Summer Lesson - Test, Simulation, PlayStationVR, VirtualReality, PlayStation4

Summer Lesson
09.05.2017, Mathias Oertel

Test: Summer Lesson

Züchtiger Schulmädchenreport

Wenn ein Spiel sich in Fernost zum Verkaufsschlager entwickelt, wird die Neugier geweckt. Zumindest ging es uns so bei dem bislang nur in Asien für Sonys VR-System erhältlichen Summer Lesson (ab 156,00€ bei kaufen) von Bandai Namco. Nachdem vor kurzem eine Version mit englischen Untertiteln erschien, haben wir die einschlägigen Importkanäle bemüht, um die Nachhilfelehrer-Simulation einem Test zu unterziehen.

Was erwartet man von einem Spiel, in dem man die Rolle eines (basierend auf der Anrede offensichtlich) älteren Nachhilfelehrers übernimmt, der sieben Tage Zeit hat, um eine Schülerin im gehobenen Teenager-Alter namens Hikari Miyamoto auf einen anstehenden Test vorzubereiten? Nun, ich könnte mir z.B. eine Mischung aus Zeitmanagement und Minispielen vorstellen. Auch ein Puzzlespiel wäre denkbar. Vielleicht sogar so etwas wie die Nintendo-DS-Titel rund um Dr. Kawashima. All dies könnte in der virtuellen Realität hinter dem PlayStation-Headset eine zusätzliche Immersion erfahren. Die Realität sieht jedoch anders aus. Für jeden Tag wählt man in einem menschenleeren, aber ansonsten schick aussehenden Kaffeehaus aus einem von anfangs vier Bereichen wie z.B. Logik, Lesen oder Auswendig-Lernen ein Thema. Später kommen weitere Auswahlmöglichkeiten hinzu. Dazu legt man aus einem stetig größer werdenden Fundus an trivialen Gesprächsoptionen wie Freizeitgestaltung, Lebensweise, Hobbies usw. eine fest, über die man sich mit Hikari in einer Lernpause unterhält.

Anwesenheitspflicht

Wenn man die richtigen Themen mit den richtigen Fragen koppelt, wird der Lernerfolg sichergestellt - banales Trial&Error.

Und zu guter Letzt kann man noch aus einer Vielzahl an Szenen eine Art „Belohnung“ bestimmen, wenn der Tag erfolgreich verlaufen sollte. Das kann ein Feuerwerk sein, das man sich abends zusammen mit der Nachhilfeschülerin anschaut, kann aber auch ein Aufeinandertreffen im Kaffeehaus sein. Jegliche sexuelle Energie spielt dabei allerdings trotz der Frage, wieso ein Lehrer mit seiner Schülerin in der Freizeit etwa unternimmt, keine Rolle. In jedem Fall bieten sich hier minimale Interaktionsmöglichkeiten. Während der Lernphase kann man zudem über eine von drei Auswahlmöglichkeiten versuchen, den Stoff zu vertiefen und damit die Endbenotung zu beeinflussen. Im Kaffee schließlich wird zum Tagesabschluss eine Zwischenwertung vergeben und auf einem Leistungsdiagramm Hikaris vermerkt. Und dann geht es mit dem nächsten Tag weiter. Bis die sieben voll sind, der Test geschrieben wird und man je nach Ausgang ein anderes Ende zu sehen bekommt, nachdem man bis dahin etwa 70 bis 90 Minuten investiert hat.

Mitunter rückt Hikari dicht an einen heran - dabei bleibt aber alles keusch, unschuldig und züchtig.


