Ultra Street Fighter 2: The Final Challengers - Test, Prügeln & Kämpfen, Switch

Ultra Street Fighter 2: The Final Challengers
24.05.2017, Mathias Oertel

Test: Ultra Street Fighter 2: The Final Challengers

Wie gut ist die alte Zeit?

Capcom hat sich nicht nur als Meister des Survival-Horrors, sondern auch als Pionier des Prügelspiels in den Annalen der Videospielgeschichte verewigt. Ein Grundstein dieser bis heute anhaltenden Kernkompetenz war die Street-Fighter-Serie. Jetzt ist auf Switch Ultra Street Fighter 2 erschienen. Wir klären im Test, ob der Retro-Ansatz in Zeiten von Tekken 7 und Guilty Gear Xrd bestehen kann.

Als ich vor beinahe 25 Jahren Super Street Fighter 2 auf dem Mega Drive spielte, war ich eigentlich wunschlos glücklich. Capcom hatte seinerzeit einen Meilenstein des Prügelspiels veröffentlicht, der eine ganze Generation beeinflussen konnte und nicht nur zahlreiche Nachahmer, sondern auch zig Fortsetzungen und Spin-Offs nach sich zog. Prall gefüllt mit Kämpfern und Modi sowie unterstützt von einer sauberen Steuerung machte es Spaß, sich entweder mit der KI zu duellieren oder Freunde herauszufordern. Doch irgendwann kam der Punkt, wo ich dachte: „Wie cool wäre es denn, wenn man tatsächlich in die Haut von Ken oder Ryu schlüpfen könnte und die Gegner aus Ego-Sicht nach Strich und Faden vermöbeln könnte?“

Zurück in die Zukunft

Den an schlimme Move- oder Kinect-Verbrechen erinnernden Modus "Der Weg des Hado" hätte man sich sparen können...
Wir spulen ins Jahr 2017: Capcom hat endlich meine Gedanken erhört und der Switch-Version von Ultra Street Fighter 2 genau diesen Modus verpasst. In „Der Weg des Hado“ nutzt man die abgekoppelten Joycons, um mit simplen Gesten Ryus Spezialbewegungen Hadoken, Shoryuken, Tatsumaki Senpukyaku sowie den Shinku Hadoken zu aktivieren. Zusätzlich kann man blocken, um die beinahe rundenweise attackierenden Gegnerwellen in drei Schwierigkeitsgraden sowie einem Endlosangriff in Schach zu halten. Das Problem: Um die Wahrheit zu sagen, habe ich mir niemals einen derartigen Modus gewünscht. Und nachdem ich mich länger damit beschäftigt habe, kann ich für mich auch behaupten, dass ich ihn nicht brauche. Nicht nur, weil die Gestenabfrage höchst gutmütig reagiert und damit schon beinahe beliebig wird. Nicht nur, weil der eher an Street Fighter 5 erinnernde 3D-Grafikstil so gar nicht zum ansonsten klassischen 2D-Retrodesign passen möchte. Nicht nur,  weil er mir weder Spaß macht noch das Street-Fighter-Erlebnis um etwas erweitert, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen darf. Es ist nur wenig mehr als ein angetackertes Gimmick.

Die grundsolide Mechanik hat in den letzten fast 25 Jahren nicht an Qualität verloren.
Der Rest von Ultra Street Fighter 2 hingegen ist mechanisch über alle Zweifel erhaben. Capcom hat ganze Arbeit geleistet und das über 20 Jahre alte Prügelkonzept vorbildlich auf die moderne Konsole gebracht. Es spielt sich so rund, wie ich es in Erinnerung habe. Es gibt bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Dhalsim) keine Megakombos, die man auswendig lernen muss. Man kann einfach loslegen und Spaß haben. Und das sogar noch schneller, wenn man die wenigen Spezialbewegungen als Knöpfe auf den Touchscreen legt und sich als Anfänger nicht die Finger mit den üblichen Bewegungen (Halbkreis, Viertelkreis, Z usw.) verknoten möchte. Die Kollisionsabfrage geht in Ordnung, so dass sich schnell ein spannendes Match mit der KI und natürlich bei Wunsch auch gegen einen menschlichen Kontrahenten entwickelt.

Klassisches Prügel-Vergnügen

19 Figuren stehen zur Auswahl, um in 16 Stages ins Gefecht geführt zu werden, wobei Evil Ryu nach Street Fighter 4 und 5 hier seine Retro-Premiere feiert und Violent Ken sogar erstmalig die Truppe um Chun-Li, Blanka, Guile & Co erweitert. Und im Rahmen der grassierenden Retro-Welle hat sich Capcom dazu entschieden, die Kämpfe nicht nur ganz klassisch mit Sprites darzustellen. Man kann sogar den alten Grafikstil mit 4:3-Bildschirm und groben Pixelrändern aktivieren, wenn einem die modernen Comic-Figuren und die ans Breitbild angepassten Hintergründe nicht gefallen.

