Mario + Rabbids Kingdom Battle - Test, Taktik & Strategie, Switch

Mario + Rabbids Kingdom Battle
30.08.2017, Jan Wöbbeking

Test: Mario + Rabbids Kingdom Battle

Bwaaas??

Wie jetzt - die bekloppten Minispielhasen? Zusammen mit Mario? Und dann noch als Rundentaktik im Stil von XCOM? Das erste Leak erinnerte noch an einen bizarren Aprilscherz, doch jedes Event und Infohäppchen nährte den Verdacht, dass hinter Mario + Rabbids Kingdom Battle (ab 27,00€ bei kaufen) etwas sehr Fesselndes stecken könnte. Im Test überprüfen wir, ob Ubisofts Experiment für die Switch aufgeht.

Warum genau Creative Director Davide Soliani den Drang verspürte, Marios Freunde mit den Rabbids ins Taktik-Genre zu stopfen, weiß vermutlich nur er selbst – aber so viel vorweg: Ich bin verdammt froh, dass er es getan hat! So seltsam das Konzept klingen mag, auf dem Schlachtfeld fühlte ich mich auf Anhieb wohl. Es wirkt fast so, als wollte er auch solche Spieler anlocken, die das Genre bislang nur sporadisch oder überhaupt noch nicht beackert haben. Der Einstieg ist derart simpel, dass die ersten Duelle fast schon über die wahre Tiefe späterer Schlachten hinwegtäuschen. Man fühlt sich fast wie vor einem Brettspiel, wenn man die ersten Züge mit Mario, Rabbid-Peach und Rabbid-Luigi unternimmt: Ein Sprung auf den Gegner hier, ein Schüsschen dort – und zum Abschluss platziert man sich hinter der Deckung und aktiviert einen Schild, um sich vor dem Gegenschlag des Feindes zu schützen.

Knuffiges Dreamteam

Neue Helden braucht das Mushroom Kingdom!

Moment mal, Rabbid-Peach? Rabbid-Luigi? Ja, im Mushroom Kingdom ist nach einer Katastrophe einiges anders als man es gewohnt ist. Plötzlich regnet es bizarre Kreuzungen aus Nintendos Maskottchen und Ubisofts Krawallhasen. Auch der Rest des Königreichs ist aus den Fugen geraten: Gumbas kleben zappelnd an Gebäuden und einst stolze Kugelwillis stecken in dreckigen Unterhosen fest. Kurz gesagt: alles steht Kopf. Das Intro verrät bereits auf charmante Weise, wie es zu diesem Chaos kommen konnte – und auch die Familie Bowser hat wieder ihre Finger im Spiel. Überall marodieren seltsam mutierte Häschen durch das Land und müssen auf den Schlachtfeldern besiegt werden. Die Rabbids im Design von Marios Clique erweisen sich dagegen als freundlich und schließen sich Nintendos Helden an. Das frisch gegründete Grüppchen macht sich also auf die Jagd nach dem Verursacher und sucht dabei verlorene Freunde, mit denen sich später das Team verstärken lässt.

In punkto Inszenierung zahlt es sich wirklich aus, dass mit Ubisoft ein großes Unternehmen mit üppigen Ressourcen hinter dem Titel steckt, denn die zahlreichen Storysequenzen erweisen sich als durchaus unterhaltsam. Die Geschichte bleibt zwar Mario-typisch schmückendes Beiwerk, Ubisoft hat aber einen schönen Weg gefunden, den üblichen Plattitüden einen modernen Rahmen zu verpassen. Er hängt mit dem Auftauchen der Rabbids zusammen – worauf ich lieber noch nicht weiter eingehe. Für das Crossover hat Ubisoft den Krawallfaktor der Anarcho-Karnickel ein wenig entschärft: Ganz so wahnwitzige Streiche wie in Rabbids Go Home bekommt man nicht zu Gesicht. Statt durchgeknallter Jazz-Themen gibt es einen deutlich klassischeren Orchester-Soundtrack zu hören.

Enorme Anziehungskraft

Ist man nicht gerade mit dem Feuern beschäftigt, kann man jederzeit mit der "Tacticam" die Umgebung abchecken. Das klappt recht gut, auch wenn man ruhig etwas weiter herauszoomen können sollte.

