Arms - Test, Sport, Switch

Arms
21.06.2017, Mathias Oertel

Test: Arms

Dynamische Punch-Out-Variante

Der Software-Nachschub seitens Nintendo für die Switch ist nicht üppig, aber immerhin konstant. Mit Arms (ab 59,99€ bei kaufen) präsentiert sich ein Boxspiel, das nicht nur mit seinem knallbunten Artdesign, sondern auch seinem ungewöhnlichen Konzept auffällt. Ob die Kämpfer mit den ausfahrbaren Armen auch noch Spaß machen, wenn der Reiz des Neuen verflogen ist, klären wir im Test.

In den 80er Jahren hat Nintendo in den Spielhallen und auf seinen ersten Konsolen-Systemen mit Punch-Out ein unkompliziertes aber forderndes Arcade-Boxen präsentiert. Und bereits nach den ersten Partien werden die Parallelen zu Arms deutlich. Hier wie da setzt man auf ein sehr einfaches Kontrollprinzip, während die Kamera wie bei anderen Boxspielen und damit gegensätzlich zu üblichen Arcade-Prüglern wie Ultra Street Fighter 2 oder King of Fighters hinter der Figur platziert wird. Doch wenn man gewillt ist, sich in die Feinheiten der anfänglich simpel wirkenden Steuerung einzuarbeiten, kann man erstaunlich viel herausholen. Vieles hängt allerdings auch davon ab, für welche Kontrollmethode man sich entscheidet, um die Gegner mit ausfahrbaren Armen oder im Falle von Twintelle mit schlagfertigen Zöpfen zu malträtieren.

Reduziert, aber effektiv

Spezialangriffe, geschwungene Attacken: Trotz prinzipiell einfacher Steuerung gibt es einige interessante Finessen.

Ich habe mich schließlich für die Standard-Knopfkontrolle entschieden, die man auch mit nur einem Joycon zur vollsten Zufriedenheit nutzen kann. Zwar ist die Immersion deutlich höher, wenn man die Controller rechts und links in die Hände nimmt, um sowohl Bewegung der Figur als auch Schlagaktionen oder Blocken durchzuführen. Allerdings ist die Erkennung sehr schwankend. Während gerade Schläge zumeist gut bis sehr gut erfasst werden, sind die "Effet-Angriffe", also die eine Kurve beschreibenden Attacken, weniger zuverlässig. Auch der sehr wichtige Block lässt sich über die Gestensteuerung nicht so komfortabel und punktgenau setzen wie über die Standard-Kontrollen. Dementsprechend sollte man bei Partyduellen darauf bestehen, dass alle Kontrahenten mit dem identischen Schema gesteuert werden – es sei denn, man möchte sich ein individuelles Handicap bei Kämpfen gegen seine Freunde setzen.

Am meisten Spaß entfaltet Arms bei menschlichen Duellen. Doch sowohl hier als auch für Solisten gibt es zu wenig Inhalte.


Fühlt sich gut an

Hat man sich nach dem gelungenen Tutorial, in dem allerdings nicht alle Feinheiten erklärt werden, mit den wesentlichen Funktionen vertraut gemacht, steht für Solisten in erster Linie der Grand Prix zur Verfügung. Dahinter verbirgt sich ein weitgehend klassischer Arcade-Modus, bei dem man gegen zehn Kontrahenten antreten muss, bevor man sich Champion nennen darf. Hier stehen sieben Schwierigkeitsgrade zur Wahl, wobei bereits ab Stufe 3 Kenntnis der momentan gerade mal zehn Figuren sowie die Nutzung der Steuerungsfinessen nötig ist, um Erfolge feiern zu können. Zudem sollte man tunlichst wissen, wie die drei zur Verfügung stehenden Fäuste im Kampf reagieren, von denen man allerdings nur maximal zwei (eine links, eine rechts) nutzen darf. Denn nicht nur die Figuren bewegen sich unterschiedlich schnell. Auch die Fäuste verfügen über unterschiedliche Geschwindigkeiten, Reichweiten und Sonderfunktionen wie eine Dreierkombo oder Projektil angriffe, die allerdings eine kleine Aufladeverzögerung haben. Die Kenntnis über die finale Schlagprojektion der Faust (horizontal, vertikal), kann im Zweifelsfall ebenso über Sieg und Niederlage entscheiden. Mit den austauschbaren Fäusten, von denen man sich gegen Einsatz von Spielwährung einen ganzen Haufen weiterer freispielen kann, kommt eine interessante sowie leicht taktische Komponente in die Gefechte, die zusammen mit der direkten Steuerung und den Basismechaniken für eine gelungene Dynamik sorgt.

