Constructor - Test, Taktik & Strategie, PC, XboxOne, PlayStation4, Switch

Constructor
28.06.2017, Mathias Oertel

Test: Constructor

Städtebau mit Kampfansage

Vor etwa 20 Jahren hat System 3 mit Constructor (ab 6,98€ bei kaufen) einen gewagten Mix veröffentlicht, der sich freizügig bei Elementen aus Aufbau- und Echtzeit-Strategie bediente – quasi ein "Command & City". Nun hält man die Zeit für reif, mit einer Neuauflage erneut die Grenze zwischen Städteplanung sowie urbaner Kriegsführung auszuloten. Ob das Konzept immer noch fasziniert, klären wir im Test.

Dass Städtebau nicht nur am PC, sondern auch an der Konsole funktioniert, hat vor kurzem Cities: Skylines auf der Xbox One bewiesen, das im August auch auf der PlayStation 4 vom Stapel läuft. Und dass sich Echtzeitstrategie sowie Konsolensysteme nicht zwangsläufig ausschließen müssen, wissen wir spätestens seit Pikmin oder Halo Wars. Die Kombination von beidem schließlich birgt ebenfalls viel Potenzial. Dessen war sich System 3 schon vor gut 20 Jahren bewusst, als die Briten von System 3 (Last Ninja) ihren Strategie-Mix Constructor nicht nur am Rechner, sondern auch auf der ersten PlayStation veröffentlichten. Auf der einen Seite galt es, eine Stadt zu planen, wobei nicht nur Bebauung, sondern auch die ausgewählte Bevölkerungsschicht eine Rolle spielte, die man in den Wohnungen ansiedelte. Und auf der anderen mussten die ebenfalls auf Stadtbeherrschung erpichten Gaunerbanden in Schach gehalten werden, die ihrerseits Bauvorhaben planten, während sie gleichzeitig versuchten, den Spieler zu sabotieren.

Das Beste zweier Welten?

Die zumeist biedere Kulisse nimmt starken Bezug auf den 20 Jahre alten Klassiker.
Die jüngst auf PS4, Xbox One und PC erschienene Neuauflage von Constructor nimmt nur wenige Änderungen an diesem Konzept vor. Immer noch ist man damit beschäftigt, Sektor für Sektor auf der recht großen Karte zu erwerben, und dort Rohstoff-Fabriken, Konsumgüter-Industrie und natürlich Wohnhäuser hochzuziehen. Man entscheidet sich für Mieter, weist ihnen Fortpflanzungs-Aufgaben oder Mietzahlungen zu und verbessert ihre Wohnsituation – was letztlich dazu führt, dass Sie ihren Verpflichtungen umso lieber nachgehen. Und man hat immer noch mit aggressiv vorgehender KI zu tun, die ihrerseits ebenfalls versucht, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen. Wenn es sein muss, mit Gewalt oder dem Einsatz der so genannten „Unerwünschten“, für die spezielle Behausungen errichtet werden müssen. Das können Kommunen sein, deren Hippies spontane Parties auf der Straße feiern und damit nicht nur den Frieden stören, sondern auch von eventuellen Übernahmeversuchen der jeweiligen Parzelle ablenken. Dabei kann es sich aber auch um Psychos oder Killer-Clowns handeln, die beide Gefallen an der Zerstörung feindlichen Eigentums haben. Oder aber man schickt einen Geist in feindliche Gebäude, die u.a. dafür sorgen, dass die furchtsamen Bewohner sich eine neue Behausung suchen und man vergleichsweise leichtes Spiel hat, dieses Haus einzunehmen.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Gebäude für die Mieter aufzuhübschen und attraktiver zu machen.
Die Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen, sind ansprechend. Und dank einer weitgehend gelungenen, aber nicht intuitiven Anpassung an Konsolenpads kommt man auch irgendwann zurecht. Mit dem linken Stick kann man den Cursor lenken, mit dem rechten unabhängig davon die Karte verschieben, um schnellstmöglich an  entlegene Orte der Karte zu kommen. Zusätzlich zur Standardauswahl gibt es kontextsensitive Hotkeys, um bestimmte Aktionen abzukürzen wie z.B. das Rufen eines Bautrupps zur Verschönerung eines Domizils. Das ist auch bitter nötig, denn wenn es darum geht, aus einer Gruppe von Betriebszugehörigen den Vorarbeiter per Einzelklick herauszufiltern, kann es zu einem frustrierenden Trial&Error kommen. Oder aber man nutzt gleich die „Lassofunktion“ und markiert die gesamte Truppe. Doch so oder so ist die Möglichkeit, seine Leute hervorzuheben und ihnen Marsch- oder Angriffsbefehle zu geben, nicht ganz auf das mitunter herbe Anforderungsprofil abgestimmt.

Alles gut?