Im Gegenzug wurden die Häschen und alle anderen Figuren richtig liebevoll animiert: Auf dem Schlachtfeld schneiden sie immer wieder Grimassen oder winseln beim bevorstehenden Gegenschlag um Gnade. Die Welt drumherum sprüht ebenfalls vor charmanten Details: Am Rande prügeln sich versprengte Rabbids, über die Wiesen fliegen fluffige Pollen und die Vegetation wiegt sich sachte im Wind. Von ein paar seltenen Rucklern und Sound-Aussetzern abgesehen zaubert Ubisoft ein technisch sehr ansehnliches Ergebnis auf den Schirm, welches den Grafikchip offenbar ordentlich in Wallung bringt: Gestern Abend z.B. vergaß ich, die Switch auf Standby zu schalten und fragte mich heute Früh beim Aufwachen, wer sich neben meinem Fernseher die Haare föhnt. In Wahrheit war’s natürlich nur der auf Hochtouren rotierende Switch-Lüfter.

Einen Versus-Multiplayer gibt es leider ebenso wenig wie Online-Matches. Stattdessen dreht sich alles um die Kampagne (sowie einige lokale Koop-Missionen): Im Erkundungsmodus dackelt das Dreiergrüppchen dem  helfenden Roboter Beep-O hinterher, stößt am Rande verwinkelter Pfade auf Münzen für den Waffenkauf oder versteckte Kisten mit der Kugelwährung für den Skilltree. Hier und da müssen außerdem diverse Kistenschiebe-Puzzles gelöst werden. Die Oberwelt ist zwar nicht riesig, aber groß genug, um zwischen den Kämpfen die Seele baumeln zu lassen und sein Team gebührend auszustatten, bevor man aufs nächste Schlachtfeld stolpert. Zwei Fähnchen kennzeichnen den Eingang, nach dem Überschreiten startet die Schlacht. Ähnlich wie in XCOM & Co lassen beide Teams abwechselnd ihre Figürchen übers Feld ziehen, um sich danach mit allerlei skurrilen Fantasiewaffen zu malträtieren.

Keine Online-Anbindung

Willkommene Abwechslung: Auf manchen Schlachtfeldern muss man sich auf Zufallsereignisse wie einen Tornado oder einen bissigen Kettenhund einstellen.

Die coolste und wichtigste Besonderheit sind die Teamsprünge und Nahkampf-Attacken, welche oft schon eine einzelne Runde zur verheerenden Kettenreaktion werden lassen. Zu Beginn wird man diesbezüglich noch eingeschränkt, doch mit einem aufgemotztem Skilltree entfalten sich fiese Kombos, deren Gelingen ein herrliches Erfolgsgefühl verursacht: So kann man bis zu drei in der Nähe stehenden Langohren nacheinander auf die Rübe springen („Dash“ bzw. „Raserei“ genannt) und hüpft danach noch auf einen Kollegen: Durch diesen „Team-Jump“ erhöht sich der Bewegungsradius stark, so dass man sogar Deckungen auf einem höher gelegenen Berg erreicht.

Von dort aus lassen sich die Opfer am Boden dann weiter mit einem Gewehr bearbeiten, z.B. einem Blaster für kurze bis mittlere Distanz oder Luigis Scharfschützengewehre. Oder man setzt stattdessen eine Sekundärwaffe wie einen Nahkampfhammer, eine putzige Entengranate oder eine Panzerfaust ein, um durch den Umgebungsschaden gleich mehrere Widersacher aus der Deckung zu bomben – sehr befriedigend!

Chaotische Kettenreaktion

Noch so eine Monstrosität: In punkto Boss-Design ist das Spiel ein Volltreffer!

Zu guter Letzt aktiviert man dann noch eine passive Fähigkeit wie einen Schild, um für den Gegenschlag gewappnet zu sein. All das war wohlgemerkt erst der erste von drei Zügen: Danach sind noch die zwei weiteren Mitglieder des eigenen Teams an der Reihe, bevor sich der Gegner endlich wehren darf. Am meisten Spaß macht es aber, den Weg des Verderbens mit Individual- und Aura-Techniken noch weiter in die Länge zu ziehen: Als besonders praktisch hat sich z.B. Rabbid Marios magischer Magnettanz erwiesen. Sobald das Schnauzbart-Häschen zu trällern beginnt, strömen die umliegenden Gegner wie hypnotisiert aus ihrer Deckung. Aktiviert man vorher den Heldenblick der Partner, ballern sie automatisch auf die angelockten Wesen und setzen ihnen schon vor dem eigentlichen Zug gewaltig zu!

