ARKTIKA.1 - Test, Shooter, OculusRift, PC, VirtualReality

ARKTIKA.1
13.10.2017, Jan Wöbbeking

Test: ARKTIKA.1

Mitten in der Postapokalypse

Die Metro-Entwickler schicken Oculus-Rift-Besitzer in ein bemerkenswert gut aussehendes Enzeitszenario: Im VR-Shooter Arktika.1 verteidigt man als Söldner eine von Banden, Mutanten und verfallenen technischen Anlagen umringte Siedlung im ewigen Eis. Sorgen die Roomscale-Schießereien mit den Touch-Controllern für mehr Spannung als die schwächelnden Konkurrenten Arizona Sunshine oder Killing Floor: Incursion?

Fast einhundert Jahre in der Zukunft: Nach der Apokalypse herrscht auf der Erde eine neue Eiszeit, weil offenbar ein technisches Experiment gegen die Klimaerwärmung mächtig daneben ging. Nur entlang des Äquators gibt es noch bewohnbare Gegenden, doch hier und da findet man kleine Enklaven der Menschheit. Diese Außenposten der Zivilisation sitzen auf rohstoffreichen und höchst begehrten Gebieten im Norden und Süden. Von einer gut gepanzerten Basis aus zieht der Spieler als Söldner los, um die Kolonie in der Ödnis des ehemaligen Russlands vor Plünderern, Räubern und mutierten Kreaturen zu beschützen.

Eisige Zeiten

Stimmungsvoll: Auf dem Weg ins Camp schaut man sich erst einmal in Ruhe die beeindruckend in den Himmel ragenden Anlagen ein.
Die Inszenierung dieser Zukunftsvision ist den Machern der Metro-Serie (4A Games, mit Unterstützung der Oculus Studios) dermaßen gut gelungen, dass es mir fast schon unheimlich vorkam, zwischendurch mal durch die „Nasenlücke“ der Oculus Rift zu linsen – nur um mich zu vergewissern, dass auch die „reale Realität“ noch da ist. Irgendwie fühlt es sich seltsam an, plötzlich wieder eine andere Welt vor Augen zu haben, die genau so präzise auf die Kopfbewegungen reagiert wie das Tracking in Arktika.1. Wir haben übrigens mit drei Kameras getestet, so dass Rundumdrehungen problemlos möglich waren.

Auch die lebendig gestalteten Katakomben der Postapokalypse tragen viel zur gefühlten Authentizität bei: Planen flattern im Wind, auf den Pritschen liegen zugedeckte Leichen und dünne Laserstrahlen von Gesichtsscannern durchdringen das schummrige Spiel aus wenig Licht und vielen Schatten. Bereits mit einer GeForce GTX 970 und der Grafikeinstellung Medium gehört Arktika.1 zu den Titeln, welche ihre Kulissen am überzeugendsten für eine authentisch wirkende Immersion einsetzen. Auch die unaufgeregte Inszenierung der Basis hilft dabei: Wenn man mit dem Fahrstuhl in die Waffenkammer fährt, muss man eben eine Weile warten – was einem genügend Zeit gibt, die dreckig verschmierten Glasbausteine und realistisch reflektierenden Metallstreben an der Tür aus der Nähe zu betrachten.

Sehr authentisch

Kuckuck - baaah: Dank präzisem Roomscale-Tracking bewegt man sich ständig mit vollem Körpereinsatz in die Deckung und wieder heraus. Die Fortbewegung funktioniert allerdings per Teleportation an vorgegebene Punkte.
Und wenn man seine neue futuristische Energiepistole bekommt, wird diese eben erst einmal eine Minute lang ratternd im 3D-Drucker erstellt, bevor man sie herausnehmen und ins Holster hinter der Schulter stecken darf. Einige Modifikationen und Aufsätze wie ein Laservisier oder mehr Feuerkraft müssen ebenfalls erst einmal in Drucker- Kästchen angebracht werden. Währenddessen klappern die Maschinen des Schießstandes räumlich im Hintergrund herum. Auch anderswo in den heruntergekommenen Industrieanlagen erblickt man überall realistisch abgewetzte Instrumente, allerlei Rostflecken und mit Schneewehen bedeckte Außenareale.

Der monotone Shooter-Alltag dämpft allerdings schnell die Freude über die überzeugende Inszenierung: Nachdem man sich mit zwei aufgemotzen Waffen oder wahlweise einem technischen Gadget im zweiten Slot ausgerüstet hat, begibt man sich in von Banden und Mutanten verseuchte Bereiche der Umgebung. Statt sich persönlich fortzubewegen, kommt eine Teleportation an vorgegebene Orte zum Einsatz: Immer wenn man in der Blickrichtung eine glühende Silhouette erblickt, darf man sich per Knopfdruck dorthin beamen. Ihre Farbe signalisiert, ob man dort relativ sicher steht oder im Kreuzfeuer landet. Oft handelt es sich dabei um Nischen, in denen Metalltüren, Trümmer und andere Objekte Deckung bieten. Also huscht man immer wieder ein bis zwei Schritte zur Seite, deckt Gegner mit einer Schusssalve ein, duckt sich hinter eine Metallplatte und beamt sich zwischendurch hin und her. Viele der zerstörbaren Deckungen sind schließlich schnell in Stücke geballert.

Schwache Action

Hier ist einiges schiefgelaufen.
Es geht hinter Autos, auf Balustraden oder auch bewegliche Objekte wie Rolltreppen einer alten Mall sowie Förderbänder, die einen langsam nach vorne befördern. Mit unserem Drei-Kamera-Setup funktionierte das Roomscale-Tracking hervorragend. Nur wenn wir etwas zu weit in die Randbereiche stolperten, driftete die komplette Welt auf unangenehme Weise zur Seite. Leider verhalten sich selbst die in den Schächten lauernden Gegner derart stumpf und vorhersehbar, dass man kaum in Bedrängnis gerät. Einfach ab und zu die Deckung wechseln und sich mit einem aufladbaren Schild ausrüsten, den man effektiv mit der zweiten Hand in die Schusslinie hält – und schon werden einem die Schießbudenfiguren kaum noch gefährlich.

