Reservoir Dogs: Bloody Days - Test, Arcade-Action, PC, XboxOne

Reservoir Dogs: Bloody Days
24.05.2017, Mathias Oertel

Test: Reservoir Dogs: Bloody Days

Misslungene Hommage an einen Kultfilm

Für viele ist Quentin Tarantino einer der besten Regisseure und Drehbuch-Autoren. Sein Regie-Einstand Reservoir Dogs feiert gerade das 25-jährige Jubiläum. Obwohl es bereits vor etwa zehn Jahren ein (nicht gerade berauschendes) Spiel zu dem gewalthaltigen Kammerspiel gab, versucht Big Star Games erneut, dem Kultfilm gerecht zu werden. Warum Bloody Days als taktisch angehauchter Dualstickshooter nicht überzeugt, verraten wir im Test.

Egal ob als Drehbuchautor (True Romance, Natural Born Killers, From Dusk Till Dawn), als Regisseur von Streifen wie Pulp Fiction, Kill Bill oder Inglorious Basterds und mitunter sogar als Schauspieler: Quentin Tarantino ist eine Naturgewalt. Seine unnachahmliche Art, über scharfzüngige Dialoge erinnerungswürdige Figuren sowie Spannung aufzubauen, die sich zumeist in extremer Gewalt entlädt, hat das moderne amerikanische Kino geprägt wie bei kaum einem anderen Autor/Regisseur: Das hat natürlich auch den einen oder anderen Spieleentwickler beeinflusst. Doch mit Ausnahme des 2006 erschienenen Reservoir Dogs wurde kein Projekt von ihm zu einem Spiel umgearbeitet. Zum Glück, möchte man sagen. Denn abseits von der zur Schau gestellten Gewalt, die dafür sorgte, dass der Titel für PC, PS2 und Xbox kurz nach seiner Veröffentlichung indiziert wurde, hatte das seinerzeit von Volatile für Eidos entwickelte Spiel einige Schwierigkeiten, die Essenz des Filmes zu erfassen.

Keine Frage

Die Dualstick-Action mit taktischem Einschlag wird brachial inszeniert, aber hat sonst wenig mit Quentin Tarantinos Regiedebüt gemeinsam.
Und das gelingt auch Big Star Games nicht. Als Twinstick-Action mit einem taktischen Einschlag konzipiert, kann man sich zwar  über brachiale Gewalt und knackige Waffen-Akustik freuen. Doch da man erzählerisch teilweise alles demontiert, was im Originaldrehbuch aufgebaut wurde, fällt es mir als Tarantino-Fan schwer, einen Zusammenhang zwischen dem Film und dieser Arcade-Action zu sehen. Die einzige erzählerische Gemeinsamkeit: Die Protagonisten tragen die gleichen Farbcode-Namen. Doch wo sie sich im Original eigentlich nicht kannten, sondern nur über den im Hintergrund agierenden Joe Cabot zusammengebracht wurden, um einen Überfall zu unternehmen, begleitet man sie hier in wechselnder Zusammenstellung von einem Raubzug zum nächsten. Das ist nicht per se verwerflich, doch den kompletten erzählerischen Zusammenhang auf den Kopf zu stellen zeigt mir nur, dass man die Essenz des Filmes nicht verstanden hat, sondern nur vom Kultnamen profitieren möchte – sehr ähnlich, wie es Activision vor kurzem mit Ghostbusters gemacht hat.

Nicht nur das Comic-Design mag so gar nicht zum düsteren Filmvorbild passen.
Um die eingängige sowie mit insgesamt gut 20 Nah- und Fernkampfwaffen ausgestatte Action aufzuwerten, stehen einem pro Auftrag nicht nur mehrere Figuren zur Verfügung, die über unterschiedliche Werte in den Bereichen Stehlen, Tempo und Vitalität verfügen. Man hat als taktischen Kniff die Möglichkeit, die Zeit zurückzuspulen und im Anschluss daran den nächsten Charakter zu übernehmen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem man mit dem Anführer das Rückspul-Feature genutzt hat. Dann geht es weiter mit ggf. weiteren Figuren, bevor man schließlich wieder beim „Boss“ landet, der daraufhin in Echtzeit weiter macht. Das Konzept ist prinzipiell interessant und erinnert an eine Action-Variante von in Strategietiteln wie "They Stole a Million" oder "Crookz: Der große Coup"eingesetzten Mechaniken. Und es sorgt spielerisch theoretisch dafür, dass man bestimmte Fehler durch die gleichzeitige Aktion einer zweiten oder dritten Figur ausgleichen kann. So etwa, wenn man einen der zahlreichen Polizisten oder Wachmänner nicht nur solo unter Beschuss nimmt, sondern ins Kreuzfeuer zieht.



