Statik - Test, Logik & Kreativität, PlayStation4, VirtualReality, PlayStationVR

Statik
25.04.2017, Mathias Oertel

Test: Statik

Intelligente Rätsel, hohe Immersion

Intelligente Puzzlespiele à la Portal oder The Talos Principle kommen ohnehin viel zu kurz. Und in VR-Welten muss man sie noch stärker mit der Lupe suchen. Doch vielleicht kann das schwedische Team von Tarsier (Little Nightmares) mit Statik für PlayStation VR einen Boom auslösen und beweisen, dass virtuelle Realität mehr zu bieten hat als intensive Action oder Horror? Wir haben uns für den Test die Brille aufgesetzt und uns in die verstörende Welt des Instituts für Einbehaltung bzw. Zurückhaltung begeben.

Man weiß nicht, wieso die Hauptfigur in einem unbequem wirkenden Untersuchungsstuhl sitzt. Man erfährt auch nicht, wieso die in einem Krankenhaus-Pyjama steckende, an den Armen bandagierte sowie mit blauen Plastik-Überziehern beschuhte Person im Statik Insitute for Retention (Zurückhaltung, Beibehaltung, Aufrechterhaltung, Anm.d.Red.) untergebracht ist. Und es wird auch bis zum Ende nicht wirklich klar. Noch viel stärker interessiert mich aber kontinuierlich, wieso das Gesicht des (nur in Englisch) mit mir redenden Wissenschaftlers nie klar für mich zu erkennen ist. Der Rest der Untersuchungsräume im Institut, das als Schauplatz für die Logik und Auffassungsvermögen fordernden Rätsel genutzt wird, ist klar strukturiert und deutlich zu sehen. Es ist nur das Gesicht des Gelehrten, das beständig wie hinter einem Filter für ein Zeugenschutzprogramm liegt und dementsprechend auch keinerlei emotionale Regung erkennen lässt.

Clever und verstörend

Die sehr intelligent designten Rätsel verbinden Logik mit Auffassungsgabe und Geschick bei der Bedienung des Gamepads.
Die sich anfänglich stellende Frage, wieso meine virtuellen Hände, die in der Realität das bis auf sehr wenige Ausnahmen gut erfasste PS4-Pad halten, in einem merkwürdigen Kasten stecken, der mit jedem neuen Puzzle ausgetauscht wird, verliere ich irgendwann aus den Augen. Denn diese Kästen, die von Rätsel zu Rätsel mit anderen Schaltern, Mechaniken und Anzeigen ausgestattet sind, bilden den Kern des Puzzlevergnügens. Man muss nicht nur jedes Mal aufs Neue herausfinden, was die einzelnen Gamepad-Knöpfe und Sticks im Statik-Institut für Auswirkungen haben. Man muss diese Auswirkungen miteinander und mit der Umgebung in logische Zusammenhänge bringen. Wie findet man die vierstelligen Worte heraus, die nötig sind, um in einem Abschnitt das Puzzle zu lösen. Wie kann man die Stromversorgung so überbrücken, dass alle Lichter leuchten? Wie kann man die Audiokassette nur über mechanische Vorrichtungen in das Abspielgerät bekommen und was zum Teufel macht man mit der Audiobotschaft, die man daraufhin zu hören bekommt? Die ständige Neugier, was einen als nächstes erwartet, ist enorm. Zumal absolut jedes Puzzle auf Zufälle oder Glück verzichtet. Mitunter muss man zwar ganz schön Hirnschmalz investieren, um den Lösungenauf die Spur zu kommen. Doch das macht den Reiz eines intelligenten Rätselspiels aus. Und in diesem Bereich ist Statik auf einem ähnlichen Niveau wie seinerzeit The Talos Principle.

Häufig – und auch das rechne ich Tarsier hoch an – liegt die Lösung so nah, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Oder hat man vielleicht doch irgendwo etwas unbeachtet gelassen? Man sollte daher nicht vergessen, den sich ständig ändernden, die Hände verbergenden Kasten mindestens einmal von allen Seiten zu betrachten. Doch nicht nur liegen Hinweise verborgen – auch die Räumlichkeiten sind mit Indizien und Tipps bestückt. Mal deutlich, mal sehr subtil, wenn man gerade mit etwas an dem technischen Gerät beschäftigt ist und dann beim Aufschauen feststellt, dass sich Kleinigkeiten im Raum verändert haben. In diesen Momenten spielt Tarsier nicht nur geschickt mit

Sorgt dieses Bild dafür, dass man glücklich oder traurig ist?
den mechanischen, sondern auch den Wahrnehmungselementen, die durch die kryptische Geschichte und einige Intermezzi wie dem dauernden "Betäuben" nach gelöstem Rätsel und Aufwachen in einem neuen Raum zusätzlich angeheizt werden.