Denn um den gegnerischen Schlägen zu begegnen, kann man nicht nur blocken, sondern auch  ausweichen – wenn es sein muss, auch mit einem Sprung. Und man kann die nahenden Fäuste mit Angriffen seinerseits stoppen und diese quasi in ihrer Vorwärtsbewegung abschießen, wobei in diesen Momenten der Attackierende etwas länger braucht, bis seine "Waffen" wieder eingefahren und erneut bereit sind. Zusätzlich kann man bei Dauerangriffen auf eine bestimmte Seite die Arme des Gegners schwächen und sogar zu einem temporären Totalausfall führen. Wenn ein oder gar beide Arme am Boden schleifen, ist dies nicht nur ein sehr guter Zeitpunkt, um die nächste Kombo abzufeuern, sondern um entweder einen Wurf oder einen der aufladbaren Spezialangriffe vom Stapel zu lassen, bei dem man den Feind mit einem Schlaggewitter zudeckt. Sprich: Mit Knopfhämmern hat man vielleicht gegen Anfänger und die leichten KI-Stufen eine Chance. Doch wer entweder im Offline-Duell oder bei den in unseren Auseinandersetzungen erfreulich lagfreien Online-Kämpfen auf erfahrene Arms-Spieler trifft, wird damit sehr schnell KO gehen. Im Gegenzug bedeutet dies aber auch, dass man sich über die rudimentären Trainingsmöglichkeiten die Feinheiten erarbeiten kann, um bestimmte Strategien wie "Springer" oder "Blocker" kontern zu können. Trotz der Reduktion auf das Wesentliche ist das Kampfgerüst sehr gelungen. Es bietet Einsteigern eine niedrige Hürde, während man als ambitionierter "Armser" zwar keine üppigen, aber genügend Möglichkeiten findet, um sich reinzubeißen und nach Perfektion zu streben.

Distanz-Punch-Out: Arms zeigt sich als durchdachte Neuinterpretation des Nintendo-Klassikers.


Die Crux mit dem Inhalt

Während man sich mechanisch keine großartige Blöße erlaubt, teilt Arms an anderer Stelle das Schicksal einiger Wii-U-Titel wie Mario Maker oder Splatoon: Es gibt einfach zu wenig Inhalte. Gerade mal zehn Kämpfer stehen zur Verfügung, im Juli soll der erste kostenlose Nachschub in Form eines neuen Athleten (Max Brass) kommen. Doch auch das ist erstmal nicht genug, um mich bei den Armen zu halten. Als Solist kann man außerhalb des Grand Prix herzlich wenig Spaß finden. Doch auch für gelegentliche Partyduelle vor dem heimischen Bildschirm mit Freunden oder Internet-Kämpfe gibt es letztlich nicht genug Abwechslung, so dass sich der Spaß auf das Experimentieren mit den Figuren konzentriert. Zwar kann man auch mit Duos antreten oder sich an (ebenfalls im Grand Prix Modus eingestreuten) Minispielen wie Volleyball, Basketball (mit dem Gegner!) oder Zielscheiben-Kombos versuchen. Doch auf Dauer ist Arms nicht mehr als ein netter Zeitvertreib.

Minispiele wie Basketball (mit dem Gegner) sollen für Auflockerung sorgen.

Allerdings ein verhältnismäßig gut aussehender: Das Figurendesign mit seinen abstrusen Schlagwerkzeugen und den Spiralarmen ist sehr eigenwillig, während die allgemeine Farbgebung sich einen knallharten Kampf mit Splatoon um das farbenfroheste Spiel aus dem Hause Nintendo liefert.  Die Animationen stehen dabei nicht zurück, was man vor allem bei den mit unterschiedlichen Kameraperspektiven ausgestatteten Wiederholungen sieht, die man auch im Zeitlupentempo betrachten kann. Und glücklicherweise zeigt sich auch die Kollisionsabfrage von ihrer besten Seite: Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Treffers gibt es so gut wie nie. Zudem kann man sich sicher sein, dass es keinerlei Bildratenprobleme gibt. Selbst bei Online-Kämpfen, die sich über ein sauberes Lobby-System arrangieren lassen, zeigen sich keine nennenswerten Lags.

Fazit

Das Konzept mit seiner reduzierten, aber effektiv nutzbaren Schlagmechanik sowie der farbenfrohen Kulisse geht auf - auch dank des sympathischen  Figurendesigns. Arms spielt sich wie eine weiter entwickelte Variante des Klassikers Punch-Out. Mit lediglich zehn Kämpfern und letztlich nur einem vernünftigen sowie redundanten Solo-Modus werden aber zu wenige Inhalte geboten. Nur das Freispielen neuer Handschuhe lockt bedingt. Als Party-Prügler und im Online-Spiel ist Arms etwas langlebiger. Dabei ist allerdings dringend geraten, sich auf eine Steuerungsoption für alle Spieler zu einigen, da die Bewegungskontrolle sehr wankelmütige Ergebnisse liefert und man hier nur mit enorm viel Übung eine Chance gegen Spieler hat, die auf die gute Standard-Steuerung setzen. Unter dem Strich ist Arms kurzweilig und im Duell gegen menschliche Spieler immer mal wieder ein Spielchen wert.

Pro

  • KI in sieben Stufen einstellbar
  • diverse Kontroll-Optionen ...
  • spaßige Party-Prügeleien
  • charmantes, knallbuntes Artdesign
  • Handschuh-Wahl bringt leicht taktische Tiefe (Reichweite, Geschwindigkeit etc.)
  • reduziertes Kontrollschema, das dennoch zahlreiche Möglichkeiten bietet

Kontra

  • zum Start nur zehn Kämpfer
  • ... bei denen ausgerechnet die Bewegungssteuerung abfällt
  • für Solisten nur ein redundanter Spielmodus

Wertung

Switch

Konzeptionell interessantes Arcade-Boxen, das mit ordentlichem Mehrspieler-Spaß punktet, aber unter dem Strich zu wenig Inhalte bietet.