Fragwürdig

In der Praxis hingegen geht dieses Konzept nur eingeschränkt auf. Denn solange man mit dem Anführer unterwegs ist, gibt es kein KI-Verhalten, das sich z.B. eigenständig dem Sperrfeuer der Polizei widersetzen würde, bis man die Zeit zurückdreht und selbst übernimmt. Dementsprechend werden die taktisch geplanten Figurenwechsel irgendwann zu einer hektischen und stressigen Arbeit. Umso mehr, wenn die Startpositionen der Figuren vergleichsweise weit voneinander entfernt sind und man nur minimal Zeit hat, um sich zu orientieren. Aber natürlich gibt es auch Situationen, in denen die Zeitlupen-Mechanik so funktioniert wie vorgesehen. Und das Blutbad, das man mit mehreren Figuren anrichten kann, ist wiederum eines Filmes des Regiemeisters würdig. Doch unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass Hotline Miami und selbst LA Cops als ähnlich gelagerte Titel mehr Tarantino-Flair verströmen als Bloody Days.

Die Dogs gehen über Leichen...
Denn auch das Artdesign kann ich einfach nicht mit Reservoir Dogs in Verbindung bringen. Comic-Figuren, die ihren Filmkollegen nur mit sehr viel Fantasie und gutem Zureden ähneln, sowie die knallbunten Kulissen wirken eher wie ein Team Fortress 2 oder Overwatch in Vogelperspektive. Aber in keinem Fall wie ein Spiel zu einem  Film mit düsterer Grundstimmung. Vielleicht wäre Big Star Games besser beraten gewesen, das Knallbunte durch schwarzweiße Elemente auszutauschen, so dass es eher an Sin City denn an Disney World erinnert. In dem Fall hätten auch die zinnoberroten Elemente als Stilmittel klarer hervorgehoben werden können. Doch dann bleibt immer noch das Problem, das man abseits von minimalen Textdialogen keinerlei Bezugspunkte zu den Figuren feststellen kann. Ob Mr. Pink jetzt wirklich kein Trinkgeld gibt oder sich Mr. White als besonnen herausstellt, während Mr. Brown oder Mr. Blonde eher als Heißsporn agieren: Es ist mir egal. Leider. Und dementsprechend ist es mir auch abseits des Anforderungsprofils (ich verliere ungern) gleichgültig, ob der eine oder andere das Zeitliche segnet und ich am letzten der fair gesetzten Kontrollpunkte noch einmal starten muss.

Knallbunter Comic statt düstere Gewaltexplosion

Abseits der Namen haben die Figuren keine Bezüge zu ihren Filmvorbildern.
Es verwundert auch nicht, dass die Musik ebenfalls nicht den zielsicher die Atmosphäre unterstützenden Faktor besitzt, der Tarantino-Filme auszeichnet. Sie versucht mit ihren Instrumental-Kompositionen zwar den 60er-/70er-Jahre-Geist wachzurufen, der den Original Soundtrack zu Reservoir Dogs auszeichnet. Doch scheitert man damit beinahe ebenso glorreich wie mit dem Versuch, einem Meisterwerk des modernen Erzählkinos zum 25-jährigen Jubiläum ein spielerisches Denkmal zu setzen. Auch, weil Bloody Days technisch in manchen Abschnitten massive Probleme hat, eine stabile Bildrate zu präsentieren.

Fazit

Als Fan von Twinstick-Action im Allgemeinen und Tarantino-Filmen im Besonderen hatte ich mich nach den ersten Videos noch auf Reservoir Dogs: Bloody Days gefreut. Ich war allerdings skeptisch, ob die Rückspul-Mechanik tatsächlich so gut integriert ist, dass sie die gewalthaltigen Raubzüge taktisch aufwertet. Und nur in sehr wenigen Momenten sorgt sie tatsächlich für eine interessante Ergänzung der sauber umgesetzten, aber sehr konventionellen Ballereien. Zudem ist Bloody Days als Ergänzung, Erweiterung oder gar nur Hommage an den modernen Filmklassiker von Quentin Tarantino so gut wie unbrauchbar. Erzählerisch komplett konträr zum Fundament des Kinostreifens, visualisiert als eine Art Team Fortress 2 und eher durch stressige Hektik sowie Trial & Error gekennzeichnet als durch ein ausgewogenes Anforderungsprofil, habe ich irgendwann die Lust verloren, mit den Dogs Raubzüge zu planen und mich stattdessen mal wieder mit Hotline Miami beschäftigt. Das ist atmosphärisch deutlich näher an Tarantino-Streifen als dieser verzweifelte Versuch, aus dem 25-jährigen Jubiläum von Reservoir Dogs Profit zu ziehen.

Pro

  • interessantes Konzept aus Twinstick-Action und taktischer Rückspulfunktion...
  • saubere Steuerung
  • über 20 Waffen
  • sechs Figuren mit unterschiedlichen Eigenschaften
  • gehobener Schwierigkeitsgrad

Kontra

  • ... das in der Praxis nur halbgar funktioniert
  • schamlose Lizenz-Vergewaltigung
  • schwache Charakterzeichnung
  • geht inhaltlich/erzählerisch komplett gegen die Grundprämisse des Films
  • keinerlei Bezugspunkte zu den Filmfiguren
  • unpassendes knallbuntes Comic-Design
  • technisch unsauber (instabile Bildrate in manchen Abschnitten)

Wertung

PC

Bloody Days fällt durch zwei Punkte auf: A) Eine solide, aber zu sehr auf Trial&Error setzende Mechanik. B) Abseits des Namens jeglicher Mangel von kohärenten Bezügen zum Kultfilm.