MatterFall - Test, Arcade-Action, PlayStation4

MatterFall
16.08.2017, Jörg Luibl

Test: MatterFall

Metroid auf Speed

Intelligente Materie? Eine gefährliche Aliensubstanz? Außer Kontrolle geratene Maschinen auf einem fremden Planeten? Da muss eigentlich Samus Aran helfen. Aber weil die natürlich exklusiv für Nintendo auf die Jagd geht, schickt Housemarque seine eigene Heldin in den Krieg. Vorhang auf für Avalon Darrow! Exklusiv für PlayStation 4 inszenieren die Finnen für knapp 20 Euro explosive Arcade-Action im Stile eines Plattformers.

Ein Planet versinkt im Chaos, die letzten Menschen werden evakuiert und Kriegsmaschinen laufen Amok. Da hilft nur eins: Eine Söldnerin mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die Zivilisten rettet und alles Außerirdische vor Ort zerstört. Auch wenn Matterfall (ab 12,90€ bei kaufen) mit einem Intro von einer deutschen Sprecherin eingeleitet wird, verleiht Housemarque seiner Heldin später keine weiteren erzählerischen Konturen, denn es geht nur um Action-Action. Obwohl sie diese erst kürzlich mit Nex Machina hervorragend inszenierten, können sie dem Genre mit Matterfall nochmal eine kreative Facette hinzufügen.

Die Rettung der Menschheit

Mit L2 kann man auf transparente blaue Plattformen schießen, damit sie sich materialisieren, oder Menschen retten.
Warum? Weil sie wesentliche Merkmale des Twinstick-Shooters mit der Struktur eines Plattformers verschmelzen. Sie vereinen das schnelle Bewegen, Ausweichen und Schießen in alle Richtungen mit den akrobatischen Sprüngen sowie Erkundungsreizen seitwärts scrollender Abenteuer à la Metroid, Hollow Knight & Co. Und man merkt jedem durchgestylten Level an, welche Expertise sie mittlerweile hinsichtlich Technik, Sound und Steuerung haben. In beiden Subgenres haben sie ja begeistert, obwohl Outland schon sechs Jahre zurückliegt. Schade ist allerdings, dass das Labyrinthische und Geheimnisvolle dieses Klassikers hier kaum zu spüren ist. Aber dessen duales Prinzip mit den zwei wechselnden Kräften ist zu erkennen.

Zwar ist rote Materie tabu, denn sie verletzt Avalon Darrow sofort - es gibt tödliche Gruben und kriechende Lava. Aber mit ihrem Boost kann die Söldnerin nicht nur durch

Auch das seit Resogun inszenierte Partikelfeuerwerk kann sich mal wieder sehen lassen. Oben rechts erkennt man die Zahl der Menschen, die man retten kann.
die blaue Materie hindurch rasen, sondern transparente Plattformen mit selbiger aufladen, damit sie sich materialisieren. Und das sorgt für reichlich Dynamik, denn man kann auch aus einem Doppelsprung heraus nach unten zielen, um dann auf festem Boden zu landen. Da sich diese Materie nur ein paar Sekunden verfestigt, darf man aber nicht zu lange warten und muss in Bewegung bleiben. Weil man Doppelsprünge auch mit dem Boost in alle Richtungen kombinieren kann, entstehen wunderbar raketenartige Manöver. Mit einem Manko: Man kann in der Luft nur horizontal oder vertikal, nicht diagonal oder in alle Richtungen beschleunigen, was die akrobatische Freiheit etwas einschränkt. Außerdem muss man sich an das Springen über R1 und Boosten über L1 erstmal gewöhnen.

Blaue und rote Materie

Housemarque fördert ähnlich wie in Resogun und Nex Machina das offensive Kämpfen, denn der Boost macht Avalon für kurze Zeit nicht nur unverwundbar, so dass sie gefahrlos durch Laser gleiten kann, sondern betäubt  Gegner gleichzeitig mit seiner blauen Energie. Erstens sind sie in diesem kurz gefrorenen Zustand verletzlicher, zweitens bringen sie so deutlich mehr Punkte ein! Das ist eine clevere Spielmechanik, die vielleicht übermächtig klingt, aber man begegnet nicht nur einzelnen Geschützen und Wachrobotern, sondern auch humanoiden Aliens, die wie Ritter große Schilde tragen und den einfachen frontalen Boost oder Bomben stoisch abwehren - da muss man in den Rücken gelangen. Hinzu kommen ganze Wellen an fliegenden Feinden sowie Raketenschwärmen, so dass in diesem Sidescroller ein knackiger 360-Grad-Anspruch ensteht, in dem Offensive und Defensive ineinander fließen müssen. Im Idealfall entsteht im Partikelfeuer ein Flow, allerdings nicht in der Intensität eines klassischen Twinstick-Shooters.

Wer Menschen rettet, schaltet aktive und passive Fähigkeiten frei. Drei davon darf man ausrüsten.
Hier geht es mitunter gemütlicher zur Sache als im Dauerfeuer von Nex Machina, so dass man immer wieder verschnaufen, Fahrstühle bedienen oder Ausrüstung wechseln kann. Die Action selbst bietet taktische Finessen: Man kann das Materialisieren von Wänden z.B. defensiv einsetzen, denn Avalon darf dann immer noch hindurch schießen, während Alienprojektile außen vor bleiben - so baut man sich quasi temporär einen Schutzschild. Außerdem kann man blaue Energiekreise für fette Punktausbeute wie Fallen nutzen und aus der Distanz wie Smartbombs explodieren lassen. Es gibt auch eine langsam aufladende Spezialaktion, die die Zeit kurz einfriert. Hinzu kommen Schwebephasen in lila Bereichen, in denen man ohne Schwerkraft meist durch intensiven Beschuss manövrieren sowie Feinde vernichten muss. Und nur wenn man all das beherzigt, hat man eine Chance im ersten von einigen fulminanten Bosskämpfen gegen eine riesige Wespe, die mit ihren Angriffen und Beschwörungen für Bullet-Hell-Atmosphäre sorgt.

