Sonic Mania - Test, Plattformer, Switch, PlayStation4, PC, XboxOne
Ich bin bestimmt nicht der einzige Jump&Run-Freund, der mittlerweile von der Flut der Pixelplattformer übersättigt ist – und trotzdem konnte mich das Design von Sonics Retro-Projekt durchaus für sich gewinnen. Beim Start des Spiels fühle ich mich tatsächlich in die frühen Neunziger versetzt, als ich vorm Mega-Drive meines Cousins durch die ersten Sonic-Spiele gehüpft bin. Die aus Fan-Projekten bekannten Entwickler Christian "Taxman" Whitehead, PagodaWest und Headcannon schließen nahtlos an die Titel des 16-Bit-Zeitalters an - ganz so, als hätte es die 3D-Nachfolger nie gegeben. Auch spielerisch fühlte ich mich gleich heimisch: Sonic rennt und rollt genau so über die grünen Wiesen, wie man es erwartet und von früher kennt – was stark mit der gelungen umgesetzten Steuerung sowie der Physik zusammenhängt. Statt sich wie in modernen Teilen mit zielsuchenden Dashes von Gegner zu Gegner zu hangeln, hat man eher das Gefühl, mit dem passenden Schwung durch die Levels zu düsen.
Rückkehr ins Zeitalter der Pixel
Dabei beweisen die Entwickler viel Fantasie: Der rund fünf Stunden lange Expresstrip führt durch einen von Lianen überwucherten Urwald, in von Robotern verseuchte Industriezonen voller explosivem Öl und an zahlreiche weitere Schauplätze. Im wilden Westen hüpft man sogar über einen Zug und lässt sich von fetten Revolvern durchs Level schießen. Wer ein wenig auf Erkundungstour geht, stößt abseits der Hauptwege auf viele versteckte Areale voller Bonus-Container.
Fantasievoller Trip
Nachdem ich einige Welten abgeschlossen hatte, begann meine gute Laune aber zu kippen: Immer wieder werden nervige Abschnitte auf Schienen eingestreut, in denen Sonic z.B. umständlich auf der winzigen Oberfläche von Tails Flugzeug umherspringen muss, mit hakeligen Bosskämpfen konfrontiert wird oder sich ein inkonsequent inszeniertes Wettrennen mit Metal Sonic liefert: Beim letztgenannten Beispiel signalisiert mein blecherner Rivale zu Beginn stets, dass meine Kugelattacke ihm nichts anhaben kann – bis zum Schluss, als ich ihn plötzlich doch auf diese Weise treffen soll. Noch mehr auf den Wecker ging mir das umständliche Köpfen einer schwer zu handhabenden Flipperkugel in seine Richtung: Dabei vermasselte mir gerne auch mal Tails die Tour, weil er in den Weg sprang. Vom polierten Level-Design eines Rayman Origins, Ori oder Donkey Kong Country: Tropical Freeze ist man trotz schöner Ansätze also weit entfernt. Eine Mitschuld daran trägt natürlich auch die hohe Spielgeschwindigkeit, durch die man zwangsläufig ab und zu ins Verderben rauscht.
Was soll das denn?
Auch grafisch bleiben die Entwickler den Vorbildern treu, reichern sie aber mit einigen neuen Feinheiten an: Wenn die Kulisse in Unmengen von Parallax-Ebenen am Igel vorbeirauscht und auch riesige Sandwürmer im Hintergrund umherspringen, werden dank üppiger Explosionen Erinnerungen an die technischen Meisterleistungen des Studios Treasure wach, das z.B. mit Dynamite Headdy die technischen Grenzen des 16-Bit-Zeitalters auslotete. Mitunter werden die Schauplätze zudem derart bunt, dass ich unweigerlich ans verspielte Design britischer Amiga-Plattformer wie Zool oder Superfrog denken musste. Lediglich die geringe Auflösung wirkt auf heutigen TV-Diagonalen bereits zu pixelig. Wer möchte, kann aber mit einigen Grafikfiltern wie Unschärfe oder Scanlines nachhelfen.
Tricks und Grafikspielereien
Auf der PS4 führte der Wechsel in die weltweiten Bestenlisten leider verlässlich zu einem Absturz. Auch anderswo zickte die Technik auf Sonys Konsole herum: Mal setzte lediglich die Musik aus oder Tails blieb wild zuckend in der Wand hängen. Ärgerlicher war es, wenn sich Sonic nach einem erfolgreichen Bosskampf überhaupt nicht mehr bewegen ließ, so dass wir das Level von vorne beginnen mussten. Die sauberer laufende Switch-Fassung dagegen ist uns nur einmal beim Aufwachen aus dem Standby abgeschmiert. Es gibt übrigens auch Umsetzungen für PC und Xbox One, zu denen uns aber kein Testmuster zur Verfügung stand.
Technische Hänger
Fazit
Schön, dass sich Sonic wieder gefangen hat: Mania schafft es deutlich besser, den Kern der Serie einzufangen als Segas letzte Versuche wie z.B. Sonic Boom. Es war eine gute Idee, einige respektierte Fan-Entwickler zu engagieren, die viel von der passenden Handhabung und dem richtigen Schwungverhalten verstehen - denn das ist schließlich die wichtigste Voraussetzung für den Flow in einem derart schnellen Jump&Run. Wenn man die Augen offen hält, flitzt man meist elegant durch die fantasievoll bunten und sehr abwechslungsreichen Welten. Im Laufe des Spiels übertreiben es die Areale aber ein wenig mit wilden Abzweigungen, nervigen Bosskämpfen oder Passagen „auf Schienen“. Nicht selten fragt man sich, was zum Kuckuck die Entwickler jetzt schon wieder von einem wollen - oder warum Sonic gerade schon wieder in den Tod gestürzt ist. Vor allem die dreidimensionalen Bonus-Stages mit ihrer hakeligen Steuerung sind schlecht gealtert. Davon abgesehen haben PagodaWest und Headcannon das audiovisuelle Flair der Vorbilder aber schön eingefangen und sogar noch ein wenig mit technischen Spielereien wie Parallax-Ebenen erweitert. Wer mit den erwähnten Macken und ein paar kleinen Bugs leben kann, bekommt mit Sonic Mania einen größtenteils gelungenen Flashback in alte Zeiten, der auf liebgewonnenen Stärken aufbaut, aber auch einige nervige Altlasten mit sich herumschleppt.
Pro
- Sonics Handhabung und Schwungverhalten sehr angenehm
- Entwickler beweisen meist gutes Gefühl für den Spielfluss
- fantasievolle Ideen im Leveldesign
- viel Abwechslung
- cool designte Figuren und Gegner
- Ohrwurm-Melodien nach alter Schule
- gelungener Mix aus Altem und Neuem
- ordentlicher Umfang mit rund fünf Stunden
- coole Grafikspielereien mit vielen Parallax-Ebenen
Kontra
- mitunter übertrieben viele Abzweigungen
- nervige Bosskämpfe und verwirrende Verfolgungsjagden
- Retro-Kulisse wirkt auf heutigen Diagonalen arg pixelig
- gelegentliche Bugs und Abstürze
- Zwei-Spieler-Modus nur bedingt gelungen
- schlecht gealterte Minispiele
- debile Tails-KI