Shadow Tactics: Blades of the Shogun - Test, Taktik & Strategie, PC, Linux, Mac, XboxOne, PlayStation4
Es ist immer wieder ein Drahtseilakt: Sobald sich mein Ninja duckt, kann er die grau schraffierten Zonen im hinteren Bereich des Sichtkegels gefahrlos betreten. Aber wann soll ich ihn bloß losschicken? Weil sich die Wache aktiv umsieht, schwenkt diese Zone hin und her. Und weil noch eine zweite Wache aufpasst, überschneiden sich diese auch noch. Ich müsste also punktgenau zwischen den Schatten surfen, wenn ich es gerade so von einer in die andere Zone schaffen will. Zudem weiß ich, dass ein Konflikt nach der Entdeckung meist mit meinem Tod endet. Soll ich vielleicht erst eine Wache weiter hinten weglocken und ausschalten? Oder den Charakter wechseln und von einer anderen Seite loslegen? Während mein Ninja kauernd lauert, wäge ich ab zwischen sorgfältiger Vorbereitung und dreister Initiative.
Schleichen mit dem Sichtkegel
Denn die Wachen folgen z.B. auch Fußspuren, wenn diese für eine kurze Zeit im Schnee sichtbar sind. Schön ist, dass man sie damit auch gezielt in Fallen locken kann. Aber ich muss schnell raus aus dem Busch und per Kletterhaken auf das Dach, um mein Ziel zu erreichen. Kaum bin ich oben, bewege und drehe ich die Kamera, indem ich den linken Analogstick nutze und für einen Schwenk R2 gedrückt halte, um einen möglichen Weg auzukundschaften. Der Blick lohnt sich auch deshalb, weil die malerische Kulisse zum Hinsehen einlädt: Neben der authentischen Mode und Architektur freut man sich über im Wind wehende Banner, Kleidung, Fahnen oder Bäume sowie hübsch animierte Patrouillen und natürlich Kampfszenen - bis auf etwas längere Ladezeiten bietet auch die Konsolenversion sehr ansehnliche Szenen. Wenn Samurai Mugen seinen blutigen Doppelschlag ausführt, sieht das richtig gut aus.
Aber es geht hier nicht um Gemetzel, sondern clevere Infiltration. Wie soll ich in dieser dicht bevölkerten Stadt bloß eines der
schwer bewachten Tore öffnen? Auf einen L3-Druck lasse ich mir alles Interaktive wie Türen, Leitern & Co anzeigen - aha, da hinten könnte ich über ein Seil die Straßenseite wechseln, dann durch ein Gebäude! Erschwerend kommt hinzu, dass auch Zivilisten aufpassen: Entdecken sie mich, eilen sie ängstlich zur nächsten Wache und geben Meldung - sehr schön. Einige Wachen setzen zudem auf weite Distanz schon Gewehre ein, andere mit Strohhüten sind immun gegen Ablenkungsmanöver und Samurai kann man nicht mit einfachen Attacken meucheln. Außerdem wird die Alarmbereitschaft nach ersten Vorfällen verschärft: Man kann hören, wie Offiziere die einfachen Wachen vor einem Eindringling warnen; außerdem ist klasse, dass man nicht so einfach eine Truppe dezimieren kann, denn manche Posten werden nach einem Kill ersetzt. Unterm Strich eine klasse KI mit vielfältigen Verhaltensmustern!Planung ist alles
Als Spieler habe ich aber auch einige Optionen, die mir alle im Rahmen des Tutorials in Form kleiner Schriftrollen näher gebracht werden: Um im Vorfeld meine Route zu planen, kann ich z.B. irgendwo im Gelände einen Augenmarker platzieren, der die aktiven Sichtlinien an diesem Ort anzeigt. Das ist neben den einblendbaren Sichtkegeln ein weiteres nützliches Hilfsmittel in diesem gefährlichen Abenteuer - auch die Schnellspeicherfunktion ist ein verdammt guter Freund, denn jede kleine Situation kann in einem Alarm eskalieren. Und wenn man erstmal beschossen oder umzingelt wird, hat man selbst mit Heilung und doppelten Attacken keine Chance mehr auf eine Flucht.
Bis zu fünf Helden können unterwegs sein, wobei man auf Knopfdruck zwischen ihnen wechselt. Jeder hat etwas andere Bewegungs- und Kampfaktionen sowie Finten zur Verfügung: Der Samurai kann zwar gar nicht klettern, aber dafür gleich zwei Feinde tragen oder auf einmal aufschlitzen sowie seine Flasche mit Hochprozentigem in ein Sichtfeld werfen, um Wachen wegzulocken - was gut funktioniert. Der Ninja und die Diebin sind agiler und gelangen auf Dächer, können es aber nur mit einem Feind aufnehmen und Steine oder eine Flöte zur Ablenkung einsetzen. Sehr schön sind auch hier Kleinigkeiten wie etwa austretende Rinder, die nach einem Steinwurf Zivilisten oder Wachenausknocken; oder die von der Diebin platzierte Falle, die
tödliche Klingen ausspuckt. Hinzu kommen ein alter Scharfschütze samt Marderhund sowie eine Männer bezirzende Geisha. Ersterer kann sein Haustier zur Ablenkung einsetzen, denn es wird bei Sicht geknuddelt; Letztere kann sich verkleiden und als Zivilistin in bewachte Zonen gelangen.Ninja, Samurai, Geisha, Scharfschütze & Dieb
Nur wer ihre Fähigkeiten clever kombiniert, kommt erfolgreich durch die über ein Dutzend Missionen, die ganz unterschiedliche Herausforderungen bieten: Mal geht es um den Diebstahl heikler Unterlagen, das Eliminieren von Offizieren in einem Konvoi, die Sabotage von Türmen oder ganz einfach darum, zwei separat startende Helden an einen bestimmten Ort zu bringen, um dann weiter zu machen. Shadow Tactics ist ein angenehm offenes Spiel mit abwechslungsreichen Schauplätzen von Wald und Wildnis bis hin zu Stadt und Festung. Es lässt mir die Wahl zwischen subtiler Infiltration oder brutaler Vorgehensweise, wobei ich je nach Situation fließend wechseln kann. Weil das Gelände so weitläufig ist und ich teilweise alternative Zielorte aufsuchen kann, verbringe ich schonmal eine bis zwei Stunden in einer Mission.
