Die Säulen der Erde - Test, Adventure, PC, iPad, PlayStation4, Mac, Linux, XboxOne, Android
Daedalic betitelt Die Säulen der Erde bewusst als „interaktiven Roman“, der in drei Teilen veröffentlicht wird: Käufer der am 15. August erscheinenden Staffel bekommen „Buch“ 2 und 3 später durch Updates nachgereicht. Große Überraschungen dürften für Kenner des Vorbilds ausfallen, denn der Ausgang der Geschichte soll nicht angetastet werden. Sie hangelt sich an der Handlung des Vorbilds entlang und lässt dem Spieler nur bei Details Wahlfreiheiten, die z.B. über das Schicksal von Nebenfiguren entscheiden. Ein Mönchs-Prior zwischen den Fronten von Krieg und Intrigen, eine Architektenfamilie, die alles verloren hat und eine aussätzige Mutter, die ihr Kind im Wald aufzieht: Schon die Wahl der Protagonisten lässt erahnen, dass es sich bei Die Säulen der Erde nicht gerade um leichtfüßige Unterhaltung handelt.
Finstere Aussichten
Klingt nach schwerer Kost, oder? Ist es auch: Vor allem zu Beginn schleppt sich die Geschichte zäh voran, da man als Neuling schnell von der Vielzahl unbekannter Namen und Akteure erschlagen wird. Die Entwickler und Ken Follett haben sich keinen Gefallen damit getan, das Spiel derart sperrig zu eröffnen. Nach einer im wahrsten Sinne schweren Geburt im verschneiten Wald wird das ausgesetzte Baby vom Bruder des warmherzigen Klostervorstehers Philip gerettet. Mal schlüpft man in Philips Rolle, der sich schon bei seinem Besuch in der großen Mutterpriorei im fiktiven Kingsbridge mit vielen schweren Gesprächen, Entscheidungen und Anfeindungen auseinandersetzen muss. Anderswo steuert man den Vater Tom Builder, der als Architekt an seinen hohen Ansprüchen gescheitert ist und die obdachlose Familie durchbringen muss.
Schleppender Einstieg
Die auf das Gamepad zugeschnittene Steuerung verrichtet seinen Dienst meist ordentlich, wirkt aber nicht ganz so ausgefeilt wie in anderen Titeln von Daedalic. Der Übergang zu angrenzenden Bildschirmen gestaltet sich etwas umständlich, zumal die Figuren manchmal unter seltsamen Zuckungen leiden. Ein wenig gestört hat mich auch der Umstand, dass man manche Erkenntnisse nicht direkt im Dialog ansprechen kann, sondern die entsprechende Idee erst wie einen Gegenstand aus dem Inventar holen muss. Meist kommt man allerdings durch Abklappern der Umgebung und einfache Kombinationsgabe auf die Lösung, so dass auch Einsteiger nicht lange auf die Fortführung der Geschichte warten müssen.
Fokus auf die Geschichte
Die Aufgaben sind aber immerhin glaubwürdig in die Geschichte eingeflochten und treiben die Handlung voran. Nach ein paar Stunden stellt sich glücklicherweise ein besserer Spielfluss ein, wenn man erst einmal die Hauptakteure kennt und ihre Motivationen besser einschätzen kann. Tom Builder z.B. träumt seit jeher davon, eine Kathedrale zu bauen. Dieser Wunsch hat ihn allerdings schon einmal ins Verderben gestürzt, weil er in schweren Zeiten attraktive Angebote ausgeschlagen hat, an anderen Bauwerken zu arbeiten. Immer wieder hadert er mit seinen hohen Zielen, weil er ihnen nicht das Wohl seiner Familie opfern möchte. Dank Jacks sympathischer Persönlichkeit macht es mit ihm am meisten Spaß, die Umgebung zu erforschen. Bein Herumstöbern in fremden Angelegenheiten stößt er relativ häufig auf wichtige Hinweise – z.B., wenn er mit Tom und seiner Familie unterwegs ist und nach einer Arbeit für seinen neuen Versorger sucht.
Steigerung in der zweiten Hälfte
Vor allem im Umfeld des Klosters klingen die Dialoge etwas zu hölzern und hochgestochen. Das passt natürlich zum Schauplatz, trotzdem würde ich erwarten, dass sich selbst Mönche zu jener Zeit etwas lockerer miteinander unterhalten haben. Durch den eher abgeschotteten Klosteralltag müssten sie sich schließlich gegenseitig schon ziemlich genau kennen. Nur ab und zu schleicht sich hier und da ein schmutziger Witz ein, z.B. wenn respektlose Novizen über ihre imaginären Sexabenteuer diskutieren. Der in vielen anderen Daedalic-Spielen eingeflochtene Humor fehlt diesmal aber fast komplett.
Etwas zu hölzern?
Doch auch dort scheint er mit Subprior Remigius einen Gegenspieler zu haben. Seine Entscheidungen wirken sich wie bereits erwähnt nur bedingt auf die Handlung aus: Verpfeift er z.B. einen faulen, stehlenden Novizen aus Kingsbridge, wird der später derart vom übertrieben brutalen Oberhaupt geschlagen, dass er kurzerhand aus dem Kloster flüchtet. Aber auch einige von der Geschichte vorhergesehene brutale Konsequenzen stellen Philip und seine Glaubensbrüder später vor schwere Aufgaben und sorgen oft für Gewissenbisse. Visuell wirkt die Umsetzung des Szenarios gelungen: Die Kulissen versprühen zwar nicht die magisch angehauchte Detailverliebtheit von The Whispered World. Die finsteren Zeichnungen spiegeln aber die bedrückende Stimmung wider, zumal die Figuren auch relativ viele Animationsphasen zeigen. Die ruhige Musik hält sich passend dazu meist im Hintergrund.
Ansehnliche Animationen
Fazit
Puh - das war ein schwerfälliger Einstieg in Ken Folletts mittelalterliche Welt. Vor allem den Anfang hätte man mit etwas mehr Mut zu erzählerischer Freiheit deutlich besser ans Adventure-Medium anpassen können, indem man sich z.B. stärker auf den kleinen Jack konzentriert hätte. Er entdeckt die notleidende Welt und ihre zahlreichen Machtspiele schließlich mit ähnlich wenigen Vorkenntnissen wie ich. Vielleicht kommen Kenner der Vorlage besser ins Spiel, aber ich musste mich erst einmal durch einen trägen Einstieg mit ungewohnt gestelzten Formulierungen quälen, bis vor allem Philips Teil der Geschichte doch noch mein Interesse wecken konnte. Er ist die Stimme der Vernunft zwischen den großen Mächten, die sich gegeneinander verschworen haben und die Herrschaft an sich reißen wollen. Auch Jacks Erkundungstouren sind durchaus unterhaltsam, obwohl man dabei keinen Rätselanspruch erwarten sollte. Stattdessen gibt es nur leichte Puzzles und überschaubare Aufgaben, die aber immerhin sinnvoll in die Handlung eingebettet wurden. Alles in allem also nur ein durchwachsener Start, der immerhin interessante Fragen für die kommenden zwei Episoden aufwirft.
Pro
- interessante Machtspiele und Verwicklungen
- viele feine Animationsphasen
- finstere Stimmung wird gut eingefangen
- ordentlicher Episodenumfang mit rund acht Spielstunden
- gelungene deutsche Vertonung
Kontra
- sperriger Einstieg
- nur sehr leichte Rätsel
- Dialoge wirken manchmal übertrieben gestelzt
- kleine Macken bei Steuerung und Bildübergängen