Dreamfall Chapters - Test, Adventure, XboxOne, PlayStation4, PlayStation4Pro, PC
Gut ein Jahrzehnt nach Funcoms The Longest Journey: Dreamfall wird die geheimnisvolle Geschichte um Zoë Castillo endlich in einem dritten Spiel fortgeführt. Bereits im Vorgänger wandelte sie zwischen bizarren Traumwelten und auch diesmal versucht sie, den Hintergründen ihrer wundersamen Begabung auf den Grund zu gehen. Was steckt hinter den symbolhaften Träumen? Wie hängen die Welten zusammen? Welche Rolle spielt die Firma WATIcorp, welche mit ihren „Dream Machine“-Headsets massenhaft hängen gebliebene „Traum-Junkies“ auf einen niemals endenden Horror-Trip schickt? Beim Versuch, mit ihrem Lebensgefährten Reza ein neues Leben im Distrikt Propast zu beginnen, kommt Zoë als Wahlkämpferin schnell in Konflikt mit kriminellen Hintermännern und dubiosen Finanzierungsmethoden diverser Parteien. In der mit eiserner Polizeigewalt kontrollierten Gesellschaft brodelt es auf zahlreichen Ebenen.
Vezögerter Abschluss
Ein Vorteil dieser Wechsel ist die Vielschichtigkeit der Welt. Je länger man sich mit Parteispendern, Kriminellen, Konglomeratsangehörigen oder Rezas Redakteurs-Kollegen unterhält, desto klarer wird, dass in dieser Welt beinahe jeder bei bestimmten Themen Dreck am Stecken hat - oder sich zumindest in manchen Lebensbereichen mit moralischen Kompromissen arrangiert. Hier gibt es kein schwarz oder weiß; keine einfachen Entscheidungen. Das zeigt sich vor allem in Dialogen, in denen die Entwickler fast nie wertend eingreifen. Sind es nur zwei unterschiedliche Übel, aus denen man sich das vermeintlich kleinere herauspickt? Verrät man den erkannten Spion unter den Rebellen oder hält man ihn hin und hört sich später unter vier Augen seine Beweggründe an? Oder lässt man vorsichtshalber von vornherein keine verdächtige Stimmung aufkommen, um ihn später besser unterstützen zu können?
Vielfältige Graustufen
Auf dem PC merkte man dem durch Crowdfunding unterstützten Spiel deutlich an, dass es unter seiner turbulenten Entwicklungsgeschichte litt. Es kam zu einem ganzen Wust technischer Fehler, Soundstottern und dergleichen. Nach viel Polierarbeit sowie dem Engine-Umstieg auf Unity 5 verspricht der norwegische Entwickler Red Thread Games allerdings, dass die Komplettfassung viel runder laufen und von Details wie verbesserten Charaktermodellen und Animationen profitieren soll. Das Endergebnis wirkte in unserem Test allerdings nur halbgar. Die gröbsten Bugs wurden glücklicherweise ausgemerzt: So kann man etwa in Propast nicht mehr einfach durch Lücken in der Wand schlüpfen, um frei außerhalb der „Karte“ herumzuspazieren. Auch der abzufangende Laufbursche der Assadi legt keinen von wildem Stottern begleiteten Moonwalk mehr aufs Parkett. Abstürze sind uns auf den Konsolen ebenfalls nicht untergekommen.
Wurden die technischen Macken ausgemerzt?
Ärgerlich sind auch die starken Ruckelattacken auf belebten Plätzen wie dem chinesischen Markt. Sogar das für einen Aufstand erstaunlich leere Gefängnis zuckelt auf allen Plattformen bei Kameradrehungen in verdächtig niedrigen Framerate-Bereichen über den Schirm. Immerhin beweisen die Entwickler einen starken Gerechtigkeitssinn: Besitzer der PS4 Pro bekommen beinahe genauso viele Framerate-Einbrüche wie auf der gewöhnlichen PS4. Auf der Xbox One geht die Bildrate nur einen Deut häufiger in die Knie. Die Kulissen profitieren lediglich bei den Details, Effekten und der Bildschärfe ein wenig von den jeweiligen Hardware-Vorteilen, so dass etwa die glänzenden Kopfsteinpflastergassen in Marcuria auf der Pro das idyllischste Gesamtbild abgeben.
Ruckeln für alle!
Auf dem chinesischen Markt muss Zoë beispielsweise ein Gastgeschenk besorgen, um zu einer wohlhabenden potenziellen Wahlkampf-Unterstützerin vorgelassen zu werden. Nachdem ich ein paar Dialoge mit zwei Händlern gestartet hatte, ging ich davon aus, dass auch der Rest des Handels mit dem Gesprächs-Icon ablaufen würde. Obwohl ich die passende Lösung bereits ahnte, irrte ich erst einmal ziellos durch die weitläufige Welt. Irgendwann kam ich glücklicherweise doch noch auf die Idee, mich einfach vor einen Händler zu stellen, das beinahe leere Inventar zu öffnen und ein wenig Geld mit ihm zu kombinieren. Ein paar hitzige Gespräche später hatte ich den nötigen Fusel doch noch zum Spottpreis von einem der zwei konkurrierenden Verkäufer ergattert.
Kein homogenes Erlebnis
Fazit
Auch in der etwas polierteren Komplettfassung von Dreamfall Chapters merkt man dem einstigen Kickstarter-Projekt an, dass sich die Entwickler mit ihrem ambitionierten Projekt übernommen haben. Sicher, die ärgsten Bugs wurden ausgemerzt. Trotzdem leidet die eigentlich interessante Geschichte nach wie vor stark unter ihrer hölzernen Umsetzung und technischen Unzulänglichkeiten wie steifen Animationen, Clipping-Fehlern sowie der schwachen deutschen Vertonung. Am meisten herausgerissen hat mich aber immer wieder die teils verwirrende Einbettung der an sich simplen Rätsel. Wenn mich eines der Puzzles mal etwas länger beschäftigt hat, waren meistens nur ein Missverständnis, versteckte Hotspots oder die nervöse Kamera daran schuld. Die facettenreichen Dialoge und erfreulich freien moralischen Entscheidungen sind mir positiv in Erinnerung geblieben, doch sie werden zu häufig von technischen und spielmechanischen Problemen gestört. So wird aus einer zunächst noch geheimnisvollen Geschichte auf Dauer eine ziemlich tranige und mühsame Reise.
Pro
- faszinierend vielschichtige Spielwelt
- Verknüpfungen der Rahmenhandlung machen neugierig
- zahlreiche Gewissensentscheidungen ohne einfache Moral
- interessante Erläuterungen der Gedankengänge in Dialogen
- einige interessante Figuren
- ansehnlich designte Städte im Cyberpunk- bzw. Fantasy-Thema
- üppiger Umfang mit rund 25 Stunden Spielzeit
Kontra
- simples, teils verwirrendes Rätsel-Design
- fade Aufträge mit langen Laufwegen, Hol
- und Bringediensten
- mitunter wildes Durcheinanderreden und Stotter-Attacken
- häufige Clipping-Fehler
- teils starkes Ruckeln
- sperrige Bedienung von Inventar und Gegenständen
- hölzerne Animationen
- unpassend betonte deutsche Synchronisation
- steife Controller-Steuerung
- abrupter Übergang zwischen den Szenarien erschwert das Verständnis