Hollow Knight - Test, Plattformer, PC, XboxOne, PlayStation4, Switch

Hollow Knight
04.07.2017, Jörg Luibl

Test: Hollow Knight

Biene Maja à la Tim Burton

Das mit knapp 57.000 Dollar über Kickstarter finanzierte Hollow Knight (ab 14,99€ bei kaufen) erschien zwar schon im Februar für den PC. Aber angesicht der Veröffentlichung erster kostenloser Zusatzinhalte sowie der Switch-Ankündigung haben wir uns für einen Nachtest entschieden. Außerdem hat das handgezeichnete 2D-Abenteuer des australischen Team Cherry für nur zehn Euro sehr viel Stimmung, Spannung und Qualität zu bieten - und das über 30 Stunden.

Falls ihr auf der Suche nach magischen Momenten seid und Plattformer wie Outland, Headlander oder Guacamelee! mögt, empfehle ich euch dringend Hollow Knight zu spielen. Dabei fühlt es sich zunächst gar nicht so besonders an, wenn man mit dem gehörnten Helden durch die schwarzweißen Kavernen und Tropfsteinhöhlen wandert. Die Kulissen sind handgezeichnet und wirken liebevoll, aber man springt ganz vertraut über Abgründe oder Fallen und verkloppt recht simpel kleine Käfer - mit einem Nagel als Schwert, wie putzig!

Der gehörnte Held

Der gerhörnte Held trifft immer wieder auf Charaktere, die ein wenig von der Spielwelt erzählen und Aufträge vergeben.

Aber der gewöhnliche Schein der Spielmechanik trügt. Die interessant konzipierte Käferwelt weckt mit ihrer melancholischen Stimmung, skurrilen Charakteren sowie der apokalpytischen Ausgangslage die Neugier. Dabei hält sich die Story mit wenigen Dialogen stark zurück, so dass man lediglich erfährt, dass unter der nahezu verlassenen Stadt ein riesiges verlorenes Königreich schlummert. Immerhin weiß ein Ältester, was zu tun ist: Es braucht natürlich einen Helden, der es von all den Monstern befreit und wachküsst! Klingt bekannt märchenhaft und stereotyp, aber erinnert sehr angenehm an die apokalyptische Eröffnung der Soulsreihe. Und je weiter man mit dem kleinen Ritter wandert, desto mehr charmante Déjà-vus kann man entdecken. Aber wo sind die magischen Momente, die ich versprochen habe?. 

Hier ist einer: Als ich zum ersten Mal mit dem kleinen Helden eine Stationsglocke läute,

Die handgezeichneten Kulissen erzeugen zusammen mit der wunderschönen Musik eine melancholische Stimmung.


Hirschkäfer im Galopp

donnert es plötzlich. Und aus dem Hintergrund galoppiert ein riesiger Hirschkäfer heran, der schnaubend vor mir wartet. Das klingt banal, aber die Animationen sind so eindringlich, der Stil ist so markant, dass ich mich sofort an den epischen Charme der Zeichentrickfilme der 80er erinnert fühlte. Das Artdesign wirkt so, als hätte Tim Burton mit dunklen Farben die Biene Maja interpretiert. Oder anders: Das Düstere und das Putzige, das Skurrile und das Niedliche gehen hier eine stimmungsvolle Symbiose ein.

Dieses spektakuläre Reittier ist übrigens auch sehr nützlich, denn die Käferwelt unter Tage ist riesig und über ein Wegenetz verbunden. Während man diese über etwa 30 Stunden mit all ihren Fahrstühlen, Schächten und Kavernen erkundet, schaltet man an der Oberfläche immer mehr Figuren und Händler frei, bei denen man einige Gegenstände, seltsame Artefakte (was macht man mit einem ranzigen Ei oder einer Maskenscherbe?) sowie den wichtigen Kartenkomfort erstehen kann. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes nicht alles sofort durchschauen! Und diese Rätselhaftigkeit gehört zu den großen Stärken des Spieldesigns. Zunächst hat man nämlich weder einen Kompass noch eine Feder oder Marker für besondere Orte wie Quellen, so dass man sich in den spärlich beleuchteten Untiefen verirren kann. Zwar kann man eine Karte aufrufen, aber die gibt in ihrer Standardversion lediglich rudimentäre Hinweise.

Auf lange Sicht kann so ein Schwarzweiß-Stil recht monoton wirken. Vor allem, weil man auf der Jagd nach den "Geo" genannten Münzen viele bekannte Areale durchstreifen muss. Aber sehr geschickt sorgt das Artdesign an den richtigen Stellen für Farbtupfer und visuelle Reize, so dass ganz unterschiedliche Stimmungen entstehen - darunter nicht nur unheimliche, sondern auch groteske und lustige Situationen, wenn ein Käfer mit seiner Spitzhacke ein Lied summt oder sich ein Wurm über zurückgebrachte Larven freut. Schön ist auch, dass man an vielen Stellen gar nicht weiß, wie man weiter kommt, weil vielleicht Ausrüstung, eine Fähigkeit oder ein Schlüssel fehlt. Das Ganze ist zwar nicht so gut verzahnt und hinsichtlich der Herausforderungen nicht so vielfältig wie Outland, aber ähnlich wie im Klassiker Metroid über die schrittweise Öffnung von Wegen und Pforten konzipiert, so dass man sich immer wieder auf neue Areale freuen kann.

Nagel auf den Kopf

Mit der Zeit kann man Gegenstände kaufen und weitere Fähigkeiten gewinnen.