Die Unschuld vom Lande

Klingt langweilig? Ist es auch größtenteils. Hinsichtlich der Auswahlmöglichkeiten ist selbst das schwächste Telltale-Adventure eine erzählerische Offenbarung. Und die geringfügigen Aktivitäten, die man als „Belohnung“ erleben darf, sind eigentlich nicht der Rede wert. Denn dabei handelt es sich z.B. um das Anzünden und Halten von Wunderkerzen, das Reichen einer Wasserflasche oder Zufächern von kühlender Luft bzw. um das Auftragen von einem Juckreiz lindernden Mittelchen nach einem Mückenstich. Das hätte dennoch alles irgendwie funktionieren können, wenn es eine ordentliche Dramaturgie und besser noch: eine interessante autonome KI innerhalb der ansehnlichen, aber menschenleeren VR-Welt der Hikari Miyamoto geben würde. Doch es werden nur vorgefertigte Szenen abgespielt, die man betrachten darf. Dabei beginnt es sehr sympathisch, wenn Hikari ihr Zimmer betritt, in dem man auf sie wartet und sie schüchtern erst einmal zu ihrer Mutter läuft, bevor sie zurückkehrt, ihren Kopf vorsichtig durch die Tür steckt und einen schließlich begrüßt. Doch die Hoffnung, dass man mit ihr interessante Szenen erleben darf, verläuft sich spätestens dann, wenn man in der Nachhilfe-Woche wiederholt auf gleiche "Belohnungs-Sequenzen" setzt und diese tatsächlich ohne Bezug auf vorherige Erlebnisse identisch abgespult werden.

Obwohl man an einer (sitzenden) Position festgenagelt ist und keinerlei Bewegungsmöglichkeit oder sonstige Optionen hat, das Geschehen aus einer anderen Perspektive zu betrachten, kann man sich eingeschränkt bewegen – soweit der Oberkörper bzw. der Kopf reichen. Und obwohl es hier Ansätze von Reaktionen auf Annäherung seitens des Spielers gibt, bleibt alles keusch, scheu und oberflächlich. In einer Szene z.B. nutzt Hikari die Lernpause, um ihre sozialen Medien zu überprüfen. Lehnt man sich vor, um zu schauen, was sie macht, wird sie defensiv, zieht sich leicht zurück und bittet darum, dies zu unterlassen. Doch dabei belässt sie es dann. Man kann sie niemals zu irgendwelchen größeren Aktionen provozieren – auch, weil die abgespielten Szenen häufig zu kurz sind, um daraus dramaturgisch etwas Interessantes zu machen.

Und für die Spieler, die eine Alternative zur Fleischbeschau der VR-Inhalte aus Dead or Alive Xtreme 3 suchen, ist Summer Lesson ebenfalls nicht geeignet. Abgesehen davon, dass Hikari stets züchtig angezogen ist und nur minimalste Einblicke

Gemeinsam mit Hikari das Feuerwerk bestaunen: Irgendwie romantisch. Zu wissen, dass man als Lehrer mit einer Schutzbefohlenen unterwegs ist: Irgendwie merkwürdig!


Nur gucken, nicht anfassen – und gucken auch nicht richtig

gewährt, wird der Bildschirm immer behutsam ausgeblendet, wenn es in diffizile Bereiche geht. Nähert man sich ihrem Gesicht an (und sei es nur), um die filigran eingesetzte Mimik im Detail zu betrachten, wird es dunkel in der Brille – es wird vermutlich interpretiert, dass man Hikari küssen möchte oder Ähnliches. Nähert man sich ihrem Oberkörper, bekommt man das gleiche Ergebnis. Selbst der Versuch, beim Feuerwerk den Kopf auf ihre Schulter zu legen, wird durch ein Beiseiterücken von ihr beantwortet. Und nimmt man tatsächlich die Anstrengung auf sich, um ihr unter das Röckchen der Schuluniform lugen zu können, bekommt man ebenfalls den schwarzen Bildschirm. Sprich: Schulmädchen-Fetische werden nur in ihrer harmlosesten Form bedient. Der Reiz, etwas Verbotenes zu erhaschen, wird ohnehin spätestens dann minimiert, wenn man sie mit einem anderen Kostüm auflaufen lässt. Selbstredend kann man seine Hände und Arme nicht benutzen, um sie zu berühren.

