Need for Speed Payback - Test, Rennspiel, PlayStation4, PC, XboxOne
Zwei Jahre hat sich EA Ghost für Need for Speed Payback Zeit gelassen. Und man hat vor allem in einem Punkt auf das Feedback von Spielern gehört: Die mit dem mitunter peinlichen Drehbuch kämpfenden realen Darsteller der Zwischensequenzen aus dem Vorgänger wurden durch virtuelle Kollegen ersetzt, die einen ordentlichen Job erledigen. Das wird auch dadurch erleichtert, dass das Payback-Drehbuch mit seiner Geschichte um Verrat und Rache besser ist als die hanebüchene Tuning-Eroberung des Vorgängers.
Unter Filmniveau
Speedy and Furious
Nehmen wir z.B. das Beispiel mit dem Truck. Anstatt den Spieler aufzufordern, z.B. mit einer bestimmten Geschwindigkeit für einen bestimmten Zeitraum neben dem LKW zu fahren, damit der Partner den Transporter kapern kann, reicht es, eine bestimmte Position zu erreichen, damit die Zwischensequenz ausgelöst wird. Da dies aber nicht nur bei vermeintlich filigranen Aufgaben, sondern selbst bei Anfahrten auf bestimmte Sprungschanzen usw. mit angeschlossenen Skriptsequenzen passiert, beraubt sich Payback in diesen Momenten seines spielerischen Potenzials. Was diese Schlüsselszenen betrifft, ist nur das Ziel und nicht der Weg (und damit das fahrerische Können) wichtig – schade!
Doch nicht nur bei der Inszenierung ließ man sich von dem Erfolg anderer inspirieren. Auch bei den Inhalten der offenen Welt bietet man ein breites Sammelsurium an Elementen, die man nicht nur aus älteren Need-for-Speed-Teilen, sondern auch Burnout Paradise, Forza Horizon und The Crew kennt. Allerdings sind die jeweils entliehenen Elemente hier weder qualitativ auf der Stufe der Originale, noch werden sie besonders kunstvoll miteinander verwoben. Man kann z.B. wie in Need for Speed Most Wanted (dem 2012-Remake) oder Burnout Paradise (2009) durch Plakatwände brettern. Man darf wie in Forza Horizon an Blitzanlagen Geschwindigkeitsrekorde aufstellen oder sich an Zeitherausforderungen und Driftpunktzahlen versuchen. Über die Quantität der Nebenmissionen kann man sich nicht beschweren, wenn man die überladene Karte öffnet, bei denen man allerdings auch über Reiter wichtige Informationen filtern darf. Bei der Qualität hingegen schafft man es nur selten, die Vorbilder zu erreichen. Wo andere Spiele ihre Nebenaufgaben zelebrieren und sie zu einem integralen Bestandteil der Spielwelt machen, wirken sie hier belanglos und im schlimmsten Fall unnötig.
The Burnout Horizon Crew
Grind, Credits oder Echtgeld
Immerhin gibt sich Payback bei der hocharcadigen Fahrpyhsik keine Blöße, wobei es mir vor allem das Driften angetan hat. So schön und beinahe intuitiv durch die Kurven schliddern sowie dabei sogar noch die Möglichkeit zu haben, mit guten Reaktionen entgegen kommenden Fahrzeugen auszuweichen, konnte man schon sehr lange nicht mehr in einem Rennspiel. Im Rahmen der Arcade-Möglichkeiten zeigen die unterschiedlichen Fahrzeugtypen (Drift, Rennen, Flucht, Drag, Offroad) vor allem in der Anfangsphase passable Unterschiede, gleichen sich aber zunehmend an, je mehr und vor allem je mächtigere Bauteile man einsetzt. Größer sind die Differenzen beim Sound der Motoren. Während einige Karren klingen wie altersschwache Nähmaschinen, hier ist besonders der Mazda RX-5 ausgefallen, schnurrt ein aufgerüsteter Audi S5 angenehm sonor aus den Lautsprechern. Allerdings ist es auf der One auch zwei Mal zu einem (nicht replizierbaren) Soundbug gekommen, bei dem der eigene Wagen wie ein Elektroauto keinerlei Motorengeräusche von sich gab – was nur durch einen Neustart des Spiels zu beheben war.
