White Day: A Labyrinth Named School - Test, Action-Adventure, iPad, XboxSeriesX, Switch, PC, Android, PlayStation5, iPhone, PlayStation4

White Day: A Labyrinth Named School
05.09.2017, Mathias Oertel

Test: White Day: A Labyrinth Named School

Highschool-Horror alter Schule

White Day ist ein Phänomen. Der in Südkorea entwickelte Survival-Horror erschien in seinem Heimatland bereits 2001 auf dem PC. Doch erst mit der Smartphone-Umsetzung The School: White Day, die 2015 erschien, konnte der Titel durchstarten und reihenweise Fans um sich scharen. Jetzt ist der auf Schreckmomente und Spannung setzende Ausflug auch in einer in jeder Hinsicht optimierten Variante auf der PlayStation 4 erhältlich. Im Test verraten wir, ob das Spiel mehr als 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung noch schocken kann.

Was für Amerikaner (und mittlerweile auch Europäer) der Valentinstag, ist in Asien der so genannte „White Day“: Eine Möglichkeit, seinem Herzensschwarm über ein Geschenk die Verehrung zu erweisen – oder gar erst zu gestehen. Dementsprechend möchte der schüchterne Hee-Min Lee seiner geheimen Liebe So-Young Han eine Pralinen-Box überreichen. Wieso er dies allerdings im Geheimen machen möchte und deswegen in der Nacht vor dem „White Day“ in die gemeinsam besuchte Yeondu High School schleicht, weiß wohl nur er. Denn hier wird er Zeuge übersinnlicher Ereignisse und muss nicht nur sich, sondern auch andere Schüler retten, die sich in die Schule geschlichen haben.

Horror am Valentinstag

Es beginnt als Romanze und endet als Horror: Die Yeondu High School birgt einige düstere Geheimnisse.
Dabei kommt er in den langen düsteren Gängen nicht nur Geheimnissen auf die Spur und muss sich mit Rätseln auseinandersetzen, sondern sich auch seiner Haut erwehren, wenn ihm Geister und vor allem der aggressive Hausmeister zusetzen, der jeden Schüler zu Tode prügelt, wenn er ihn in die Finger bekommt. Haben die übersinnlichen Ereignisse damit zu tun, dass die Gebäude im Korea-Krieg als Krankenhaus genutzt wurden? Und was hat es mit den zahlreichen anderen urbanen Legenden auf sich, die hier mal sehr subtil, dann wiederum sehr deutlich eingepflegt wurden? Die Geschichte, die man über die Fundstücke sowie die Gespräche mit den Kommilitonen erfährt, ist clever konstruiert und mit einer ordentlichen Portion Grundspannung versehen.

Dass White Day vor allem in seiner Ursprungsversion einen ähnlichen Kultstatus erreicht hat wie Deadly Premonition von Hidetaka "Swery" Suehiro dürfte eher dem zeitlichen Umfeld denn den eigentlichen Inhalten geschuldet sein. Damals musste sich der Hochschulhorror mit namhafter Konkurrenz wie Silent Hill 2, Resident Evil: Code Veronica oder Project Zero auseinandersetzen und versuchte, sich hinsichtlich seiner Mechaniken irgendwo zwischen diesen modernen Klassikern zu platzieren. Diese sind nach heutigen Maßstäben zwar durchaus intensiv und sorgen auch immer wieder für ein punktuelles

In den Dialogen stehen Antwortoptionen zur Verfügung.
Ansteigen des Adrenalinspiegels. Doch sie können nicht mit dem Terror oder der Atmosphäre eines Resident Evil 7 bzw. Outlast mithalten. Der Fokus ist hier ohnehin in vielen Bereichen ein anderer.

