Steel Division: Normandy 44 - Test, Taktik & Strategie, PC

Steel Division: Normandy 44
14.07.2017, Marcel Kleffmann

Test: Steel Division: Normandy 44

Intensive und fordernde Taktikschlachten

Nach R.U.S.E., Act of Aggression und der Wargame-Trilogie versuchen sich die französischen Strategie-Spezialisten von Eugene Systems mit Steel Division: Normandy 44 (ab 29,11€ bei kaufen) an einem Echtzeit-Taktikspiel im Zweiten Weltkrieg. Auf historischem Boden dürfen intensive und fordernde Schlachten ausgetragen werden, die wir uns im Test näher angeschaut haben.

Steel Division: Normandy 44 ist im Grunde genommen kein Echtzeit-Strategiespiel, sondern Echtzeit-Taktik. Die eigentlichen Scharmützel an der Front sind also wichtiger als das große Ganze und daher erinnert es neben den üblichen, naheliegenden Verdächtigen wie R.U.S.E., Blitzkrieg 3 oder Wargame an ältere Weltkriegstaktiktitel wie Men of War oder Faces of War und das liegt nicht nur am Szenario im Zweiten Weltkrieg, sondern an dem hohen Mikromanagement-Faktor. Basisbau, Truppenproduktion in Gebäuden, auf dem Schlachtfeld sammelbare Ressourcen, erforschbare Upgrades und Co. gibt es nicht. Die "Ressourcen" in den Gefechten sind die Einheiten selbst sowie die langsam im Spielverlauf hochtickenden Nachschubpunkte, mit denen man Nachschub von außerhalb des Schlachtfelds anfordern kann. Fordert man Verstärkung an, kann man via Pfeil festlegen, von wo er eintreffen und wohin er sich begeben soll - wie schon bei R.U.S.E. und Wargame stellt sich der Charme einer Schlacht mit Modellbaukasten-Stil ein.

Echtzeit-Taktik im Zweiten Weltkrieg

Vor einer Schlacht stellt man seine Division aus den verschiedenen Einheitentypen zusammen. Die Buchstaben A, B und C stehen für die Phase der Schlacht.

Jede Schlacht ist in drei Phasen unterteilt, ähnlich der Eskalationsstufen in Dawn of War 3. In der ersten Phase, die von der Aufklärung geprägt ist, sind hauptsächlich "leichte Einheiten" verfügbar. Danach entbrennt das Gefecht und schlussendlich die Schlacht. Je weiter die Zeit fortschreitet, desto stärkere und teurere Einheiten dürfen angefordert werden. Die Anzahl der erhaltenen Nachschubpunkte erhöht sich mit der aktuellen Schlachtphase und hängt von der Division ab, die befehligt wird. Allerdings muss man sich genau überlegen, welche Einheiten man in welcher Phase anfordert oder ob man die Nachschubpunkte lieber für später aufhebt, um dickere Truppen aufbieten oder besser auf die gegnerische Armee reagieren zu können.

Drei Phasen einer Schlacht

Bevor es aber losgeht, muss vor der eigentlichen Mission seine Division wie in einem Sammelkartenspiel zusammengestellt werden. Auswählen kann man diverse Truppen aus den Bereichen Recon (Aufklärung), Infanterie, Unterstützung, Panzer, Anti-Panzer, Artillerie etc. Bei der manuellen Zusammenstellung sollte man jedoch beachten, nicht nur die "teuren" Einheiten in das "Deck" aufzunehmen, weil man sonst in der ersten Schlachtphase schlecht dasteht und umgekehrt. Eine gewisse Ausgewogenheit ist erforderlich. Praktisch: Bei der Zusammenstellung werden viele Informationen und Details zu den Einheiten präsentiert.

Die zusammengestellte Division muss am Anfang einer Partie im blauen Bereich auf der Karte platziert werden. Hier wird gleich ein 4-gegen-4-Gefecht entbrennen.

Die taktischen Schlachten leben von einem prinzipiell einfach zu verstehenden Kampfsystem, das mit cleveren Raffinessen punktet, aber auch mit einigen Macken zu kämpfen hat. In der Regel sind die Einheitentypen und ihre Aufgaben im Kampf klar verständlich. Während Truppen mit Maschinengewehren effektiv gegen Infanterie sind, erweisen sich Soldaten mit Panzerfäusten als hocheffizient gegen Fahrzeuge. In Gebäuden verschanzte Truppen schaltet man am besten mit der Artillerie aus, die wiederum von einem Späher mit größerer Sichtlinie profitieren. Dann gibt es da noch die Anführer, die alleine wenig schlagfertig sind, jedoch Moral und Effektivität von anderen Einheiten verstärken. Es kommt darauf an, dass man auf den zumeist weitläufigen Schlachtfeldern die unterschiedlichen Einheiten geschickt miteinander kombiniert und die Gegner auskontert.