Sauberes Arcade-Rasen, unsaubere Bugs
Zu häufig ist die im Kern grundsolide Arcade-Raserei, die in ihren besten Momenten für spannende Unterhaltung sorgt, ein bemüht wirkender Versuch, ein Best-of der Open-World-Rennspiele mit dem Flair der Fast & Furious Filme zu verbinden. Dabei vergisst man jedoch, dem Spiel eine eigene Identität zu geben – was übrigens auch für die Kulisse gilt. Prinzipiell zwar auf allen Konsolen von One über PS4, Pro bis hin zu One X mit einer hohen Sichtweite, teils enorm schicken Lichtstimmungen sowie stabiler Bildrate ausgestattet, können die angenehm unterschiedlichen Umgebungen wie Wüste, Wald, Stadt, Vorstadt usw. sich nicht markant von ihren Vorgängern Need for Speed Rivals (2013) sowie Need for Speed (2015) absetzen. Dass EA
aus Effizienzgründen alle Spiele nur noch mit der Frostbite-Engine von Dice anfertigen lässt, wirkt sich hier nachteilig aus. Zudem zeigt der eigentliche für kleinere Gebiete konzipierte Grafikmotor abhängig vom verwendeten System einige Macken.Schnittig, schnell und plopp, plopp, plopp
Die Sichtweite ist zwar angenehm, doch mit der mitunter imposanten Weitsicht wird das Problem der Zeichendistanz sowie der abrupt aufploppenden Detailtexturen in den Fokus gerückt. Vor allem auf der One bzw. der Standard-PS4 kann es in manchen Gebieten zu einem nervenden Nebenkriegsschauplatz werden, wenn beinahe im Sekundenrhythmus die Texturen auf Gebirge und sogar den Asphalt aufgelegt werden. Auf PS4 Pro sowie Xbox One X ist die Distanz, in der dies passiert, zwar höher und damit nicht ganz so auffällig – vor allem, wenn man damit beschäftigt ist, sich die Polizei vom Leib zu halten und keine Gelegenheit hat, auf die Kulisse zu achten. Doch auch hier ist man vor den plötzlichen Textur-Einblendungen nicht gefeit.
Fazit
Für mich ist Need for Speed Payback das Gegenstück zu einem Honda Civic oder Toyota Prius: Kann man fahren, doch für das gleiche Geld kann man auch ein „vernünftiges“ Auto lenken. Selbst angesichts von Fast & Furious 8 ist das Drehbuch rund um eine vollkommen belanglose Rachemär extrem schwach. Die Arcade-Fahrphysik liefert zwar eine saubere Grundlage für die etwa 15 bis 20 Stunden lange Kampagne mit ihrer Hochgeschwindigkeits-Raserei. Doch man wird zu viel Grind genötigt und erlebt passiv viele geskriptete Szenen, die nicht als Belohnung für das eigene Können ausgespielt werden. Außerdem hat man sich bei allen Inhalten entweder bei einschlägigen Filmen, der eigenen Serienhistorie oder ganz unverblümt bei der Konkurrenz bedient – was letztlich dazu führt, dass Payback keine eigene Identität entwickelt. Zumal diese Elemente im jeweiligen Original wie Forza Horizon, Burnout Paradise oder The Crew schlichtweg besser umgesetzt werdeb. Nicht einmal die von Frostbite angetriebene Kulisse überzeugt auf breiter Front: Sichtweite, Geschwindigkeitsgefühl sowie Bildrate sind zwar über Zweifel erhaben, doch je nach verwendetem System gibt es einige visuelle und akustische Unzulänglichkeiten, zumal die zeitverkürzenden Mikrotransaktionen zusätzlich nerven können - auch wenn man nicht permanent mit der Nase drauf gestoßen wird.
Pro
- hohe Sichtweite, stabile Bildrate
- ansehnliche Fahrzeugmodelle
- angenehm einfache Kontrolle über die Boliden
- saubere Arcade-Fahrphysik
- sehr gutes Driftmodell
- umfangreiches visuelles Tuning...
- zig Haupt- und Nebenmissionen
- passables Geschwindigkeitsgefühl
- Wracks können gefunden und wiederhergestellt werden
- komfortables Teleportsystem
- reale Darsteller des Vorgängers wurden durch virtuelle Schauspieler ersetzt
- knackiger Soundtrack
Kontra
- an Leistungsklasse gekoppelter Fortschritt sorgt für viel Grind
- Payback entwickelt keine eigene Identität, alle Elemente kennt man aus anderen Spielen oder Filmen, dort aber besser umgesetzt
- nur kosmetischer Schaden
- Verlockung zum Echtgeldeinsatz für Premium-Lieferungen mit kosmetischen Verbesserungen sowie
- Zeitverkürzern
- visuelle Unzulänglichkeiten
- ... das allerdings vollkommen belanglos für den Spielfortschritt ist
- sporadische Bugs
- schwaches Skript rund um eine hanebüchene Rachestory
- schwankende Qualität der Motorensounds