Desync - Test, Shooter, PC

Desync
19.05.2017, Benjamin Schmädig

Test: Desync

Ego-Shooter und Arcade-Action

Warum unser Test erst mit fast drei Monaten Verspätung erscheint? Weil Desync neben der Veröffentlichung von Nintendo Switch in einem Loch verschwunden ist, aus dem ich es erst am vergangenen Wochenende wieder ausgegraben habe. Warum unser Test überhaupt noch erscheint? Weil ich schon eine ganze Weile lang nicht so viel Spaß mit einem Solo-Shooter hatte!

Ich weiß: Desync hat international ein paar richtig miese Wertungen eingefahren – ich versteh‘ gar nicht, wieso. Die knackigen Herausforderungen in den kleinen Arenen sehen nicht nur totschick aus, sie werden auch von so satten elektronischen Beats der Marke Perturbator oder Carpenter Brut getragen, dass es eine wahre Freude ist.

Lieber spät als nie

Das an eine Welt im Computer erinnernde Design sieht todschick aus.


Oh... und sie spielen sich hervorragend!

Überleben und Punkte

Wer eine Story sucht, ist hier freilich fehl am Platz, denn die gibt’s im klassischen Sinne einfach nicht. Da sind vage Hinweise, dass man als „Nutzer“ in einer Welt aus Schaltkreisen und Prozessorkernen eine Art Test absolviert, mehr aber auch nicht. Fakt ist: Man steigt in eine wie aus digitalen Bausteinen zusammengesetzte Welt hinab, um in kleinen aufeinander folgenden Arenen Gegnerwellen zu bekämpfen. Zunächst geht es dabei nur ums Weiterkommen – das ist schwer genug! Irgendwann tut man es der Punkte wegen für die Online-Rangliste.

Immerhin zählt das Spiel nicht nur die Zeit, sondern auch geschickte Aktionen wie das Erschießen eines Gegners von hinten, das ins Taumeln Bringen desselben, den Waffenwechsel während eines Zweikampfs, das Treffen eines in der Luft befindlichen Gegners mit einer Rakete oder das Ausnutzen der Umgebung, um Schaden zu verursachen. Schaltplatten lösen etwa Geschosse aus, während manche Wände und natürlich Abgründe für Freund und Feind gefährlich sind.

Schnelle Bewegungen sind das A und O, weil die Angreifer nicht nur aus allen Richtungen kommen, sondern viele auch sehr schnell unterwegs sind und mit ihren Geschossen genau in die Laufbahn des Spielers zielen. Man bekommt es nämlich nicht mit stumpfen Gegnerwellen zu tun, sondern mit stets nur etwa einer Hand voll

Weder gibt es ein Tutorial noch verrät das Spiel im Detail alle seine Geheimnisse. Mit Zeitlupen und mitunter kryptischen Texten weist es zwar auf Besonderheiten hin, trotzdem muss man sich vieles selbst erarbeiten.
Bösewichten, von denen einzelne höchst gefährlich sind.

Die dunkle Seite der Synchronisation

Besonders die Zusammenstellung der Gruppen lässt mich dabei oft gen Bildschirm fluchen. Eine mit Granaten werfende Dampfwalze schiebt sich vielleicht behäbig voran, wuseln in der Umgebung allerdings Minen legende Insekten herum, die sie sich bei Kontakt direkt an mich dran heften, wird’s schnell unangenehm. Hinzu kommen verstärkte („synchronisierte“) Varianten normaler Angreifer, die mal deutlich flinker unterwegs, mal mächtig viel Schaden austeilen, mal besonders stark gepanzert sind, mal mein Alter Ego verlangsamen.

Mit jedem Versuch wird man schneller, genauer, lernt Formationen auswendig und reiht in einem kontrollierten Rausch Aktionen aneinander. Das erhöht nicht nur den Punktestand, sondern auch die eigene Geschwindigkeit; Bewegung, Schießen und Punkte greifen auf verschiedene Weise ineinander – auch weil man sich für manche Manöver schnell auf die Gegner zu bewegen muss.

Leider macht’s einem Desync dabei unnötig schwer, da man die Gegner akustisch kaum wahrnimmt. Es ist nun mal ärgerlich, wenn man die aktuelle Runde nur deshalb neu beginnen darf, weil man einen mittelschweren Gegner nicht hat kommen hören. Glück im Unglück: Das ist weniger frustrierend als im kürzlich veröffentlichten Strafe, denn über die wenigen überhaupt anwesenden Kreaturen behält man viel leichter den Überblick als über von allen Seiten anrückende Schwärme.

Bewegung gegen Geometrie

Ein anderes Ärgernis sind die recht häufigen schmalen Stege mit darunterliegenden Gefahren, denn auf denen darf man das coolen Rutschen zum Ausweichen nur so behutsam einsetzen, dass der Spaß daran auch insgesamt ein Stück verlorengeht. Ein wenig beißt sich die Gestaltung der kleinen Arenen einfach mit der schnellen Bewegung, also einem der zentralen Merkmale des Spiels. Ähnliches gilt für die relativ vielen Kanten und Vorsprünge, über die man nicht hinweg gleitet, sodass man sie umgehen oder auf andere Art überwinden muss. Diese Levelgeometrie hätte einem ruhigeren Shooter besser gestanden als flotten Arcade-Herausforderungen.

An Terminals nimmt man Einstellungen vor, die den Ablauf der Gefechte z.T. stark verändern.


Und leider sind sich sowohl die einzelnen Abschnitte als auch sämtliche Level untereinander viel zu ähnlich. Ein wenig mehr Abwechslung hätte es schon sein dürfen.

