Dishonored: Der Tod des Outsiders - Test, Action, PC, XboxOne, PlayStation4

Dishonored: Der Tod des Outsiders
21.09.2017, Marcel Kleffmann

Test: Dishonored: Der Tod des Outsiders

Mission Impossible in Karnaca

Fast ein Jahr nach Dishonored 2, das bei uns 88% im Test einheimste, darf man der ebenso malerischen wie dystopischen Steampunkwelt einen weiteren Besuch abstatten. In dem eigenständigen Kapitel Dishonored: Der Tod des Outsiders (ab 5,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) versucht Billie Lurk auf einer Mission Impossible ein gottgleiches Wesen auszuschalten. Ob sich der Zusatzausflug nach Karnaca lohnt, erfahrt ihr im Test.

In Dishonored: Der Tod des Outsiders steht Billie Lurk im Mittelpunkt des Geschehens. Sie hat schon in den anderen Dishonored-Teilen eine wichtige Rolle gespielt, konnte bisher jedoch nicht selbst gespielt werden. In dem eigenständigen Kapitel, wie Publisher Bethesda es in Abgrenzung zu einer eigenständigen Erweiterung nennt, soll Billie den mysteriösen und gottgleichen Outsider töten, weil Daud (Mentor von Billie) ihn und seine Gabe als "vergiftend" ansieht. Daud denkt, dass die Welt ohne den "schwarzäugigen Mistkerl" besser dran wäre. Um dieses Ding der Unmöglichkeit zu bewerkstelligen, muss Billie zunächst Informationen zusammentragen und sich eine passende Waffe besorgen. Am Ende ihrer Mission darf die Attentäterin dann eine Entscheidung treffen, was sie letztendlich mit dem Outsider machen möchte. Diese Entscheidung ist übrigens nicht an das Chaos-System aus Dishonored 2 gekoppelt. Das sorgte bekanntlich dafür, dass sich die Spielweise auf die Tonalität des Endes auswirkte - das fehlt hier komplett, was aber der spielerischen Freiheit zugute kommt.

Einen Gott töten?

Dishonored: Der Tod des Outsiders bietet wie Dishonored 2 vielfältige Vorgehensweisen und Freiräume bei der Erledigung der Mission sowie beim Ausschalten von Gegnern.
Obgleich die Entwickler (Arkane Studios) mit Daud und Billie zwei interessante und bekannte Hauptcharaktere ins Rennen schicken, verpassen sie es, um das Attentäter-Duo herum eine spannende Geschichte zu stricken und beide glaubhaft weiterzuentwickeln. Dabei sind die Ansätze gar nicht verkehrt, da Daud zu Beginn einige philosophisch angehauchte Sätze über das Nichts zum Besten gibt, dann jedoch in die Mentor- bzw. Questgeber-Rolle verfällt. Auch Billie bleibt weitgehend blass und hat im Prinzip keine eigene Motivation den Outsider zu töten. Sie macht nur das, was Daud von ihr verlangt. Beide Charaktere sind mir zu schwach im linearen Storyverlauf umrissen - schade! Dafür weiß die ebenso malerische wie dystopische Steampunkwelt zu überzeugen, die mit reichlich Lesematerial in Form von Briefen oder Notizen, weiter vertieft wird. Bezüge zu den Vorgängern werden so ebenfalls hergestellt.

Schwache Charaktere in einer großartigen Welt

Während das Storytelling nicht gerade eine Stärke ist, können die Arkane Studios vor allem in den Bereichen Level-Design (plus Erkundung) und spielerische Freiheit massiv punkten. Sämtliche Missionen und Aufträge können - beinahe wie in einer Sandbox - auf unterschiedliche Arten gelöst werden. Abgesehen davon, dass Häuser und Räume verschiedene Zugangswege bieten, können Gegner getötet, betäubt oder umgangen werden. Je mehr die Umgebung erkundet wird, desto mehr Möglichkeiten werden sichtbar - wobei manche Hinweise und Vorgehensweisen ziemlich offensichtlich sind. Wie Dishonored 2 kann man Dishonored: Der Tod des Outsiders durchspielen, ohne eine Person zu töten. Man muss sich „nur“ überlegen, wie man spielen möchte, zum Beispiel als schattenhafter Attentäter, als Geist, als mordende Metzelmaschine oder als Mischung zwischen den Extremen.

Nichtsdestotrotz hatte ich auch hier wieder das Gefühl, dass die Stealth-Vorgehensweise wesentlich spaßiger bzw. befriedigender als die Rambo-Variante ist. Wenn ich mich mit purer Gewalt als brutaler Meuchelmörder mit dem gewohnt hektischen Nahkampfsystem durch die Feinde schnetzele,

Wie dringt man in die Bank ein? Über das Dach? Durch die Kanalisation? Nutzt man die Müllentsorgung? Und wie lassen sich schon im Vorfeld viele Gegner ausschalten?
stellt sich nicht das gleiche befriedigende Glücksgefühl ein, das mit einem Schleicherfolg und einer „Rätsellösung“ einhergeht. Oftmals dachte ich nach einer brutalen Direktkonfrontation, dass ich etwas „falsch“ gemacht hatte und bemühte die Schnellladefunktion. Wobei an dieser Stelle noch gesagt werden soll, dass Billie auf dem brutalen Weg sehr schnell das Zeitliche segnet, da sie nicht wirklich viel aushält.