Silent Hill, Resident Evil und White Day

Zusammengehalten von einer sehr guten Soundkulisse sowie basierend auf den ersten merkwürdigen Ereignisse, die man als Hee-Min in Egosicht kennenlernt, ist (An-)Spannung ein steter Begleiter, wenn man sich mit den verschiedenen Charakteren unterhält und evtl. sogar etwas für sie erledigt, zumeist Hol- und Bringdienste. Je nach gegebener Antwort verändert sich deren Einstellung zur Hauptfigur, was letztlich in der Summe sowie in Relation mit einigen anderen Ergebnissen zu einem von zahlreichen Enden führt. Umfangreiche Dialogbäume à la Bioware oder Obsidian darf man hier allerdings nicht erwarten – meist gibt es nur A-/B-Möglichkeiten. Da die Auswirkungen der Dialoge aber eher kryptisch vermittelt werden, reicht dies, um für einen gewissen Wiederspielwert zu sorgen.

Zu Beginn steht einem nur ein relativ kleiner Bereich zur Verfügung, in dem man sich frei umschauen und die ersten Rätsel lösen kann, die in dieser Phase noch zumeist daraus bestehen, den richtigen Gegenstand aus dem Inventar zu wählen. Das Gebiet wird jedoch kontinuierlich größer, man öffnet später immer mehr Türen und entdeckt mehr und mehr Geheimnisse sowie Puzzles. Und irgendwann geht es auch nicht mehr darum, nur die richtigen Gegenstände einzusetzen. Es warten auch einige Kopfnüsse, die man nur ohne umständliches und zeitaufwändiges Probieren lösen kann, wenn man sowohl Hinweise in der Spielwelt als auch die zahlreichen Notizen, Bücher etc. findet und deren knapp wiedergegebene Inhalte zur Lektüre hinzuzieht. Allerdings ist nicht alles in der Schule zur Interaktion freigegeben. Viele Schränke, Türen, Schubladen usw.  lassen sich nicht aktivieren, was die Immersion immer wieder zum Stocken bringt.

Interessantes Puzzledesign und Fluchtterror

In einem anderen Punkt jedoch könnte White Day der Prototyp für Outlast gewesen sein: Der Kampf ums Überleben ist hier so stark wie in keinem anderen Titel, der seinerzeit (sprich: 2001) veröffentlicht wurde. Konnte man sich sowohl in Konamis düsterer Kleinstadt als auch bei dem von Capcom  produzierten Überlebenskampf von Claire Redfield gegen Zombies aktiv seiner Haut erwehren, ist man hier als Schüler sowohl gegen die irdischen als auch die übersinnlichen Gefahren machtlos. Geister z.B. sind nicht nur (abhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad) eine „Jumpscare“-Quelle, die immer wieder

Die Fluchtsequenzen werden spannend inszeniert, setzen aber zunehmend auf Trial&Error.
effektiv genutzt wird, um den Blutdruck des Spielers nach oben zu treiben. Sie stellen auch eine ständige Bedrohung für das Leben von Hee-Min dar. Das gleiche gilt übrigens für den verrückt scheinenden Hausmeister, der einen erbarmungslos verfolgt, wenn er einen entdeckt hat. Ihm zu entkommen, gehört zu den größten Herausforderungen in White Day. Genaue Kenntnis der Umgebung ist hier das A und O.

Zwar kann man versuchen, durch Schleichen und das Reduzieren von Spuren (nicht vergessen: Licht immer wieder ausschalten), die allgemeine Bedrohung so gering wie möglich zu halten. Doch spätestens wenn sich in geskripteten Momenten die Panik durch ein plötzliches Einsetzen der Musik und dem dadurch signalisierten Nahen der Hausmeister-Gefahr steigert, wird hier fast so ein Spannungsmoment erreicht wie in Outlast oder Alien Isolation: Man sucht sich so schnell wie möglich einen Unterschlupf, findet diesen in einem abgedunkelten Klassenzimmer oder hinter einem Schreibtisch und lauscht  bzw. beobachtet mit flacher Atmung, wie der Hausmeister auf der Suche nach seinem nächsten Opfer den Flur hinunter wandert. Das Problem ist dabei aber der Trial-und-Error-Charakter, den (zu) viele dieser Begegnungen haben. Man glaubt sich sicher, wird aber urplötzlich vom Gegner attackiert, der häufig einen unfairen Vorteil zu haben scheint und wird begleitet von einem hämischen Lachen erschlagen. Die darauf folgende Ladezeit ist dabei eine ebenso große Ergänzung der Strafe wie der gelegentlich weit zurückliegende Kontrollpunkt.

