Guilty Gear Xrd Rev. 2 - Test, Prügeln & Kämpfen, PlayStation4

Guilty Gear Xrd Rev. 2
01.06.2017, Mathias Oertel

Test: Guilty Gear Xrd Rev. 2

Alte Prügelschule mit neuer Qualität

Der ausklingende Mai ist dieses Jahr gleichbeutend mit "Prügelspiel-Saison". Während sich Injustice 2 mit Tekken 7 streitet, wer der beste moderne Klopper ist, wartet im Hintergrund mit Guilty Gear Xrd Rev. 2 (ab 14,90€ bei kaufen) ein Beat-em-up alter Schule. Ob die Prügel-Meister von Arc System Works es schaffen, mit dem sowohl als Add-On als auch als eigenständig spielbaren Nachfolger von Guilty Gear Xrd -Revelator-  neue Standards zu setzen, verraten wir im Test.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass Prügelspiele immer auf Duelle hinauslaufen. Und das nicht nur auf dem Bildschirm, sondern auch im Kampf der Hersteller. Erst rang Capcom mit SNK um die Vorherrschaft. Dann wurde SNK von Namco abgelöst, die schließlich nicht nur Tekken, sondern auch Soul Calibur in den Kampf gegen Street Fighter schickten. Schließlich mischte sich Midway mit Mortal Kombat ein, so dass aus dem Zwei- ein Dreikampf wurde, der in immer anderen Zusammenstellungen dafür sorgte, dass sich die jeweiligen Teams zu Höchstleistungen anspornten. Doch es gibt einen Hersteller, der es irgendwie immer wieder geschafft hat, sich aus den Duellen herauszuhalten. Der sein Ding ohne Kompromisse durchzog - und gerade damit sowie dem Fokus auf eine grandiose Spielbarkeit und einem zumeist sehr markanten retro-beeinflussten Artdesign  die Beat-em-up-Fans begeistern konnte.

Die Herrscher der Nische

Mit der Umstellung vom Pixel- zum von Unreal Engine unterstützen Polygon-Design wirkt Guilty Gear noch stärker wie ein Anime zum Mitspielen.
Natürlich ist hier die Rede von Arc System Works. Die Japaner haben nicht nur die Persona-Serie mit zwei edlen Prüglern erweitert, sondern auch mit eigenen Serien überzeugen können. Sowohl BlazBlue als auch Guilty Gear konnten sich mit jedem neuen Ableger steigern. Und letztes Jahr, als z.B. Street Fighter 5 mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet ist, aber die hohen Erwartungen letztlich nicht erfüllen konnte, überraschte Arc System mit ihrem bislang ausgereiftesten Projekt Guilty Gear Xrd – Revelator –. Leider hatten seinerzeit äußere Umstände einen Test verhindert, der jedoch auch in Award-Bereiche hätte vordringen können. Zum Glück schickt man dieses Jahr Guilty Gear Xrd Rev 2 nach. Und das sowohl als eigenständiges Spiel, das alle Inhalte von Revelator um zwei neue Figuren ergänzt, eine erweiterte Geschichte sowie ein runderneutes Balancing bietet. Aber auch als günstiges Add-On, falls man Xrd schon in seiner Bibliothek hat, von dem man auch Speicher-Daten übernehmen kann, so dass man sich z.B. nicht die komplette Story zu Gemüte führen muss.

Die 25 Kämpfer (darunter zwei neue) bekommen eine komplett neue Balance. Man kann aber auch auf die "alte" Revelator-Version zurückschalten.
Arc-System-Prügler haben den Ruf, sich nur an Hardcore-Fans zu richten. Das mag angesichts der vielen Systeme, mit denen man den Kampf beeinflussen kann, sowie den üblichen Halb- und Viertelkreisbewegungen in Kombination mit einer der fünf Schlagtasten oder dem Block durch Bewegung weg vom Gegner durchaus zutreffen. Doch in den letzten Jahren hat man zunehmend versucht, die Serien einsteigerfreundlich zu gestalten. Rev 2 ist der bislang letzte und größte Schritt, den man in dieser Richtung unternimmt. Das beginnt bei den Steuerungshilfen, die man Anfängern zur Verfügung stellt. Es geht weiter beim vorbildlichen Tutorial. Und es endet erst bei den anderen im Menüpunkt „Dojo“ untergebrachten Modi, die einen mit praxisnahen Missionen oder Kombotraining mit Mechaniken im Allgemeinen sowie charakterspezifischen Aktionen auf die Kämpfe gegen KI oder menschliche Gegner vorbereiten. So kann man sich nach und nach die Fähigkeiten erarbeiten, die nötig sind, um entweder im mit einem guten Netzcode ausgestatteten Online-Modus oder offline im Kampf gegen Freunde bzw. in den Gefechten gegen kompetent agierende CPU-Gegner eine Chance zu haben.