Doch nachdem ich gerade erst mit Injustice 2 einen modernen Prügler getestet habe und parallel zu Ultra Street Fighter 2 auch Arc Systems Guilty Gear Xrd Rev.2 spiele, können mich Ryu und seine Kampfkumpane trotz grundsolider und dem Zahn der Zeit trotzenden Mechanik nicht abholen. Auf der einen Seite sorgt der höchst überschaubare Tiefgang zwar dafür, dass sowohl Einsteiger als auch Fortgeschrittene Spaß haben können und am Ende das Geschick mehr über den Kampfausgang entscheidet als Knopfhämmern. Doch das kann ich auf Switch auch mit diversen und deutlich günstigeren Prüglern aus der NeoGeo-Kollektion haben, die man für den Anschaffungspreis von Ultra Street Fighter 2 (etwa 40 Euro) alle auf einmal herunterladen könnte. Und so ansehnlich der moderne Grafikfilter auch ist, kommt er hinsichtlich Detailfreude und Animationsqualität nicht an BlazBlue, Guilty Gear & Co heran. Natürlich gibt es die erwähnte Konkurrenz von Arc oder Warner nicht auf Switch. Doch da im Zweifelsfall (und wie von Nintendo gehofft bzw. gewünscht) das Hybridsystem als „Zweitkonsole“ genutzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diverse Spieler Zugriff auf andere Konsolen und damit auf bessere Alternativen haben.

Weder Retro noch modern

19 Kämpfer warten darauf, ins Gefecht geführt zu werden, darunter auch Evil Ryu und Violent Ken.
Denn auch bei den Modi zeigt sich die Ultra-Version des Kultprüglers eher als „Ultra Light“-Variante. Neben den klassischen Arcade-Kämpfen mit M.Bison als Endboss kann man versuchen, sich im Training mit den Fähigkeiten jeder Figur vertraut zu machen. Man kann natürlich gegeneinander kämpfen und als wie bei einigen Street-Fighter-Alpha-Titeln auch zu zweit gegen die KI antreten, was sich zumindest kurzzeitig als überraschend spaßig herausstellt. Und man darf online Spieler herausfordern – ein nicht zu unterschätzender Unterhaltungsfaktor. Doch wieso man bei Capcom eher auf „Der Weg des Hado“ gesetzt hat, anstatt die seinerzeit in Super Street Fighter 2 zur Verfügung stehenden Spielvarianten „Time Challenge“, „Tournament Battle“ oder  „Group Battle“ zu integrieren, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Zumal man an der grundsätzlichen Balance weitgehend das alte Fundament nutzt und nur leichte Veränderungen eingebaut hat. Für Street-Fighter-Fans weitaus interessanter und vielleicht sogar als einziger Anschaffungsgrund überlegenswert: In der Galerie warten hunderte Illustrationen aus dem nicht mehr aufgelegten Buch „Street Fighter Artworks: Supremacy“, in die man Bedarf auch hineinzoomen kann. Nicht mehr als eine Spielerei hingegen ist die Option, die Kostümfarben der Figuren an die eigenen Wünsche anzupassen. Doch alle Retro-Vorlieben beiseite frage ich mich seit dem ersten Kampf, den ich auf Switch geführt habe, ob Capcom unter dem Strich nicht besser beraten gewesen wäre, die Ultra-Variante von Street Fighter 4 für Switch umzusetzen. Die hätte abseits des Nostalgiefaktors in jeder Hinsicht mehr zu bieten.

Fazit

Street Fighter 2 hat nach über 20 Jahren nicht viel von seiner Faszination eingebüßt. Auch die Ultra-Variante zeigt auf Switch, wieso Capcom mit Ken, Ryu, Chun-Li & Co seinerzeit den Grundstein für seine Kampfspiel-Kompetenz gelegt hat, die bis heute Bestand hat: Akkurate Kontrolle und gelungene Figuren-Balance sind ein solides Fundament für jeden Prügler. Doch in Zeiten, wo sich das Beat-em-up auf der einen Seite mit modernen Vertretern wie Injustice 2 oder Tekken 7 definiert, während der Bereich der  „modernen Retro-Prügelkunst“ in erster Linie von Arc Systems BlazBlue bzw. Guilty Gear dominiert wird, hat Ultra Street Fighter 2 Schwierigkeiten, seinen Platz zu finden. Dass es diesen ausgerechnet auf Switch sucht, kommt nicht von ungefähr, gibt es die gerade erwähnte Konkurrenz doch nur auf Nintendo-fremden Systemen. Und man kann mit dem Retro-Prügler samt alternativer HD-Visualisierung sowohl solo als auch mit menschlichen Kontrahenten seinen Spaß haben – und sich an einem äußerst umfangreichen Artwork-Archiv erfreuen. Dennoch hinterlässt die Ultra-Variante unter dem Strich einen halbgaren Eindruck. Wesentliche Modi aus der 20 Jahre alten Super-Version sind nicht vorhanden. Die neuen Spielvarianten können dies nur eingeschränkt bzw. gar nicht kompensieren, wobei der angetackerte Fuchtelmodus „Der Weg des Hado“ für mich komplett in die zweite Kategorie fällt. Gerade angesichts deutlich günstigerer und im Detail nicht wesentlich schlechterer Auswahl an NeoGeo-Prügelklassikern im eShop.

Pro

  • 19 spielbare Figuren (ganz neu: Violent Ken, neu in SF2: Evil Ryu)
  • eingängige, gut reagierende Steuerung
  • ordentliche Figurenbalance
  • äußerst umfangreiche Artwork-Galerie
  • wahlweise in klassischem Pixel-Look (4:3) oder in HD (16:9)

Kontra

  • überflüssiger Der Weg des Hado-Modus mit Fuchtelsteuerung
  • nur wenige Spielmodi
  • Retro-Stil nicht so detailliert wie bei Arc-System-Prüglern

Wertung

Switch

Obwohl die Kernmechanik so überzeugend ist wie vor gut 25 Jahren, ist der Rest des ehemaligen Vorzeige-Prüglers trotz HD-Anpassung in die Jahre gekommen.