Obwohl das Level-Design in Dishonored: Der Tod des Outsiders wirklich sehr gelungen ist, kann sich der erneute Ausflug nach Karnaca nicht aus dem Schatten von Dishonored 2 lösen, was unter anderem daran liegt, dass im Prinzip das gleiche Szenario erneut verwendet, wenn nicht sogar teilweise recycelt (Royal Conservatory), wird. An das herausragende Maschinenhaus oder an Stilton Manor (Vergangenheit/Gegenwart) kommt keines der fünf Kapitel aus Dishonored: Der Tod des Outsiders heran. Highlight war für mich die dritte Mission, in der Billie in eine Bank einbrechen und anschließend die Beute aus einem Tresor, der zugleich ein Aufzug war, besorgen musste - natürlich schwer bewacht, auch von Maschinen.

Tolles Level-Design

Die Computerintelligenz hinterlässt wie bei Dishonored 2 einen ordentlichen Eindruck und bemerkt es zum Beispiel, wenn Wachen auf einmal "fehlen". Auf Geräusche reagieren sie in der Regel adäquat und lösen gerne Alarm aus, was oftmals dazu führt, dass man von einer kleinen Übermacht verfolgt wird.

Billies Kräfte (des Nichts), die sie übrigens nicht vom Outsider erhält, erinnern grundsätzlich an die Kräfte von Corvo und Emily Kaldwin. Mit Platztausch teleportiert man sich über eine bestimmte Entfernung hinweg und kann so patrouillierenden Gegnern in den Rücken fallen. Die violette Markierung hilft dabei den richtigen Punkt zu treffen. Auch ein Telefrag (Teleportation in einen Gegner) ist möglich, verletzt aber Billie und reißt das Ziel förmlich in Stücke. Platztausch lässt sich gut mit Weitblick kombinieren: Hier verlässt Billie ihren Körper und darf (bei eingefrorener Zeit) den näheren Umkreis erkunden, so lange der Manavorrat reicht. Hilfreich: Die Sichtfelder der Feinde sind ebenso sichtbar wie relevante Objekte, zum Beispiel ein Schacht, durch den man in einen verschlossenen Raum gelangen könnte. Aus dieser Weitsicht-Perspektive kann die Position für Platztausch festgelegt werden. Wer jetzt denkt, dass die Fähigkeit die Erkundung des Levels zu stark vereinfachen würde, der/die kann Weitblick einfach nicht einsetzen.

Telefraggen, Weitblick und einmaliger Identitätsdiebstahl

Platzwechsel in Aktion: Die violette Markierung ist der Zielpunkt der Teleportation. Auch manche Fallen lassen sich so "überspringen".
Optisch sehr eindringlich umgesetzt ist die Fähigkeit Trugbild, mit der man Gegnern ihr "Gesicht" und damit ihre Identität stehlen kann. Man verkleidet sich quasi als dieser Nicht-Spieler-Charakter (NPC) und alle anderen Charaktere interagieren entsprechend auf das neue Antlitz, wodurch Täuschungstaktiken möglich sind, auf die selbst Agent 47 stolz wäre. Die sehr mächtig wirkende Fähigkeit ist jedoch teuer, da sie pro Schritt Mana kostet und man einem NPC nur einmal die Identität stehlen kann.

Die größte spielerische Veränderung im Vergleich zu Dishonored 2 ist die Verfügbarkeit des Manas für die Kräfte der Nichts. Das Mana regeneriert sich selbstständig, das heißt, man muss keine Elixiere mehr horten und kann sich stärker auf den tatsächlichen Einsatz der Fähigkeiten kümmern, anstatt Mana zu sparen. Dadurch wird man ermutigt, die Fähigkeiten häufiger einzusetzen und mit ihnen zu experimentieren. Um trotzdem die Balance zu gewährleisten, sind viele der Fertigkeiten, gerade Trugbild, nur eine begrenzte Dauer oder über eine bestimmte Distanz nutzbar. Dennoch ist und bleibt der Einsatz von den übernatürlichen Fertigkeiten nur eine Vorgehensweise, nur diesmal wird sie etwas schmackhafter gemacht. Die Gesundheitspunkte regenerieren sich wie gewohnt nicht. Und die anderen mechanischen Waffen und Spielzeuge wie Überdruckgranate, Voltaikwaffe, Hakenmine und Co. können nur in begrenzter Anzahl mitgeführt werden. Tragekapazität und Werkzeuge lassen sich im Schwarzmarkt verbessern. Ansonsten können die Fähigkeiten und Kräfte von Billie mit Knochenartefakten modifiziert werden.