Fordernde Schlachten

Aufklärung spielt eine große Rolle, um beispielsweise mit in Häusern verschanzten Einheiten klarzukommen. Praktisch ist hierbei die für jede Einheit optional einblendbare Sichtlinie, schließlich sorgen Häuser, Büsche, Bäume und Co. jeweils für ein eingeschränktes Sichtfeld. Leider kann nur ein Sichtfeld pro Einheit und keine kombinierte Sicht aller Truppen zugeschaltet werden. Hat man beispielsweise Gegner in einem Haus gesichtet, kann mit der Artillerie entweder ein Rauchvorhang als Sichtschutz beim Vorrücken hochgezogen oder das Ziel einfach bombardiert werden. So lassen sich die Gegner dort festsetzen oder gleich ganz ausschalten. Auch das "Unterdrücken" von Gegnern zum Beispiel mit MG-Salven sowie das Flankieren sind elementar wichtig. Bewegt man zum Beispiel eine eigene Einheit zu einer festgesetzten feindlichen Truppe, kann diese sich ergeben und verlässt direkt das Schlachtfeld.

Aufklärung, Moral und Munition

Die Sichtlinie des Firefly-Panzers kann optional angezeigt werden. Bäume und Büsche blockieren in diesem Fall die Sicht auf mögliche Ziele.
Im Auge behalten sollte man die Moral der Kämpfer, die durch Beschuss, Aufenthalt im feindlichen Gelände und vor allem durch fehlende Deckungsmöglichkeit leidet. Niedrige Moral kann dazu führen, dass die eigenen Truppen schneller den Rückzug antreten oder sich eventuell ergeben. Eine Anführer-Einheit würde zur Moralsteigerung beitragen - oder man setzt gleich auf Fallschirmtruppen, die es gewohnt sind, hinter feindlichen Linien zu kämpfen. Darüber hinaus verfügen die Einheiten, gerade die Artillerie, nur über begrenzte Munition. Man muss also für Nachschub mit Versorgungsfahrzeugen sorgen, die automatisch die Einheiten in ihrer Umgebung beliefern.

Auch wenn das Geschehen durchaus realistisch anmutet und zum Beispiel authentischer als bei Company of Heroes 2 ist, muss man in Sachen Realismus einige Abstriche machen. So ist beispielweise die Reichweite der Artillerie im Vergleich zu den realen Vorbildern ziemlich eingeschränkt und die Panzerung von Panzern wird nur sehr allgemein gehandhabt (vorne stark; hinten schwach). Alles in allem bewegt sich der gebotene Realismus im Bahnen von gewohnten Echtzeit-Taktikspielen wie Men of War oder Faces of War.

Durch die Iriszoom-Engine und die schick in Echtzeit visualisierten Frontlinien anhand von den regionalen Machtverhältnissen wird ein toller Überblick über die großen Schlachtfelder geboten. Es wirkt so, als würde man sich als Feldherr um das große Ganze kümmern, doch das ist nicht vollständig richtig, denn es gibt sehr viel Mikromanagement zu erledigen - stellenweise zu viel.

Erhöht man die Entfernung der Kamera, dann werden die Frontlinien sichtbar, welche die Machtverhältnisse in der Kartenregion veranschaulichen.
Gut ist jedenfalls, dass die eigenen Truppen auf eigene Faust eine Deckung suchen und selbstständig Feinde attackieren. Aber wenn es um die Platzierung von Mörsern sowie die Vorgabe der Schussrichtung, das langsame Vorrücken der Truppen oder das Unterbinden von sinnlosen Angriffsaktionen (Panzer mit MG beschießen) geht, ist man als Babysitter gefragt. Dazu kommt, dass sich die Truppen manchmal in Richtung Feind zurückziehen und die Wegfindung manchmal nicht richtig mitspielt. Häufig wollen die Fahrzeuge lieber über Asphaltstraßen (schneller) brettern als durch die Prärie, obwohl der Befehl lautete, dass sie durch die Prärie fahren sollen. Dadurch sind die Schlachten ziemlich intensiv und überraschend dynamisch, sofern man sich nicht über das Verhalten seiner Truppen ärgert.