Schade ist allerdings, dass einer speziellen Spielweise bis auf freigeschaltete Trophäen keinerlei Konsequenzen folgen - pflastert man seinen Weg mit Leichen, wirkt sich das z.B. nicht in späteren Missionen auf die Bevölkerung, die Sicherheit, den eigenen Ruf oder auf die Gespräche im Team aus; hätte man hier nicht auch den Shogun am Ende einer Mission einbinden können? Zwar gibt es ausführliche Statistiken, die die eigene Spielweise nach einem Kapitel illustrieren, aber wesentlich motivierender wäre auch eine Form von Charakterentwicklung gewesen: Ich kann weder die Fähigkeiten noch die Ausrüstung meiner Helden anpassen oder weitere Aktionen durch gutes Spiel gewinnen.
Inkonsequenzen im Gelände
Die Steuerung ist auch auf PlayStation 4 und Xbox One sehr präzise, lässt sich zudem frei anpassen. Schade ist, dass es keine kooperative Akrobatik gibt - gerade eine Räuberleiter, die zwei Helden einsetzen können, vermisse ich an vielen Stellen, wo die Mauer kein wirklich hohes Hindernis darstellt. Außerdem ist es ärgerlich, dass man größere Tore nicht erstmal von außen öffnen kann, sondern dass man meist automatisch hindurch gelotst wird und dann sofort auf der anderen Seite hockt.
Fazit
Dieses gemütliche Grübeln in malerischer Draufsicht habe ich vermisst. Ist ja auch lange her: Ich hatte 2002 ähnlich viel Spaß mit Robin Hood von Spellbound. An die Tradition dieser klassischen Echtzeit-Taktik à la Commandos knüpft Shadow Tactics: Blades of Shogun auch auf PlayStation 4 und Xbox One überzeugend an. Mimimi Productions aus München inszenieren spannendes Infiltrieren im alten Japan. Zwar wirken die Level manchmal inkonsequent designt hinsichtlich akrobatischer Möglichkeiten, außerdem vermisse ich je nach subtiler oder blutiger Spielweise mehr Konsequenzen. Aber dafür ist das Gelände angenehm weitläufig, man kann die Vertikale über Dächer und Kletterhaken sehr gut ausnutzen, die Schauplätze sind thematisch abwechslungsreich und man kann vieles wie Seile, Kräne, Wagen & Co interaktiv einsetzen. Auch wenn die Story nicht in Fahrt kommt, sorgen die Kommentare von Wachen und Helden für Stimmung. Eine motivierende Entwicklung der Charaktere hinsichtlich der Fähigkeiten sowie Ausrüstung fehlt zwar, aber das Katz-und-Mausspiel zwischen Büschen und Gassen sieht nicht nur klasse aus, sondern ist angenehm anspruchsvoll. Das liegt an der überaus aufmerksamen KI, die auf Geräusche und Fußspuren achtet sowie diese verfolgt. Es gibt nicht nur Patrouillen, sondern auch klare Befehlsketten und Verstärkungen. Hier muss man also richtig clever sein, wenn man seine Route plant und Aktionen kombiniert. Dafür geben einem die Entwickler mit den fünf unterschiedlichen Helden viele Möglichkeiten der Täuschung, des Anlockens sowie des Kampfes an die Hand - vor allem die simultanen Manöver machen Laune. Wer Lust auf kooperative Schleichspannung mit Samurai, Ninja, Geisha & Co hat, wird hier für etwa 15 bis 20 Stunden sehr gut unterhalten.
Pro
- Echtzeit-Taktik à la Commandos in Draufsicht
- hübsche Kulissen & Animationen im alten Japan
- gutes Bewegungs- und Deckungssystem
- Charaktere mit unterschiedlichen Stärken
- zeitgleiche kooperative Manöver möglich
- taktisch gut nutzbare Sichtkegel & Sichtmarker
- gute Integration der Vertikalen über Dächer & Haken
- coole Fallen, Finten, Täuschungen
- Leichen oder Bewusstlose verstecken
- gute Integration von Zivilisten inkl. Befehlskette
- aufmerksame Wachen, reagieren auf Fußspuren
- Umgebung lässt sich interaktiv einsetzen
- sehr große Areale mit alternativen Zielen
- frei belegbare Tasten; anpassbare Steuerung
- dreh- und zoombare Kamera
- gut integriertes Tutorial und Hinweise
- englische oder japanische Sprachausgabe
- jederzeit speichern und neu laden
- drei Schwierigkeitsgrade
Kontra
- Story kommt nicht in Fahrt
- keine Entwicklung von Fähigkeiten/Ausrüstung
- manchmal inkonsequente Beschränkungen beim Klettern/Springen/Türen öffnen
- brutale/subtile Spielweise ohne Konsequenzen
- Gebäude werden nur simuliert; keine Innenräume
- keine deutsche Sprachausgabe