Auch die Drohnen oder schneller auf den Spieler zu sprintenden „Yaga“-Mutanten sorgen lediglich dann für ein ungutes Gefühl, wenn sie einen aus dem Dunkel überraschen. Ab und zu zuckt man zwar ein wenig zusammen – danach lässt sich der Angreifer aber meist flott aus dem Weg räumen. Nicht einmal die wenigen fetteren mechanischen Gegner bringen Abwechslung ins Spiel: Bei einem gepanzerten Geschütz etwa reicht es, den Schild zu dezimieren und dann zwei Batterie-Schwachstellen zu erwischen. Wer will, kann auf einem höheren Schwierigkeitsgrad starten, um dem Trip wenigstens etwas mehr Spannung aufzuzwingen. Das Zielen per Visier klappt dank der Touch-Controller hervorragend, zumal man auch Laservisiere nachrüsten kann, um aus der Hüfte zu schießen und auf Dauer keinen steifen Nacken zu bekommen. Diverse Projektilwaffen, Revolver und Energiewummen bringen unendlich viel Munition mit – man muss lediglich im passenden Moment nachladen. Zwischendurch gibt es noch einige Rätsel zu lösen.

Schießbude XXL

Nicht knifflig, aber authentisch: In den Rätseln hantiert man zentimetergenau mit den Touch-Controllern.
Manchmal sorgt ihre Einbindung in die Industrieanlagen für ein schönes Gefühl von Präsenz. Ab und zu muss man z.B. eine brüchige Glasscheibe finden und zerschießen, anderswo Deckel von rostigen Schaltkästen lösen, per Bewegungssteuerung Schalter umlegen und Türcodes enträtseln, indem man in Unterlagen verschiedener Mitarbeiter wühlt. Hier und da gab es durchaus schöne Aha-Effekte – meist sind die Puzzles aber entweder viel zu simpel gestrickt oder verwirren mit mechanischen Kleinigkeiten. An einer fummeligen Platine etwa musste ich ganz schön lange mit der Hand und sämtlichen Griffgesten herumprobieren, bis das Spiel endlich die passende Aktion auslöste. Des Rätsels Lösung: Ich musste winzige Leiterbahnen abziehen und anderswo zentimetergenau aufstecken.

Wer möchte, kann sich zudem an Extraherausforderungen versuchen oder außerhalb der Missionen Rekorde in einer virtuellen Trainingsumgebung aufstellen. Schade, dass der Story nicht mehr Bedeutung eingeräumt wurde. Die etwas steif agierende Auftraggeberin etwa erklärt einem die Ausgangslage zu Beginn auf einer langen Autofahrt in die gepanzerte Anlage. Danach fungiert sie aber im Wesentlichen lediglich als Hinweisgeberin per Knopf im Ohr. Die Geschichte um die Beschützung der Siedlung in Vostok hält sich stark im Hintergrund. Die mal ruhige, mal adrenalingeladen blubbernde Electro-Musik passt aber gut zum Spielablauf. Für unnötigen Ärger sorgten übrigens einige Abstürze sowie ein Bug, welcher in seltenen Fällen die Teleportation verhinderte.

Action statt Erzählung

Fazit

Schade, auch Arktika.1 ist nicht der erhoffte VR-Shooter, welcher Superhot VR den Rang ablaufen könnte. 4A Games schafft es zwar, eine unheimlich immersive, grafisch aufwändige Postapokalypse in der Einöde zu inszenieren. Doch das nützt wenig, wenn schwach orchestrierte Attacken und eine debile KI den Spieler fast überall daran erinnert, dass er sich nur in einer übergroßen und zu leichten VR-Schießbude befindet. Auch die größtenteils simpel gehaltenen Puzzles beeindrucken höchstens damit, wie schön sie in den Maschinenpark eingebunden wurden, während man mit den präzise erfassten Touch-Controllern in der Umgebung hantiert. Wer sich einmal mit Haut und Haaren in ein frostiges Endzeitszenario versetzen möchte, erlebt also ein starkes Gefühl der Präsenz. Spielerisch ernüchtern die Fließbandschießereien aber am laufenden Band.

Pro

  • grafisch beeindruckende Ausflüge durch die Postapokalypse
  • sehr authentisch und lebhaft wirkende Kulissen
  • realistisch verwitterte, schummrig beleuchtete Geräteparks
  • glaubwürdig inszenierte Basis
  • auch auf schwachen Grafikkarten ansehnlich und flüssig
  • tolles Immersionsgefühl, da Gegner rundum attackieren und der Spieler oft die Deckung wechselt
  • manche Rätsel sind schön in die Umgebung eingebunden
  • sehr komfortabel und übelkeitsfrei

Kontra

  • meist statisch designte Fließband-Schießereien
  • schwache Schießbuden-KI setzt den Spieler kaum unter Druck
  • viel zu leichter Schwierigkeitsgrad
  • oft nur simpel gestrickte, teils verwirrende Puzzles
  • mitunter Bugs und Abstürze
  • nur wenige, einfach konzipierte Bosskämpfe

Wertung

OculusRift

Toll inszenierte postapokalyptische Vision, die allerdings mit monotonen Schießereien und schwachen Puzzles ernüchtert.

VirtualReality

Toll inszenierte postapokalyptische Vision, die allerdings mit monotonen Schießereien und schwachen Puzzles ernüchtert.