Viel Übersicht und viel Mikromanagement

Seltsam ist auch, dass Transport-LKWs nach dem Abladen verschwinden. Holt man beispielsweise einen Mörser als Verstärkung auf das Schlachtfeld, so wird das Gerät mit einem Transport-LKW angeliefert. Klickt man auf entladen, steigt die eigentliche Mörser-Einheit aus und kann angreifen. Dadurch lassen sich die Truppen am Anfang schneller an das gewünschte Ziel bringen. Jedoch kann man die Truppe später nicht wieder in einen LKW stecken, um schnell die Position zu wechseln. Stattdessen müssen sie laufen, sehr langsam laufen. Der Transport-LKW ist einfach weg; vielleicht hätte man gegen (sehr wenige) Unterstützungspunkte solche LKWs anfordern können.

Die Führung von eher kleineren, taktischen Gefechten auf großen Schlachtfeldern steht also im Vordergrund. Gerade das langsame Vorrücken auf verschanzte Gegnerstellungen oder auf sich in Dörfern verbarrikadierte Einheiten erfordert die stetige Feinjustierung der Positionierung vieler Truppen. Für das langsame Vorrücken, die Reaktionen auf die Gegneraktionen und die Optimierung der Frontlinie lassen sich die nötigen Befehle im Einzelspieler-Modus gut erteilen, da die Spielgeschwindigkeit von "sehr schnell" bis "in Zeitlupe" eingestellt werden kann. So hat man genug Zeit zum Babysitting der Einheiten. Eine Pausefunktion wäre dennoch angebracht gewesen. Im Mehrspieler-Modus fehlt die Option zur Einstellung der Spielgeschwindigkeit, was die Gefechte ungleich hektischer und chaotischer macht.

Aufwändige Justierung der Kriegsmaschinerie

Neben einem acht Szenarien langen und sehr hilfreichen Tutorial kann man sich im Skirmish-Modus (Gefecht) gegen Computergegner beweisen oder in die historischen Einzelspieler-Kampagnen stürzen, wobei der Skirmish-Modus nur zwei Modi (Auslösung und territoriale Kontrolle) bietet.

Die Kampagnen beginnen mit der Schilderung der Ausgangslage. Danach folgt die jeweilige Beschreibung der Mission.




Kampagne und Gefecht

Drei Kampagnen mit je vier Einsätzen sind enthalten, die nicht direkt an der D-Day-Küste, sondern eher im Hinterland von Frankreich spielen. Die eher lose verknüpften und mäßig in Szene gesetzten Einsätze werden von umfangreichen Briefings eingeleitet und spielen von Sommer bis Herbst 1944. Haupt- und Nebenziele (optional) warten darauf erfüllt zu werden, wobei das Spiel weitgehend auf geskriptete Aktionen und Überraschungen verzichtet und stattdessen seinen Reiz aus den langen Gefechten auf weiter Flur zieht. Stellenweise sind noch verbündete Einheiten mit von der Partie, denen man helfen muss. Ansonsten müssen Gebiete erobert, Stellungen gehalten bzw. verteidigt und Gegner in die Flucht geschlagen werden. Abwechslung bei den Missionen und den Umgebungen fehlt. Aufpassen und haushalten muss man übrigens mit seinen Einheiten in den Divisionen, da zerstörte Einheiten innerhalb der jeweiligen Kampagne in den folgenden Missionen fehlen.

Zwölf Missionen klingen nach nicht sonderlich viel, aber da die Einsätze durchaus (viel) länger als eine Stunden dauern können (wichtig: Speichern), ist der Umfang in Ordnung. Obwohl mehr und dafür kompaktere Missionen mit einem stringenteren Fokus meiner Ansicht nach sinnvoller gewesen wären, um den Mikromanagement-Aspekten Rechnung zu tragen und mehr Vielfalt zu bieten.

Die zunächst in Schockstarre verfallenen Gegner werden letztendlich zum Rückzug gedrängt. Ohne die Nutzung der Deckungsmöglichkeiten ist solch ein Vorstoß aber kaum möglich.
Die Computerintelligenz der Gegner hinterlässt einen durchwachsenen Eindruck und tut sich allem Anschein nach bei der Kombination der Einheitentypen an der Front etwas schwer. Manchmal werden auch eher unsinnige Positionen attackiert usw. Ordentlich Druck ausüben können die KI-Gegner jedenfalls.