So einfach wie nie

Dass es vergleichsweise wenige Spielvarianten gibt, ist schade. Doch sowohl die „Episoden“, die im Wesentlichen einem klassischen Arcade-Modus entsprechen, als auch vor allem der „M.O.M.“-Modus, in dem man seine Figur über ausgerüstete Gegenstände aufwertet, sorgen dank des sehr gut ausbalancierten Anforderungsprofils für gute, mitunter sehr gute Unterhaltung. Insgesamt erreicht man dabei allerdings nicht die Sogkraft, die in Injustice 2 vom Multiversum, den teils asynchronen Gilden-Wettbewerben sowie den Ausrüstungsgegenständen ausgeht. Auch bei der Anzahl der Kämpfer liegt man hinter den DC-Helden und –Bösewichten, wenngleich nur knapp: Mit den zwei Neuen stehen hier 25 zur Verfügung, die jedoch ein breites Spektrum an teils vollkommen hanebüchenen Waffen wie Billardqueue oder Riesenskalpell aufbieten und sich hinsichtlich der Balance im Vergleich zu Revelator nicht nur überarbeitet, sondern komplett neu aufbereitet zeigen. Wem die neuen Kraftverhältnisse nicht gefallen, kann übrigens auf das Vorgängermodell umschalten.

Es gibt zahlreiche, gut miteinander verbundene Systeme, um Schaden anzurichten. Doch der Einstieg fällt Dank eines exzellenten Tutorials so leicht wie noch nie.
Zudem bietet man ein audiovisuelles Konzept an, das seinesgleichen sucht. Das ist für Arc System im Allgemeinen und Guilty Gear im Besonderen zwar nichts Neues. Doch die Abkehr von klassischen Pixelsprites, die sich vermöbeln, hin zu von Unreal Engine angetriebenen Polygonen ist bemerkenswert. Vor allem, da man die dadurch gewonnene Dreidimensionalität eigentlich nur bei bestimmten Kamerafahrten nutzt. Das weiterhin sehr geschmeidig animierte Kampfgeschehen bleibt in der zweiten Dimension und wirkt wie ein Anime. Dieser Eindruck wird durch schicke Spezialeffekte sowie  stimmungsvolle Hintergründe verstärkt, in denen ständig irgendetwas in Bewegung ist. Mindestens ebenso wichtig: Beim Umstieg auf die Polygon-Figuren wurde die Qualität der Kollisionsabfrage beibehalten. Zu keinem Zeitpunkt kommen Zweifel auf, ob ein Schlag oder Tritt ins Ziel ging oder nicht. Einzig die klar strukturierten, aber mitunter unnötig verschachtelten Menüs stören ein wenig.

Schritt zurück in eine neue Zukunft

Schick inszenierte Kämpfe mit einer akkuraten Steuerung und sehr guter Kollisionsabfrage: Arc System Works lässt die Prügelmuskeln spielen.
Das ist aber spätestens dann egal, wenn man sich die Geschichte zu Gemüte führt, die ebenfalls charakteristisch für Arc System (man denke nur an BlazBlue oder Persona 4 Arena) ausufernd ist. Und im Gegensatz zu den erwähnten Serien wird sie hier nicht durch „störende“ Kämpfe unterbrochen, sondern Kapitel für Kapitel in Spielgrafik erzählt. Sie schafft den Spagat, sich und die darin enthaltenen Themen sehr ernst zu nehmen, betrachtet die Figuren in ihren mitunter absurden Situationen aber immer wieder mit einem Augenzwinkern. Und wenn die Gitarren-lastigen mit ihrem Hang zum Schwermetall aus den Lautsprechern dröhnen, ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich Rev 2 verzeihe, dass man nicht noch mehr Spielmodi anbietet, um die exzellente Kampfmechanik genießen zu können.

Fazit

Es scheint wie immer: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In diesem Fall sind die „zwei“ die Schwergewichte Injustice 2 und Tekken 7. Und dann kommt (wieder einmal, möchte man sagen) Arc System und legt mit dem herrlich altmodischen Guilty Gear Xrd Rev 2 den Beweis ab, dass man die BlazBlue-Macher niemals abschreiben darf. Inhaltlich könnte man zwar abseits des guten Netzcodes und den Standard-Arcade-Spielmodi etwas mehr auf der Pfanne haben. Doch mit 25 ausgewogenen Kämpfern, einer breiten Palette aufeinander bezogener Spielsysteme und einem hervorragenden Tutorial mitsamt sehr guten Trainingsmöglichkeiten hat man genug Anreize, sich auch langfristig mit den Heavy-Metal-Kämpfern auseinanderzusetzen. Oder man beschäftigt sich mit der in Spielgrafik, aber nicht interaktiven und vollkommen ohne Kämpfe auskommenden Story, die natürlich auch für Spieler von Xrd – Revelator – einige neue Erzählstränge mitbringt. Leicht zu erlernen, aber verdammt schwer zu meistern, ist Guilty Gear Xrd Rev 2 derzeit die beste Alternative zu Injustice 2.

Pro

  • umfangreiche, gut inszenierte Story...
  • überarbeitete, sehr gelungene Balance
  • wahlweise auch mit Revelator-Einstellungen spielbar
  • eingängige Steuerung
  • Paradebeispiel für "leicht zu lernen, schwer zu meistern"
  • 25 abwechslungsreiche Kämpfer (darunter zwei neue)
  • cooler Schwermetall-Soundtrack
  • grandioses 2D-/3D-Artdesign mit geschmeidigen Animationen
  • hervorragende Tutorials und praxisbezogene Trainingsmissionen
  • Revelator-Spielstände können übernommen werden
  • als Add-On und als eigenständiges Spiel erhältlich

Kontra

  • ... die allerdings vollkommen ausgelagert präsentiert wird
  • wenige Spielmodi

Wertung

PlayStation4

Die Modi könnten zwar üppiger ausfallen, doch hinsichtlich Spielbarkeit, Balance und Artdesign zeigt Arc System, dass man zu den ganz großen Prügelspiel-Machern gehört.