Manche Figuren dürfen sich als Sekundärwaffe zudem eine kleine explosive Drohne auf Rädern anschaffen, die ausdauernd in Richtung Gegner fährt – sogar durch Röhren und auf Anhöhen hinauf. Mit diesem nützlichen Vehikel kann man sich z.B. den Weg freimachen, wenn sich der Feind mit den oben genannten „Selbstschussmechanismen“ schützt. Zur Krönung hagelt es im Idealfall noch kritische Treffer nebst Super-Effekten, welche aufdringliche Karnickel an ihrem Standort festkleben, sie von der Klippe stürzen oder sie mit Feuer aus der Deckung scheuchen. Auch dieses Detail lässt sich prima mit den übrigen Spielmechaniken verketten. Dank der ellenlangen Kombinationsmöglichkeiten dürften Freunde der Rundentaktik also deutlich längere Züge auf die Beine stellen als etwa in XCOM, worin die Zahl der insgesamt gestarteten Aktionen strenger begrenzt wird. Ein Nachteil in Marios Taktik-Ausflug ist allerdings, dass die KI ihre Vorteile nicht ganz so konsequent ausnutzt wie bei der Konkurrenz.

Rollendes Geschenk

Je nach Beschaffenheit lassen sich die Deckungen mehr oder weniger schnell aus dem Weg bomben.

Mal gilt es, eine bestimmte Zahl von Monstern auszuschalten, anderswo muss ein Teammitglied oder Toad zu einer Zielzone eskortiert werden. Auf dem Weg dorthin erwarten den Spieler erfreulich ideenreiche Arenen und Widersacher: Große Schildkrieger etwa rotten sich gerne auf kleinen Gebirgsplateaus zusammen und müssen flankiert werden, wobei der Teamsprung und die Röhren-„Aufzüge“ Höhenunterschiede überbrücken. Besonders spannend ist das Katz-und Mausspiel mit den „Grobianen“, die wie Obelix einen Hinkelstein mit sich herumtragen. Sie kommen ohne Fernkampfwaffe aus, setzen dem Spieler aber gewaltig mit ihrem Findling zum, wenn er nicht aufpasst. Am Rande eines Turms hilft es daher, sie taktisch klug zu flankieren und vom nächsten Teammitglied wegzulocken. Nach jedem eingesteckten Treffer stürmen sie nämlich wütend mehrere Felder in die Schussrichtung voran – was sich natürlich auch zum eigenen Vorteil ausnutzen lässt. Haben sie erst einmal mächtig ausgeteilt, lassen sich Fehltritte noch mit den Paladin- und Heilfähigkeiten von Peach oder Rabbid Peach ausbügeln. Besonders praktisch ist, dass die klassische Peach-Variante nahe Freunde nach einem Sprung automatisch verarztet.

Es mag sein, dass altgediente Taktikprofis sich in den ersten Welten unterfordert fühlen, zumal auch die Planungsphase hier nicht so ausgiebig ausfällt. Für mich erwies sich der Schwierigkeitsgrad aber als goldrichtig und sehr motivierend. Nach und nach rüstete ich immer gezielter den Fähigkeitenbaum auf und experimentierte beim zweiten Anlauf mancher Duelle auch mal mit der Team-Zusammensetzung. Wer möchte, kann schwach bewertete Matches so oft wie gewünscht erneut versuchen, um nützliche Zusatz-Orbs abstauben.

Heile, heile Entchen

Welcher Skill darf's sein?

Zudem warten versteckte Herausforderungen in den Welten, die sich mit Hilfe später erlernter Fähigkeiten eröffnen. Ich habe nicht schlecht gestaunt, wie viel leichter mir bestimmte Levels mit einer besseren Strategie und Ausrüstung von der Hand gingen. Überforderte Einsteiger dürfen zudem vor jeder Schlacht einen einfachen Modus aktivieren, der ihre ausgeknockte Figuren wiederbelebt und ihnen zusätzliche Lebensenergie spendiert. Im „normalen“ Spiel muss man besser mit der Energie haushalten und zur Not vorm anstehenden Kampf einen frischen Partner „einwechseln“. Erst nach mehreren Gefechten lässt sich eines der zehn Kapitel pro Welt abschließen. Danach haben sich die Helden wieder komplett erholt. Wer sich bei den ellenlangen Zügen des Gegners langweilt, darf sie übrigens vorspulen.

Die fetten Endgegner und Zwischenbosse können sich ebenfalls sehen lassen: Der herrlich bescheuerte Hasengorilla etwa wischt sich erstmal mit einem Helden den Hintern ab. Um ihm zusetzen zu können, muss man einen Trick anwenden; er hat sich schließlich vor einem Haufen energiespendender Bananen postiert. Lustig sind auch die übers Feld wirbelnden Naturgewalt-Rabbids oder ein Eisgigant mit Schild, den man wie in Monsterjagdspielen von allen Seiten beackert. Zwischendurch wird das Gemetzel von Erkundungs-Passagen aufgelockert, in denen man entspannt durch die aktuelle Welt streift und Kistenschieberätsel löst, die nach und nach knackiger werden. Zu Beginn leiden die Minispielchen ein wenig unter der isometrischen Sicht und auch auf dem Schlachtfeld erweist sich die Kamera zu Beginn als etwas zickig. Nach einer Eingewöhnungsphase hat man aber alle Bewegungen intus und spult sie problemlos ab.