Schutzwälle und Menschenfang

Auch das Retten von Menschen gehört seit Resogun zum finnischen Spieldesign, wirkt aber hier statischer und ungefährlicher, weil sie irgendwo in Kristallen warten. Wer die Zivilisten

Zwar muss man sich an das Springen über R1 ein wenig gewöhnen, aber die Steuerung ist sehr präzise.
daraus befreit, wird in bestimmten Intervallen mit einer von zwölf Spezialfähigkeiten belohnt - gleich zu Beginn bekommt man z.B. eine Granate als Sekundärwaffe. Danach kommen einige passive Fähigkeiten sowie Waffen hinzu, von denen man maximal drei gleichzeitig ausrüsten kann. Allerdings vermisst man hier z.B. akrobatische Zusätze, die das Spielgefühl bereichern oder neue Gebiete à la Metroid zugänglich machen würden. Außerdem wirken die drei Level mit ihren vier Arealen manchmal etwas steril, zumal sie nicht so labyrinthisch und verzahnt sind wie in Outland. Zwar findet man manchmal nicht auf Anhieb alle versteckten Menschen und es gibt einige verborgene Winkel - aber gerade weil es nur drei recht überschaubare Gebiete mit je vier Levels gibt, vermisst man Geheimwege und Geheimnisse.

Jedes der drei Level besteht aus vier Arealen, wobei das letzte jeweils einen Boss parat hat.
Außerdem ist es schade, dass sich die Heldin nicht wieder in einer kleinen Zwischensequenz meldet, wenn man den ersten Boss besiegt hat - so wirkt das Intro wie ein Fremdkörper. Statt der Entdeckung eines komplexen Labyrinthes oder einer Story steht also die Perfektion im Vordergrund: Es gilt den Kombozähler in die Höhe zu treiben, indem man Feinde entweder möglichst früh oder im blau betäubten Zustand vernichtet und selbst nicht getroffen wird, sonst sinkt der Faktor - wer das Maximum erreicht, verdoppelt übrigens die Punkte! Wie gut man abgeschnitten hat, kann man am End eines Levels in den weltweiten Ranglisten erkennen. Nach knapp vier bis fünf Stunden ist man mit dem ersten Lauf durch, aber danach gibt es keine alternativen Spielmodi mehr und irgendwie entsteht nicht diese Lust wie bei Nex Machina, nochmal alles zu perfektionieren.

Fazit

Sind die Finnen auf Tour? Kaum hat Housemarqe mit Nex Machina das Arcade-Haus gerockt, gibt es schon die nächste Show. Und auch mit Matterfall servieren sie gute Action: Wenn ihr Lust auf Partikelfeuer, Akrobatik sowie Highscorejagd habt, könnt ihr euch in durchgestylten SciFi-Kulissen austoben. Die Finnen verschmelzen das Prinzip des Twinstick-Shooters gekonnt mit dem des Plattformers. Sie vereinen das schnelle Bewegen, Ausweichen und Schießen in alle Richtungen mit den akrobatischen Sprüngen seitwärts scrollender Abenteuer. So entsteht höchst dynamische, angenehm anspruchsvolle und ansehnliche Action. Allerdings fehlen mir für einen Plattformer deutlich mehr Verschachtelungen und Geheimnisse, manche Areale wirken recht steril und die im Intro hörbare Heldin verstummt leider komplett. Im Gegensatz zur Nex Machina entsteht letztlich nicht diese Lust zur Perfektion, denn ein Plattformer wird vielleicht kurzfristig vom Kombozähler gewürzt, aber langfristig entfaltet er seine Faszination durch Erkundungsreize und Entwicklung von Fähigkeiten. Hier hat man sehr schnell alles gesehen. Das hat Housemarque mit Outland deutlich besser gemacht, aber auch dieser experimentelle Hybrid wird euch für drei bis fünf Stunden gut unterhalten. Es fühlt sich ein wenig an wie Metroid auf Speed.

Pro

  • explosive Arcade-Action
  • Twinstick-Shooter trifft Plattformer
  • clevere Spielmechanik mit wechselnder Materie
  • sehr präzise Steuerung, aber...
  • Fähigkeiten und Waffen freischalten
  • schöne Verstecke von Menschen
  • mehrere Schwierigkeitsgrade pro Level
  • fulminante Bosskämpfe mit Bullet-Hell-Feeling
  • treibender Soundtrack
  • komplett deutsche Lokalisierung
  • internationale Ranglisten

Kontra

  • wenig Geheimwege und Verschachtelungen
  • teilweise steril wirkende Levels
  • ...nur streng vertikaler und horizontaler Schub
  • Story & Heldin nur im Intro angerissen
  • nur drei Gebiete; kurze Spielzeit (3
  • 5 Std.)
  • keine alternativen Spielmodi

Wertung

PlayStation4

Den Plattformer hat Housemarque mit Outland deutlich besser inszeniert, aber auch dieser Twinstick-Hybrid wird euch gut unterhalten. Es fühlt sich ein wenig an wie Metroid auf Speed.