Die Überdruckgranate schleudert die Gegner durch die Luft.


Fähigkeiten sollen benutzt werden

Neu ist ein optionales Auftragssystem, das den Söldner-Charakter von Billie unterstreicht. Auf der Jagd nach dem Outsider kann Billie zwischenzeitlich eine Pause einlegen und den Bürgern von Karnaca bei der Lösung ihrer Probleme helfen - natürlich nur, wenn die Belohnung für den Auftrag stimmt. Die meisten Aufträge findet man in den Schwarzmärkten. Sie drehen sich in der Regel um Spionage, Schleichen und natürlich Attentate. Die zusätzlichen Aufträge abseits der Hauptgeschichte vertiefen die unnachahmlich atmosphärische Spielwelt und verschaffen etwas Abwechslung. So darf man im oberen Cyriabezirk zum Beispiel für die "Augenlosen" einen Barkeeper aus einem gut besuchten Club entführen und ihn lebend in einer Kiste auf einem Hausdach deponieren. Oder man muss eine verschollene Person in einem Club ausfindig machen und sie dort "herausbegleiten". Oder man muss einen Pantomimen von der Bildfläche verschwinden lassen und wenn es wie ein Unfall aussieht, winkt eine bessere Belohnung. Sollte einer diese Aufträge scheitern, darf man einen zweiten Anlauf erst beim zweiten Spieldurchlauf versuchen (im Neue Kräfte+ Modus). Apropos Neue-Kräfte+-Modus. In dieser Variante hat man noch Zugriff auf eine Auswahl der Kräfte von Emilys und Corvos (voll aufgewertete Versionen von Dark Vision, Domino etc.) aus Dishonored 2.

Aufträge schaffen Abwechslung

Fazit

Der erneute Ausflug nach Karnaca hat in Dishonored: Der Tod des Outsiders wieder Spaß gemacht, obgleich er nicht ganz an die Klasse von Dishonored 2 heranreicht. Es sind vor allem die schwach geschriebenen Hauptcharaktere (Billie und Daud), die weit hinter ihrem Potenzial zurückbleiben. Aber mit seiner Freiheit und den vielen möglichen Vorgehensweisen entsteht wieder ein toller Spielplatz für Assassinen - besonders in Sachen Schleichen kann das Spiel kräftig punkten. Der Ideenreichtum beim Level-Design wird im Vergleich zum Hauptspiel zwar nicht erreicht, aber die fünf Kapitel mit ihren ca. zehn Stunden Spielzeit, allen voran der Bankraub, bieten immer wieder kleine Höhepunkte. Dem Spielfluss kommt zugute, dass sich das Mana für die Kräfte nun selbst regeneriert. Man wird somit ermutigt, die übersinnlichen Fähigkeiten zu kombinieren und mit den cleveren Wachen Katz und Maus zu spielen. Wer schon Spaß mit Dishonored 2 hatte, wird trotz der Defizite richtig gut unterhalten.

Pro

  • spannende Stealth-Action in stimmungsvoller Steampunkwelt
  • sehr gutes Leveldesign
  • viele Wege zum Ziel und viel Handlungsfreiraum
  • optionale Aufträge
  • Erkundung lohnt sich
  • überraschend aufmerksame KI
  • Mana-Änderung sorgt für mehr Raum zum Experimentieren
  • viele Kombinationsmöglichkeiten für Waffen, Kräfte und Co.
  • keine Minikarten, nur Arealübersichten
  • ausgezeichnetes Artdesign, klasse Architektur & Interieur
  • tolle Musikuntermalung
  • diverse Schwierigkeitsgrade, einer davon komplett anpassbar
  • zwei Enden; Neue-Kräfte-Plus-Modus
  • fast alle Hilfsanzeigen sind abschaltbar

Kontra

  • Storytelling: wenig überzeugende Charaktere und Hauptpersonen
  • Geschichte und Auflösung hätten mehr Potenzial gehabt
  • Ideen, Szenarien und Level-Design reichen nicht an Dishonored 2 heran
  • manche Rätsel/Hinweise sind zu offensichtlich
  • Billie spielt sich sehr ähnlich wie Corvo oder Emily
  • wenig Gegnervielfalt
  • hätte etwas umfangreicher sein können

Wertung

PC

Dishonored: Der Tod des Outsiders steht klar im Schatten von Dishonored 2, bietet aber wie gewohnt spannende Stealth-Action in einer stimmungsvollen Steampunkwelt.

XboxOne

Dishonored: Der Tod des Outsiders steht klar im Schatten von Dishonored 2, bietet aber wie gewohnt spannende Stealth-Action in einer stimmungsvollen Steampunkwelt mit leichten Abstrichen.

PlayStation4

Dishonored: Der Tod des Outsiders steht klar im Schatten von Dishonored 2, bietet aber wie gewohnt spannende Stealth-Action in einer stimmungsvollen Steampunkwelt mit leichten Abstrichen.