Neben diesen Erkundungsreizen sowie akrobatischen Hüpfeinlagen über zig Abgründe, Plattformen und Fallen steht der Kampf im Vordergrund. Über 130 Gegnertypen sowie 30 Bosse gilt es zu besiegen. Zwar ist das Kampfsystem im Vergleich zu Salt and Sanctuary oder DarkMaus extrem simpel, denn ohne Block oder Riposte haut man zunächst einfach drauf und kann lediglich ausweichend springen, so dass man stets auf dieselbe Art agiert. Die Steuerung ist präzise, die Kollisionsabfrage ist allerdings nicht immer über alle Zweifel erhaben.

Aber mit der Zeit kann man seinen Nagel aufrüsten und lernt neue Fähigkeiten, kann von Wänden aus weiter springen, sich von Insekten unterstützen lassen oder verschießt den Seelenpfeil, so

In den Bosskämpfen wird der Bildschirm schonmal von mehr Farbe geflutet.


Entspannen auf der Bank

dass man auch bis dato unerreichbare Simse erreichen und aus der Distanz feuern kann. Auch das nervige Aufsammeln der meist überall verstreuten Münzen  lässt sich so automatisieren. Und man kann über eine Laterne etwas mehr Licht in nahezu schwarze Höhlen bringen.

Man hat nur eine begrenzte Zahl an Plätzen für seine Fähigkeiten & Co zur Verfügung, so dass man diese je nach Situation wechseln sollte. Das kann man lediglich an den Bänken, an denen man ähnlich wie an den Lagerfeuern der Soulsreihe rasten und regenerieren kann.

Interessant ist das Heilprinzip: Für jeden Treffer an Monstern füllt sich Seelenenergie, die man entweder für seine Zauber einsetzen kann oder um damit direkt ein oder mehrere Leben aufzufüllen. Zwar wirkt das Spiel dadurch sehr verzeihlich, aber auch hier trügt der Schein, denn von seinen fünf anfänglichen Leben kann man in einer Szene mit Fallen und Feinden ganz schnell mehrere verlieren - ganz zu schweigen von den Bosskämpfen, die euch in mehreren Phasen einiges abverlangen. Außerdem kann man nicht auf Knopfdruck ein Leben regenerieren, sondern muss es über ein paar Sekunden aufladen, so dass man verwundbar ist; ein gutes System. Und wenn man stirbt? Verliert man all sein Geo! Aber da lässt die Soulsreihe wieder grüßen: An der Stelle des Todes lauert ein schwarzer Schatten - wenn man diesen besiegt, bekommt man seine Beute zurück.

Kürzlich wurden für PC die ersten kostenlosen Zusatzinhalte angeboten. Im "Free Content Pack 01: Hidden Dreams" warten u.a. zwei neue Bosse, zwei neue Musikstücke sowie eine Teleportfähigkeit und eine weitere Station. All das wird auch in der kommenden Switch-Version enthalten sein, die laut Team Cherry bereits fertig entwickelt ist und demnächst in Nintendos eShop veröffentlicht wird.

Fazit

Hollow Knight ist ein kleines Juwel, das ich euch wärmstens empfehlen kann. Zwar erreicht es nicht ganz die Klasse eines Outland, aber es ist ein sehr stimmungsvolles Abenteuer. Man hüpft, kämpft und rätselt in einer dem Untergang geweihten Käferwelt, die ebenso melancholische wie gnadenlose, aber auch niedliche und skurrile Momente bietet. So manche verschrobenen Charaktere und vor allem das Artdesign wirkt so, als hätte Tim Burton die Biene Maja mit dunklen Farben interpretiert. Hinzu kommt nicht nur eine wunderbare Musikuntermalung, sondern auch eine geduldige Regie, die für ein angenehm ruhiges Erkunden mit überraschenden Höhepunkten sorgt. Die Anleihen aus der Soulsreihe sind bis hin zum Einsammeln der Beute nach dem Tod spürbar, aber wesentlich dezenter als etwa in direkten Nachahmern wie DarkMaus oder Salt and Sanctuary, zumal der Schwierigkeitsgrad dank des Heilsystems deutlich verzeihlicher ist. Schade ist, dass das Kampfsystem recht simpel bleibt, einige Stellen mit Mehrfachtoden frustrieren können und der gehörnte Held nicht markant genug entwickelt werden kann. Außerdem kann das Einsammeln der Münzen zu Beginn ebenso mühsam sein wie das Absuchen bekannter Areale. Aber mit der Zeit gewinnt man nützliche Fähigkeiten, die vieles abfedern und erschließt damit neue Bereiche wie in Metroid & Co. Wer Plattformer mag, kommt um Hollow Knight nicht herum!

Pro

  • anspruchsvoller 2D-Plattformer
  • dezente Anleihen aus der Soulsreihe
  • melancholische bis düstere Stimmung
  • mysteriöse Käferwelt mit großen Geheimnis
  • markantes Artdesign im Zeichentrickstil
  • Erkundung einer riesigen Spielwelt
  • charmante Reisefunktion über Hirschkäfer
  • 130 Gegnertypen und über 30 Bosskämpfe
  • akrobatisches Hüpfen und kleinere Rätsel
  • sehr angenehme Musikuntermalung
  • kostenlose Zusatzinhalte verfügbar
  • für das Gamepad optimiert
  • deutsche Texte

Kontra

  • nur simples Kampfsystem
  • etwas zu wenig Entwicklung des Helden
  • viele bekannte Wege abgrasen
  • manchmal seltsame Kollisionsabfrage
  • zu Beginn nerviges Münzen einsammeln

Wertung

PC

Als hätte Tim Burton die Biene Maja mit dunklen Farben interpretiert: Hollow Knight ist ein sehr stimmungsvoller, angenehm ruhig designter Plattformer.