Abseits des Einzelspieler-Modus können Mehrspieler-Schlachten (Rangliste, schnelle Gefechte) geführt werden. Maximal 4-gegen-4-Partien können selbst erstellt werden. Die größten Gefechte (10-gegen-10-Spieler) sind nur auf Servern von Eugene Systems möglich. Es ist ebenso möglich, mit einem Mitspieler kooperativ gegen Computergegner anzutreten, denn eine Koop-Kampagne fehlt. Problematisch ist hingegen, dass im Mehrspieler-Modus die Spielgeschwindigkeit nicht angepasst werden kann und die ohnehin eher hektischen Gefechte eine Spur unkontrollierbarer werden. Zumal die Einheiten- bzw. Divisionsbalance auch einige Wochen nach der Veröffentlichung eine Baustelle ist - und wirklich viele aktive Spieler sind seit der Veröffentlichung im Mai im Multiplayer nicht mehr aktiv. Auf den offiziellen Servern ist kaum bis gar nichts los.

Mehrspieler-Modus

Fazit

Auf historischem Boden dürfen in Steel Division: Normandy 44 intensive und fordernde Schlachten ausgetragen werden. Im Vergleich zu aktuelleren Taktiktiteln werden große und zeitaufwändige Gefechte auf weitläufigen, aber wenig abwechslungsreichen Schlachtfeldern inszeniert. Mit Munitionsnachschub, Moral, Deckung, Unterdrückungsfeuer, Flanken-Angriffen, einer dynamischen Sichtlinie, den Eskalationsstufen und den eigenhändig zusammenstellbaren Divisionen ist die taktische Palette erfreulich umfangreich und erfordert einiges an Einarbeitungszeit - zumal die Kampagne nicht langsam, sondern gleich mit einem Mehrfrontenkampf beginnt und man mit manchen Eigenarten der Einheiten, wie dem kopflosen Rückzug, klarkommen muss. Trotz der schick in Echtzeit visualisierten Frontlinien und der immensen Schlachtfeld-Übersicht durch die Iriszoom-Engine kommt es auf die Kombination der unterschiedlichen Truppentypen und vor allem auf das Mikromanagement an. Wer lieber das große Ganze plant und die strategische Schiene bevorzugt, ist hier falsch. Stellenweise artet das Einheiten-Management in Babysitting und Hektik aus. Vor allem, wenn man auf das automatische Verhalten der Einheiten reagieren möchte. Gerade das langsame Vorrücken auf verschanzte Gegnerstellungen oder auf sich in Dörfern verbarrikadierte Einheiten erfordert die stetige Feinjustierung  - oft an mehreren Orten gleichzeitig. Zum Glück lässt sich die Spielgeschwindigkeit im Einzelspieler oder Skirmish anpassen. Der Mehrspieler-Modus leidet jedoch unter der Abstinenz der Tempooption. Und abgesehen vom praktisch ausgestorbenen Multiplayer gibt es drei mau inszenierte Kampagnen mit je vier langen und schweren Einsätzen, denen es an Abwechslung, Vielfalt sowie einem klaren Kampffokus fehlt. Die Computerintelligenz der Gegner hinterlässt einen durchwachsenen Eindruck und tut sich bei der Kombination der Einheitentypen etwas schwer, übt aber ordentlich Druck aus. Wer also Lust auf packende, dynamische und fordernde Schlachten mit viel Truppen-Mikromanagement hat, wird von Steel Division: Normandy 44 gut unterhalten.

Pro

  • fordernde taktische und dynamische Schlachten
  • Einheitentypen müssen kombiniert werden
  • viele Vertreter der unterschiedliche Einheitentypen
  • reichhaltige Taktikpalette: Sichtlinie, Moral, Unterdrückungsfeuer, Munition
  • versprüht eine authentische historische Atmosphäre
  • unterschiedliche Divisionen stehen zur Verfügung
  • Zusammenstellung und Aufbau der Armee vor den Missionen
  • drei Schlachtphasen
  • tolle Übersicht dank Zoom und Frontlinien
  • ansehnliche Landschaft mit Modellbau-Charme

Kontra

  • mäßig inszenierte und eintönige Kampagne
  • mehr und fokussiertere Missionen hätten der Kampagne gutgetan
  • KI-Macken u.a. bei der Wegfindung, beim Fliehen und Angriffstaktik
  • keine Transport-LKWs nach dem Ausladen von Einheiten
  • eher schwache Sprachausgabe und Einheitenkommentare
  • zu hektisch im Mehrspieler-Modus; fragliche Balance bei den Divisionen
  • nur ein Schauplatz
  • wenig Spielmodi

Wertung

PC

Lange, dynamische und fordernde Schlachten mit viel Truppen-Mikromanagement und toller Übersicht im Zweiten Weltkrieg. Missionsdesign und KI könnten aber besser sein.