Keine Angst vor japanischen Schriftzeichen: In der Asia-Version (u.a. in Thailand oder Hong Kong erhältlich), gibt es englische Untertitel und Menüs.

Immerhin: Die Immersion ist trotzdem recht hoch – was nicht nur den heimeligen Umgebungen, sondern vor allem den natürlichen sowie geschmeidigen Bewegungen der Hauptfigur zu verdanken ist. In ihrem Gesicht, das allerdings in einigen Momenten einen Tick zu puppenhaft wirkt, sind sehr häufig überzeugende Emotionen zu erkennen. Die in dieser Fassung Englisch untertitelte japanische Sprachausgabe wird lippensynchron ausgegeben und zeigt, dass das Team von Bandai Namco die verwendete Unreal Engine 4 ordentlich im Griff hat. Auch die verschiedenen Schauplätze wie das Café, Hikaris Zimmer oder der Schrein, an dem man sich gelegentlich zu einem freundschaftlichen Plausch einfindet, wurden mit viel Detailliebe gestaltet – die allerdings nicht konsequent durchgezogen wurde. Die Zeiger der Uhren z.B. bewegen sich nicht und das ansehnliche Feuerwerk wird nicht in den Wellen der Bucht gespiegelt, an der man es verfolgt. Durch diese Kleinigkeiten sowie die seltenen Clipping-Probleme von Hikari und weiterer Kleidung wird man immer wieder aus der harmlos-entspannten Welt herausgezogen.

Fazit

Summer Lesson positioniert sich inmitten eines Niemandslandes. Als Spiel ist es zu banal. Als Charakterstudie ist es zu oberflächlich, als Adventure zu karg, als Fetischfutter zu zahm. Und als VR-Erfahrung ist es zwar visuell dank Unreal Engine 4 und einer zumeist überzeugenden Hauptdarstellerin ansehnlich, aber auch hier letztlich oberflächlich sowie inkonsequent. Es ist sehr schade, dass Bandai Namco es verpasst hat, eine überzeugende sowie überraschende KI zu kreieren, an deren "Nachhilfe"-Leben man teilnimmt und es vielleicht sogar beeinflussen kann. Es gibt innerhalb der nur kurzen Szenen lediglich minimale Einflussmöglichkeiten oder Optionen, Reaktionen seitens der Schülerin zu provozieren. Da hatte selbst der Mega-CD-Titel Double Switch mehr zu bieten. Wer nach einer Runde Rush of Blood, Rigs oder Brookhaven Experiment etwas Entspannendes sucht und den Import nicht scheut, könnte mit Hikari Miyamoto vielleicht sogar die eine oder andere unterhaltsame sowie tiefenentspannte Stunde erleben.

Pro

  • ansehnliche Kulisse
  • überzeugende Hauptdarstellerin mit meist ausdrucksstarker Mimik
  • simples Konzept
  • recht hohe Immersion
  • Entscheidungen haben Auswirkungen auf Lernerfolg

Kontra

  • spielerisch banal
  • vorgegebene Verhaltensweisen
  • nur jeweils kurze Szenen
  • kaum Einflussmöglichkeiten
  • oberflächliche Aktivitäten
  • mitunter schwierig, den englischen Untertiteln zu folgen (Positionierung)
  • höchst eingeschränkte Bewegungsoptionen

Wertung

PlayStationVR

Kein richtiges Spiel, keine richtige KI-Erfahrung und selbst als Erlebnis in der virtuellen Realität kann der Nachhilfe-Simulator nur eingeschränkt unterhalten.

VirtualReality

Kein richtiges Spiel, keine richtige KI-Erfahrung und selbst als Erlebnis in der virtuellen Realität kann der Nachhilfe-Simulator nur eingeschränkt unterhalten.