Die Werkbank

Die findet man immerhin im Ausbau der eigenen Waffen und Fähigkeiten zwischen den Levels, wofür man in eine Art Schaltzentrale zurückkehrt. Klasse, wie man dort kein einziges über die Spielwelt gelegtes Menü benutzt, sondern die komplette Charakterentwicklung an großen Terminals stattfindet!

An denen stellt man so lange Upgrades für jede der vier Waffen (Pistole, Schrotflinte, MG, Raketenwerfer) her, wie es die durch Erfolge erhaltenen Ressourcen hergeben. In bis zu drei Slots pro Waffe kombiniert man so Verstärker für Schaden, Feuerrate, Geschwindigkeit der Projektile und Munitionsverbrauch, wobei jeder Verstärker auch die Schwächung eines vom Zufall bestimmten anderen Wertes enthält. Man bastelt also sein eigenes Arsenal, was ganz nebenbei natürlich zu Neustarts bereits bekannter Levels motiviert.

Man hat außerdem die Wahl zwischen einer von neun Spezialfähigkeiten, die man immer erst nach einer bestimmten Menge an Abschüssen aktivieren darf. Zu den Fähigkeiten zählen ein sofortiges Heilen, die Möglichkeit Feinde leichter ins Taumeln zu bringen sowie das Umwandeln jedes Kills in einen Overkill. Setzt man einem Gegner nämlich deutlich mehr zu, als man müsste, lässt der einen Gesundheitsschub fallen – das erinnert an das exzellente Forcieren einer aggressiven Spielweise in Doom. Nicht zuletzt entscheidet man sich für einen von vier Gegenständen, dessen Erscheinen man ebenfalls durch Abschüsse einsetzen kann, darunter ein Schild, ein Vereiser und Giftpfeile.

Angriff statt Reißaus

Die coolste Art den Spielfluss zu beeinflussen ist aber das Verknüpfen von bis zu drei Aktionsketten mit jedem Typ synchronisierter Gegner, also der besonders schnellen oder stark gepanzerten Feinde. Führt man gegen die nämlich eine dieser ihnen zugewiesenen Manöver aus, gibt’s zusätzliche Punkte. Man sollte daher überlegen, welche Manöver gegen welchen Synchronisations-Typ besonders effektiv sind. Oder aber man teilt ihnen mit dem olympischen

Bossgegner wie dieser stellen besonders große Herausforderungen dar.
Gedanken im Hinterkopf extra knifflige Angriffsketten zu, die mehr Punkte wert sind als einfachere.

Hat man alles eingestellt, wartet schon der nächste Level, gelegentlich ein fordernder Bosskampf sowie spezielle Versionen bereits bestandener Abschnitte mit eigenen Regeln. Da kämpft man mit vorgegebener Ausrüstung gegen noch anspruchsvollere Formationen – nur für den Fall, dass sich irgendjemand mit den ohnehin gesalzenen Herausforderungen unterfordert fühlen sollte.

Das Salz in der Suppe

Desync ist aufgrund seines komplett verschiedenen Konzepts meilenweit davon entfernt das in manchen Artikeln beschworene Souls-Pendant zu sein. Aber seid euch darüber bewusst, dass ihr alles aus euch herausholen müsst, um hier voranzukommen! Kein Wunder, dass Gamepads gar nicht erst unterstützt werden.

Fazit

Diese Lanze muss ich einfach brechen: Desync ist ein toller Geschicklichkeitstest – ein hervorragend spielbarer Ego-Shooter in der Tradition fordernder Arcade-Action! Keine Frage, dass sich die Arenen auf Dauer zu ähnlich sind und ihre Enge manchmal verhindert, dass man die schnellen Bewegungsmöglichkeiten auch ausschöpfen kann. Den Award verbaut es sich damit leider selbst. Trotzdem ist das eigentliche Spiel ein herrlich präziser, wunderbar knackiger Wettkampf ums virtuelle Überleben sowie Punkte für Ranglisten. Jeder Abschnitt besteht aus einzigartigen Herausforderungen, in denen man Schwachstellen erkennen und mit geschickten Angriffsketten ausnutzen muss. Sich selbst stellt man dabei mit umfangreichen Möglichkeiten auf den bevorzugten Stil ein, wofür man sogar die Eigenschaften aller Waffen stark verändert. Selbst wenn es nicht todschick aussehen und der Soundtrack nicht so energisch pumpen würde: Desync ist ein starkes Highlight!

Pro

  • anspruchsvolle Action mit durchdachten Herausforderungen
  • präzise Steuerung mit schnellen Bewegungen...
  • kreative Aktionen werden mit Punkten und Verstärkern belohnt
  • nette Idee: Festlegen bestimmter Angriffsfolgen für bestimmte Gegner für besonders viele Punkte
  • Wahl einer Spezialfähigkeit und mehrstufige Erweiterung aller Waffen über selbst hergestellte Upgrades
  • schwere Versionen aller Levels und Online-Ranglisten motivieren lange
  • satter Elektro-Soundtrack
  • cooler Stil, schicke Effekte und sämtliche Menüs sind interaktive Bildschirme

Kontra

  • Levels gleichen sich viel zu sehr
  • ... die man auf vielen engen Wegen oft nicht ganz auszuschöpfen kann
  • ausschließlich englische Texte

Wertung

PC

Stylischer, anspruchsvoller und sehr motivierender Shooter, der sich vor allem um Highscores und Ranglisten dreht.