Von affigen Hasen und Eisriesen

Im lokalen Koop zu zweit kontrolliert man jeweils zwei Figuren.


Brettspielstimmung auf der Switch

Der Trip durch vier Welten gestaltet sich sehr abwechslungsreich: Während der etwa 20 Stunden der Story durchquert man z.B. ein riesiges, verwinkeltes Spukschloss, trifft auf frostige Eispaläste und brodelnde Lavabecken. Eine echte Überraschung ist zudem, wie kommunikativ der Koop-Modus ausfällt: Er bietet fünf zusätzliche Kampagnen in den bekannten Szenarien, nebst freischaltbarem extraschwerem Modus. Schon im ersten Kampf unterhält man sich ununterbrochen mit dem zweiten Spieler, der eine Hälfte des vierköpfigen Teams kontrolliert. Immer wieder wechselt man frei zwischen den Figuren und Team-Hälften, um dem Feind möglichst koordiniert zuzusetzen.

Seit Snipperclips hatte ich nicht mehr so viel Spaß am Austüfteln des besten Weges! Theoretisch dürfen nur zwei Spieler mitmachen. Wer möchte, kann aber die zwei registrierten Controller herumgeben, um so z.B. vier Personen teilnehmen zu lassen – so dass sich jeder eine Figur konzentriert. Stellt man die Switch dabei im Mobilbetrieb auf, wird die Schrift etwas zu klein. Auf dem TV erweist sich das Spiel aber als partytauglich und könnte sich als tolle Alternative zu Brettspielabenden entpuppen! Zum Glück dürfen auch angemeldete Pro-Controller für den Koop genutzt werden und nicht nur die Joycons. Da auf den abziehbaren Mini-Controllern weniger Knöpfe zur Verfügung stehen, sorgt die abweichende Belegung vor allem in den ersten Matches für Verwirrung.

Fazit

Gratulation an Ubisoft: Das bizarre taktische Experiment rund um Mario und die Randale-Karnickel ist nicht nur gelungen, sondern entfaltet dank wahnwitziger Kettenreaktionen einen gewaltigen Suchtfaktor. Vermutlich werde ich mich auch in den kommenden Tagen nur schwer losreißen können. Die Entwickler haben das Genre clever mit eigenen Ideen angereichert und das Ganze erstaunlich gut umgesetzt, auch wenn man Versus- sowie Online-Matches schmerzlich vermisst und der Schwierigkeitsgrad für Taktikfüchse vielleicht etwas zu handzahm ist. Aber es gibt stetig wachsende Kombos, anspruchsvolle Bosskämpfe und eine entspannende Oberwelt-Erforschung mit eingestreuten Schieberätseln. Überrascht hat mich auch, wie viel Spaß ich in den zusätzlichen Koop-Kampagnen daran hatte, mich ausgiebig mit einem Kollegen abzusprechen. Beim Austüfteln des besten Weges kommt regelrecht Brettspielstimmung auf! Der wilde Mix hat mich sehr gut unterhalten, zumal sich die Rundenkämpfe deutlich besser für das Gerempel in der Bahn eignen als die Actiontitel für Switch.

Pro

  • saucoole Angriffsketten mit Kopfsprüngen und Waffen
  • Fähigkeiten und Super-Effekte lassen sich toll kombinieren
  • viele alberne SciFi-Wummen und anderes verrücktes Kriegsgerät
  • motivierend ansteigende Herausforderung
  • optionaler Einfachmodus für Neulinge
  • charmant inszenierte Rahmenhandlung
  • idyllische Kulissen voller liebevoller Details
  • viele knuffige und sehr flüssige Animationen
  • technisch imposante Umsetzung mit Partikel- und Transparenzeffekten

Kontra

  • Profis könnten sich zu Beginn unterfordert fühlen
  • weder Versus-Matches noch Online-Anbindung
  • Kamerasteuerung und isometrische Rätsel-Sicht zu Beginn etwas störend
  • KI nutzt ihre Vorteile nicht immer konsequent
  • sporadische Grafikfehler in Zeitlupen

Wertung

Switch

Wahnwitzige Angriffsketten, eine charmante Präsentation und ein lustiger Koop-Modus machen das Crossover zu einem taktischen Highlight für Switch!