Polybius - Test, Arcade-Action, PlayStation4, PlayStationVR, VirtualReality
Zumindest bislang haben sich noch keine morbiden Nebenwirkungen in unseren Büros bemerkbar gemacht: Alle wirkten heute noch mehr oder weniger lebendig. Und das, obwohl schon lange nicht mehr so viele neugierige Kollegen ihren Kopf ins Konsolenbüro gesteckt haben, um auch mal Probe zu spielen. Die tatsächlichen Gesundheitsrisiken nimmt das kleine Entwickler-Team übrigens nicht auf die leichte Schulter. Ich habe noch nie derart viele Warnhinweise wegklicken müssen wie hier – die meisten handeln von blitzenden Farben und ihren Gefahren für epilepsieanfällige Personen. Für einen Neuling ist das bunte Chaos unterm VR-Helm vermutlich tatsächlich zunächst etwas viel. Selbst ich habe das Headset erst einmal reflexartig wieder abgesetzt, weil es mir seltsam flau im Magen wurde und ich keine Lust auf einen Ausflug zur Kloschüssel hatte. Ab dem zweiten Versuch hatte ich aber seltsamerweise nicht mehr die geringsten Probleme mit Übelkeit – sämtliche anderen Kollegen übrigens ebenfalls nicht.
Alles im grünen Bereich?
Anders als bei Tempest und TxK verharrt man nicht am Ende eines Gitters, sondern düst mit einem Affenzahn über die leicht gebogenen Flächen. Der Großteil der Widersacher lässt sich einfach aus dem Weg rotzen. Man sollte aber gut aufpassen, dass man nicht in die stabileren Hindernisse kracht, welche einem schnell einige Leben kosten können. Entwickler Llamasoft vergleicht das Spektakel mit einer Ski-Abfahrt – und hat damit nicht Unrecht. Ab und zu muss man sich wie beim Slalom an Fähnchen vorbeischwingen, um heil ans Ziel zu gelangen. Draufgänger wagen sich nah an sie heran, um die Punktzahl in die Höhe zu treiben.
Schneller geht immer
Im Grunde handelt es sich diesmal also weniger um einen Shooter als in früheren Llamasoft-Titeln, oftmals steht das Austüfteln des passenden Weges im Vordergrund. Nach und nach bringt man Sinn in das verwirrende Durcheinander und entwickelt praktische Wege, auf denen das Überleben leichter fällt. Irgendwann ist man in einem Stadium angekommen, in dem man genügend Sicherheit erlangt hat, um sich stärker ums Punktesystem zu kümmern. Auch dabei spielt der richtige Weg über die gebogenen Strukturen und das Zerlegen von Gegnerreihen eine wichtige Rolle. Dann lassen sich nach Herzenslust bessere Taktiken austüfteln, um in den VR-typisch kleinen Bestenlisten die Spitze zu erobern oder zumindest Freunde abzuhängen. Passend zum Spielprinzip ist der Multiplikator eng mit der Geschwindigkeit verknüpft; zusätzlich lassen sich z.B. Boni für erlegte Kühe einheimsen.
Mmmmuuuh!
Auf Dauer monoton?
Wer genug von der Reizüberflutung hat, kann auf einen 2D-Modus auf dem Fernseher umsteigen. 4K-Auflösung und 3D-Fernseher werden ebenfalls unterstützt. Am besten spielt sich der Titel aber per PSVR - erstens weil dann das Geschwindigkeitsgefühl viel intensiver ist und zweitens weil sich auch Entfernungen viel intuitiver abschätzen lassen, wenn man sich wortwörtlich „in the zone“ befindet statt auf einen Bildschirm an der Wand zu starren. Auf dem Headset läuft der Titel sogar mit 120 Hertz, technisch gibt er sich aber in allen Varianten (und auf beiden PS4-Modellen) keine Blöße. Sicher – die abstrakte Retro-Kulisse ist bei weitem nicht so anspruchsvoll wie ein Farpoint. Trotzdem wird beim Design durchaus etwas Abwechslung geboten und es ist erfreulich, dass fast alles schön sauber läuft. Ein morphender Sternenhimmel, wilde Farbwechsel und wabernde Filter wie etwa beim Zeitlupen-Extra sind ebenfalls hübsche Details.
Fazit
Noch ist niemanden im Team der Kopf geplatzt – und auch mir sind heute (abgesehen von einem leichten Seitenstechen) noch keine diabolischen Nebenwirkungen aufgefallen. Die wahnwitzige Geschwindigkeit von Polybius treibt einem aber immerhin förmlich die Tränen in die Augen: Jeff Minters erster VR-Ausflug ist eines der bislang intensivsten VR-Erlebnisse! Lasst euch nicht von der bizarren Reizüberflutung entmutigen: Das Enträtseln der kleinen Regeln und Wechselwirkungen im bunten Chaos ist ein wichtiger Teil des Spielprinzips. Zunächst versucht man schlicht einfach zu überleben und die „Abfahrt“ zu genießen, bis man schließlich immer geschicktere Wege entwickelt, um den Multiplikator in die Höhe zu treiben. Ich habe zwar abwechslungsreichere Kämpfe oder Duelle mit Bossen vermisst, trotzdem lege ich immer wieder gerne eine Runde ein, um mich in einen technoiden Punkterausch zu begeben.
Pro
- wahnsinniger Geschwindigkeitsrausch
- psychedelischer Farb-Overkill
- spannendes Austüfteln des besten Weges
- Spielprinzip schön auf VR zugeschnitten
- knifflige Arcade-Punktejagd mit verschiedenen Taktiken
- technisch sehr sauber
- hypnotische Trance-Stücke
- exorbitante Huftierdichte
Kontra
- abrupt ansteigender Schwierigkeitsgrad
- keine Bosse oder andere variantenreich kämpfende Gegner
- langweiliges Waffensystem
- Soundtrack bietet kaum härtere, treibende Tracks