Scanner Sombre - Test, Adventure, Mac, PC

Scanner Sombre
17.05.2017, Benjamin Schmädig

Test: Scanner Sombre

Horror Light

Ach, Introversion! Einerseits cool: Die Briten waren schon Indie, als sich kein Schwein um Independent geschert hat. Uplink! Darwinia!! DEFCON!!! Und dann kam der Test zu Scanner Sombre. Ganz ehrlich: Selbst bevor Dear Esther das Erzählspiel „erfunden“ hatte, wäre das hier nur ein müder Wandersimulator gewesen.

Die Idee ist klasse: Man nimmt die Umgebung fast ausschließlich über das vom Scanner erzeugte Computerbild wahr.


Na, und?

Scanner Sombre wirkt wie ein Spiel, das jemand machen musste, nachdem irgendjemand meinte: „Diese technische Spielerei muss ein ganzes Spiel tragen!“

„Äh, OK. Und wie? Wir können Punkte auf ein Drahtgittermodell projizieren, sonst ist da nichts.“

„Meine Güte: irgendeine Amnesie! Irgendwo herumlaufen. Macht die Punkte zum dreidimensionalen Bild eines Umgebungsscanners und enthüllt am Ende irgendwas, das man am Anfang nicht wissen konnte. “

Und irgendwie beschreibt „Na, und?“ das ganze Spiel. Man sieht sein Alter Ego, wie es sich eine AR-Brille aufsetzt, den Scanner anknipst und schon erblickt man Punkte dort, wo der Scanner hinzeigt. Ohne das Scannen würde man gar nichts sehen, schließlich ist es untertage stockfinster. Nach dem Scannen bleiben die Punkte zum Glück gespeichert.

„Aber das wäre hohler Quatsch. Es gäbe keine Interaktion mit der Umgebung und das Scannen hätte nicht die geringste erzählerische Bedeutung.“

„Na, und?“

Unfinished Caverns

Ein bisschen steckt hier also jene Faszination drin, die The Unfinished Swan in seinem ersten Level so besonders machte und das funktioniert auch heute noch. Es ist faszinierend zu sehen, wie in einem „Nichts“ Formen entstehen und sich langsam durch diese voranzutasten.

Nur war’s das eben. Man findet eine Karte und Upgrades, die das Scannen erleichtern, interagiert sonst aber in keiner Weise mit der Umgebung. Und während die Geschichte halbwegs geheimnisvoll erscheint, ist sie zu lose mit dem eigentlichen Spiel, dem Herumlaufen und Entdecken, verknüpft.

Viel zu zaghaft nutzen die Entwickler allerdings die Besonderheiten der einzigartigen Technologie etwa um Spannung zu erzeugen.
Sie dient fast ausschließlich dem Erzeugen von ein wenig Gänsehaut – das ist nach Sunset oder What Remains of Edith Finch für ein Erzählspiel dieser Art zu wenig!

Den Großteil seines Potentials lässt es allerdings selbst hier liegen. Es gibt z.B. keine Kreaturen, die nur kurz auf dem Scannerbild auftauchen, weil sie sich bewegen. Und obwohl man später zwischen zwei Darstellungsarten umschalten kann, ist es nicht so, dass man nur mit jeweils einer ganz bestimmte Dinge erkennt. Nein, bis auf eine durchaus gelungene Passage ist Scanner Sombre viel zu starr, um als guter Gänsehautsimulator zu funktionieren.

Magergrusel

Macht ja nichts; immerhin könnte man sich in der Dunkelheit hervorragend gruseln. Und tatsächlich gibt es zwei, drei Passagen, in denen Scanner Sombre (sombre bzw. somber ist Englisch für düster) genau das erreicht.

Und dann unterstützt ausgesrechnet dieses Spiel übrigens nicht einmal VR-Headsets! Dabei wird in der Virtual Reality nicht nur Horror spürbar überhöht, auch das Scannen wäre als haptischer Effekt mit Touch- und Vive-Controller zumindest eine Zeitlang interesannter als auf dem herkömmlichen Bild.

Fazit

Ach, Introversion: Das war nix! Es tut mir wirklich leid, das zu schreiben, aber Scanner Sombre ist ein ziemlich plumpes Hinterherlaufen in den Fußspuren von Dear Esther – nachdem andere Spiele links und rechts des ausgetretenen Weges längst markantere, spielerisch inzwischen unverzichtbare Abdrücke hinterlassen haben. Es ist ein toller Effekt, dass die Umgebung nur über den indirekten Weg eines gescannten Computerbildes Form erlangt. Allerdings schöpfen die Entwickler diesen Kniff kaum aus. Stattdessen klappert man wie mit einer normalen Taschenlampe den einzig möglichen Weg ab und entdeckt in den Kulissen wenig, das mit den zentralen Fragen zu tun hat. Immerhin gruselt man sich hier und da, doch selbst das kommt unterm Strich zu kurz. Man darf nichts anfassen oder untersuchen und erfährt am Ende eine Auflösung, die einem zu diesem Zeitpunkt fast egal ist. Wirklich schade, Introversion!

Pro

  • cooles Erkennen von Formen fast ausschließlich durch Scannen der Umgebung...
  • spannendes Gruseln in einigen Passagen

Kontra

  • ... das schnell notwendige Routine wird
  • Scannen erfüllt kaum einen spielerischen Zweck
  • belanglose, nichtssagende Geschichte
  • praktische keine Interaktion mit Umgebung

Wertung

PC

Als seichtes Gruselabenteuer funktioniert das Dear Esther der Macher von Prison Architect gerade so - erzählerisch und spielerisch gehört es zu den schlechtesten seiner Art.