Schon ab Normal setzen einem die Gegner ganz schön zu, so dass man nicht nur damit zu tun hat, die Finanzen und die Laune der Mieter zu optimieren, sondern sich auch der immer härteren Angriffe erwehren muss. Und in diesen Momenten wird die Steuerung mit ihren eigentlich auf Tastatur und Maus abgestimmten Mustern auf Konsole zu fitzelig. Man springt auf der Karte hin und her, verschiebt seine Truppen, Gangster sowie Unerwünschte und sieht ihnen schließlich bei ihren großteils unspektakulären Auseinandersetzungen zu. Die Kulisse möchte mit ihrer farbenfrohen isometrischen Ansicht den Charme der alten Zeit beschwören, schafft dies aber nicht immer und sieht in den misslungenen Momenten einfach nur „alt“ bzw. unfertig aus.

Doch nicht nur hier scheint System 3 bei der Neuinterpretation ihres Klassikers trotz Verschiebung nicht genug Zeit gehabt zu haben. Kleinere Bugs bei Wegfindung oder Aktionen, die sich partout nicht anstoßen lassen, obwohl die im Zweifelsfall nötigen Vorbereitungen getroffen sind, sorgen für Frust. Dass in manchen Momenten (auch abseits des sauberen Tutorials) nicht auf den Standardcursor zurückgeschaltet werden kann, ist ebenfalls irritierend. Allerdings nicht so sehr wie der Menüpunkt „Missionen“, der auf „Coming soon“, also bald erscheinende Inhalte hinweist. Es wäre wesentlich sinnvoller gewesen, den Konsolen-Strategen ein sauberes sowie ausgewogenes Spielerlebnis zu bieten, als sie mit erst noch nicht integrierten Modi ködern zu wollen.

Nicht so gut?

Irgendwann wird aus friedlichem Wettbewerb kriegerisches Konkurrenz-Denken.
Denn im Kern macht Constructor einiges richtig. Das Grundkonzept wirkt trotz der leicht angestaubten Kulisse und der gut 20 Jahre, die es auf dem Buckel hat, immer noch frisch. Die unterschiedlichen Forderungen bzw. Probleme der Mieter halten einen ebenso auf Trab wie der latente Rohstoff-Mangel oder die irgendwann überhand nehmenden Angriffe der Konkurrenz. Und mit den unterschiedlichen Siegbedingungen, der Möglichkeit, die Bebauung der Handvoll Karten in einem dezidierten Modus vor dem Spielstart gegen die maximal drei variabel einstellbaren KI-Gegner einzustellen (und sich so evtl. einen kleinen Vorteil zu verschaffen), bietet man ein grundsolides Fundament. Der Mehrspieler-Modus, der auf dem Papier spannende Duelle gegen menschliche Kontrahenten verspricht, lässt sich leider nicht einschätzen. Ob die leeren Lobbies jetzt mit Serverproblemen zu tun haben oder es daran liegt, dass schlichtweg keine Spieler online antreten möchten, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben.

Fazit

Ich hatte mich als Spieler der PSOne-Variante dezent auf das neue Constructor gefreut, zumal die uns seinerzeit präsentierte Vorab-Version einen ordentlichen Eindruck hinterließ. Am Fundament gibt es auch nach wie vor wenig auszusetzen. Die Mischung aus Wohnungsbau, Ressourcen-Management und taktischer Mieterauswahl auf der einen und klassischer Echtzeit-Strategie auf der anderen Seite ist immer noch ungewöhnlich und macht neugierig. Doch nicht nur die Bugs, die sich auch u.a. in der Wegfindung bemerkbar machen, drücken die Motivation nach unten. Die konzeptionell gute und mit zahlreichen kontextsensitiven Hotkeys versehene Pad-Steuerung ist im Detail zu fitzelig, was sich spätestens dann zu einer Tortur entwickelt, wenn die mitunter extrem aggressive KI einen auf der ganzen Karte in Schwierigkeiten bringt. Und obwohl die Kulisse eine Brücke zwischen damals und heute zu schlagen versucht, bleibt sie zu sehr im Damals hängen, um der auch hier abflauenden Lust zum Weiterspielen ein Schnippchen zu schlagen. Angesichts notorischer Strategieflaute auf Konsolen ist es schade, dass das interessante Konzept letztlich nur halbgar aufbereitet wurde.

Pro

  • interessante Mischung aus Städtebau und Echtzeitstrategie
  • saubere Steuerung mit einigen kontextsensitiven Abkürzungen
  • Inhalte wie Missionen werden erst nachgeliefert
  • diverse Siegbedingungen
  • Karten modifizierbar/vor eigentlichem Spielstart zu bebauen

Kontra

  • (zumeist kleine) Bugs mindern das Vergnügen
  • altbackene Kulisse
  • biedere deutsche Lokalisierung
  • keinerlei Online-Mitspieler zu finden (unklar ob Server
  • oder Spielerproblem)
  • im Detail Steuerung nicht genau genug und zu fitzelig
  • sehr steile Lernkurve

Wertung

XboxOne

Das Konzept aus Städtebau und Echtzeit-Strategie funktioniert auch noch 20 Jahre nach dem Original. Mechanisch und inhaltlich gibt es aber noch Luft nach oben.

PlayStation4

Das Konzept aus Städtebau und Echtzeit-Strategie funktioniert auch noch 20 Jahre nach dem Original. Mechanisch und inhaltlich gibt es aber viel Luft nach oben.