzel-Gemetzel, bei dem es an Technik, Umfang und Feinschliff hapert.