Fast wie auf PS3

White Day ist sich auch für "billige" Schreckmomente (aka Jump Scares) nicht zu schade...
Erschwert wird die Suche nach dem richtigen Unterschlupf auch dadurch, dass  die zahlreichen Stockwerke, Flure und Klassenzimmer häufig eines wie das andere aussehen und man irgendwann die Orientierung verlieren kann. Wie gesagt: Genaue Kenntnis des Schullageplans steigert die Überlebenschance. Schade ist allerdings, dass die erfreulich  hohe Rätseldichte in der zweiten Spielhälfte durch zu häufige Begegnungen mit Geistern bzw. anderen Gefahren entwertet wird – vor allem, da hier schließlich zu sehr auf Trial-und-Error gesetzt wird. Dass bestimmte Puzzle unter Zeitdruck gelöst werden müssen, ist dabei nicht einmal störend. Doch wenn Aufgaben, die man in der ersten Hälfte quasi „in seinem eigenen Tempo“ lösen konnte, später dadurch unnötig erschwert werden, dass auf einmal zusätzliche Gefahren auftauchen, die einen aus dem Rätselfluss reißen, wirkt dies unnötig aufgesetzt. Zumal einem in diesen Momenten auch die basierend auf dem prinzipiellen Alter von White Day eher spröde Kulisse mehr und mehr auffällt. Man hat zwar versucht, sowohl Umgebung als auch Figuren etc. an die moderne Hardware anzupassen. Doch mehr als ein spätes PS2-/frühes PS3-Niveau darf man nicht erwarten.

Fazit

Dass es White Day bei seiner Erstveröffentlichung auf dem PC seinerzeit nicht in den Westen geschafft hat, dürfte der damaligen übermächtig scheinenden Konkurrenz wie Silent Hill 2 oder Resident Evil: Code Veronica geschuldet sein. Und mittlerweile ist durch Spiele wie Outlast oder Alien Isolation das Konzept des machtlosen Spielers, der sich nicht aktiv zur Wehr setzen, sondern eigentlich nur fliehen kann, angemessen bedient worden. Dennoch finden Fans des klassischen Überlebenskampfes alter Schule hinter der überarbeiteten sowie an „moderne“ Systeme angepassten Kulisse (letztlich befindet man sich auf PS2-/PS3-Niveau) einen Titel, der auch 16 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung noch seinen Reiz als klassischer Survival-Horror entfalten kann - wobei die Rätseldichte sowie –Qualität ungewöhnlich hoch sind. Die Story mit ihren unterschiedlichen Enden, die u.a. durch Dialogentscheidungen beeinflusst werden, ist interessant und sorgt mit ihren Anspielungen auf urbane Mythen und Legenden für ein spannendes Grundrauschen. Wenn man vor allem in der zweiten Spielhälfte nicht so stark auf Trial&Error bei den unnachgiebigen Verfolgungsssequenzen setzen würde, wäre ungeachtet der altbacken wirkenden und auf Dauer wenig abwechslungsreichen Kulisse sogar noch mehr drin gewesen.

Pro

  • stimmungsvolle Akustik trägt stark zum Spannungsaufbau bei
  • verletzliche Hauptfigur: Flucht und Verstecken werden zu zentralen Elementen
  • intelligente Rätsel
  • Survival-Horror alter Schule
  • interessante Geschichte
  • diverse Enden
  • Dialoge mit Einflussmöglichkeiten

Kontra

  • Flucht-Sequenzen setzen stark auf Trial&Error
  • mitunter sehr großer Abstand zwischen Kontrollpunkten
  • unzeitgemäße Kulisse
  • Umgebung mit nur wenig Abwechslung
  • unter dem Strich nur wenig Interaktionsmöglichkeiten

Wertung

PlayStation4

Solider Survival-Horror, der mit einem interessanten Rätseldesign punktet, dem man aber trotz Optimierungen sein Ursprungsalter (2001) anmerkt.