Der Wald und die Bäume

Man findet sich nämlich auch ein paar Mal im so genannten "Square Room" wieder, in dem man die gestellten und mitunter durch Bilder unterstützten Fragen mit "Glücklich" oder "Traurig" beantworten muss, während man an einer Art Lügendetektor hängt. Ob die Ergebnisse einen Einfluss auf die kommenden Rätsel haben, ist nicht ganz klar, wage ich aber zu bezweifeln. Dennoch wird man auch hier immer weiter in die merkwürdige Welt des Statik-Instituts gezogen und zu einem beinahe willenlosen Testobjekt degradiert, wenn man z.B. bestimmte Ereignisse mit "Glücklich" und "Traurig" kommentiert, der Wissenschaftler aber erst nach der letzten Frage darauf aufmerksam macht, dass man ja keine Definition bekommen habe, für was jeder Knopf genutzt würde. In diesen Momenten lässt mich Statik ganz tief in die Spielwelt eintauchen und gleichzeitig meine Handlung in Frage stellen – klasse! Ebenfalls als Abwechslung vom mitunter harten Puzzle-Alltag sind die einfachen (Traum?)-Sequenzen, in denen man erst Teile für und dann schließlich einen Würfel zusammensetzen muss, der dann aber auch in der Spielwelt materialisiert und für zusätzliche Verwirrung sorgt.

Diese Würfelteile sind nicht nur ein Metarätsel, sondern clever mit der Geschichte verbunden.
Da die Atmosphäre so gelungen und vor allem die Rätsel so gelungen sind, während sie nicht unterschiedlich sein könnten, ist für mich der größte Kritikpunkt die Länge des Spiels. Oder die Kürze, um genau zu sein. Denn wenn man nicht dauernd auf dem Schlauch steht, dürfte man nach etwas zwei bis spätestens drei Stunden den Abspann sehen. Da zudem der Puzzleaufbau bei einem erneuten Anlauf keine Überraschungen mehr zeigt, bietet sich auch nur ein mäßiger Wiederspielwert. Mit mehr Umfang hätte Statik sogar das Zeug gehabt, dem ewigen Rätselmeister Portal 2 gefährlich werden zu können.

Kurzes Vergnügen

Fazit

Obwohl Statik mit nur kleinen mechanischen Abstrichen auch ohne VR-Einbindung möglich gewesen sein dürfte, bin ich froh, dass Tarsier (Little Nightmares) nicht auf die zusätzliche Immersion hinter dem Headset verzichten wollte. Denn erst mit dem umgehend entstehenden Mittendrin-Gefühl, das Dank fester Position und genügend visuellen Ankerpunkten komplett ohne den Anflug von Bewegungskrankheit auskommt, wird das Rätsel-Potenzial voll ausgeschöpft. Jedes der clever designten Puzzle ist vom Aufbau komplett unterschiedlich und erfordert sowohl ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, wenn man den Raum um sich herum nach Hinweisen durchforstet, als auch logische Schlussfolgerung sowie Fingerfertigkeit,  wenn man zum Ende der Experimentier-Reihe gelangen möchte. Dass diese nach zwei bis drei Stunden und damit gefühlt viel zu früh endet, wobei einige Fragen der ebenso cleveren Hintergrundgeschichte unbeantwortet bleiben, ist allerdings ebenso schade wie die sich selten zeigenden Probleme mit der Steuerung bzw. akkuraten Erfassung der Pad-Bewegung. Dennoch gehört Statik für mich zu den interessantesten Titeln, die sich aktuell im PlayStation-Store für das VR-Headset tummeln.

Pro

  • sehr intelligentes Rätseldesign
  • ungewöhnlich dichte, geheimnisvolle Atmosphäre
  • stimmungsvolle Akustik
  • Rätsel setzen alle auf Logik und Auffassungsvermögen
  • hohe Immersion
  • keinerlei Gefahr durch Bewegungskrankheit

Kontra

  • geringer Umfang
  • seltene Probleme mit akkurater Pad-Erkennung
  • nur in Englisch (keine Untertitel)

Wertung

PlayStation4

Statik bietet intelligente Rätsel, bedrückende Atmosphäre und hohe Immersion. Angesichts der Qualität ist es schade, dass der Umfang vergleichsweise gering ausfällt.

VirtualReality

Statik bietet intelligente Rätsel, bedrückende Atmosphäre und hohe Immersion. Angesichts der Qualität ist es schade, dass der Umfang vergleichsweise gering ausfällt.

PlayStationVR

Statik bietet intelligente Rätsel, bedrückende Atmosphäre und hohe Immersion. Angesichts der Qualität ist es schade, dass der Umfang vergleichsweise gering ausfällt.