WWE 2K18 - Test, Sport, Switch, XboxOne, PlayStation4, PC

WWE 2K18
23.10.2017, Mathias Oertel

Test: WWE 2K18

Zeit für eine (Lade-)Pause

Der Erfolg der Showkämpfe des World Wrestling Entertainment ist auch über 30 Jahre nach dem ersten WrestleMania-Event ungebrochen. Bei den Videospiel-Umsetzungen ist man in den letzten Jahren jedoch ins Straucheln gekommen. Vor allem nach der Übernahme der Lizenz durch 2K Sports nach der Demission von THQ konnte man kaum noch Impulse setzen. Um dies zu ändern, hat man für WWE 2K18 (ab 10,99€ bei kaufen) u.a. die Spieler-Karriere komplett überarbeitet. Wir sind für den Test in den Wrestling-Ring gestiegen.

Die ganz große Wrestling-Euphorie schlägt nicht mehr in meinem Herzen. Gelegentlich schaue ich zwar immer mal wieder in die Raw- oder Smackdown-Aufzeichnungen rein, um auf dem Laufenden zu bleiben – alleine schon, um mich für den alljährlichen Test rüsten zu können. Doch irgendwie schaffen es die neuen Stars nicht mehr, mich so mitzunehmen wie es die alte Garde um Mr. Perfect, Ted DiBiase, Shawn Michaels, Diesel, The Rock, Triple H oder "Stone Cold" Steve Austin über Jahrzehnte schafften. Und die Zeiten, in denen ich auch mal nachts für Live-Großveranstaltungen wach geblieben bin oder gar zusätzliches Geld für Pay-Per-Views ausgebe, sind vorbei. Vieles kann damit zu tun haben, dass der Undertaker, mein absoluter Favorit unter den Showkämpfern, in den letzten Jahren schleichend in Rente gegangen ist. Und die neuen Stars wie Roman Reigns, Baron Corbin oder Finn Balor schaffen es einfach nicht, mich in der gleichen Art und Weise zu faszinieren. Vielleicht bin ich zu nostalgisch, aber das in vielerlei zu glatt gebügelte und auf Familienfreundlichkeit Produkt "WWE" hat sich zu weit von der Attitude-Ära und den nachfolgenden Jahren entfernt.

Der Spaß ist vorbei

In einer Hinsicht ist WWE 2K18 absolute Spitze: Noch nie konnte man so viele Superstars, Legenden und Diven spielen - mit den verschiedenen Varianten und Download-Wrestlern kommt man auf gut 200 Athleten.
Spektakuläre Showkämpfe werden immer noch geboten. Doch das gewisse Etwas, dass Wrestling für mich von den 90er Jahren bis etwa 2010/11/12 geboten hat, fehlt mir mittlerweile. Dass die Wrestling-Spiele in den letzten Jahren ähnlich wenig Euphorie entfachen konnten, liegt an ganz anderen Elementen. Schon bei den vorherigen Lizenznehmern Acclaim und THQ gab es mit dem jährlichen Turnus Probleme und uneinheitliche Qualität. Doch seit dem Sprung auf die gegenwärtige Konsolen-Generation, der wie es der Zufall so will, mit dem Publisher-Wechsel zu 2K Sports zusammenfällt, fehlt die Faszination, das Besondere. Dass die jährliche Verantwortung einer Spieleveröffentlichung (um die nicht gerade geringen Lizenzkosten einspielen zu können) häufig zu Lasten der Qualität in dem einen oder anderen Bereich geht, ist nichts Neues und vor allem für Sportspiele ein Gefahrenherd. Aber obwohl das "alte" Team von Yuke’s, das seit mittlerweile gut 20 Jahren die Wrestler in virtueller Form produziert, um die Expertise der NBA-2K-Spezialisten von Visual Concepts ergänzt wurde, hat diese potenziell bombastische Verbindung bislang nicht wirklich packen können.

Bei den zumeist authentischen Einmärschen gibt Yuke's alles. Sobald es in den Ring geht, kommen zunehmend Physik- und gelegentlich Animationsfehler hinzu.
Dementsprechend bin ich regelrecht überrascht, wie viel Zeit ich bislang in WWE 2K18 investiert habe. Und das, obwohl die Konsolen-Wrestler sowohl auf PS4 als auch vor allem auf One in der Anfangsphase, sprich: vor dem aktuellen Patch 1.02, alles in ihrer Macht stehende getan haben, um mir den Spaß zu verderben. Die Ladezeiten sind immer noch horrend, ziehen sich durch alle Bereiche und machen vor allem den neuen Karriere-Modus „Mein Spieler“ immer wieder zu einer Belastungsprobe für die Nerven. Dabei haben die Veränderungen durchaus Potenzial. Man kann sich jetzt vor jeder Show frei durch den Backstage-Bereich der Arena bewegen, mit den dort anwesenden Superstars und Diven plaudern und je nach Fortschritt noch weitere Aktionen wie Promos usw. starten. Das Problem hier ist allerdings einerseits, dass alle mit nur wenigen Ausnahmen allgemeines Blabla von sich geben und nur in geskripteten Ausnahmefällen auf die Aktionen eingehen, die ich mit meiner Figur entweder gerade in der Show oder in einer Sendung der letzten Wochen abgezogen habe. Da zudem keinerlei Sprachsamples von den Athleten integriert wurden, lässt man hier auch noch massiv Atmosphäre-Punkte liegen.

Hass-Liebe

Und zudem gibt es die angesprochenen Ladezeiten. Und die zeigen sich nicht nur, wenn man den Backstage-Bereich verlässt und in die mit diesmal halbwegs ansehnlichen Zuschauern prall gefüllte Arena sowie den mit nur wenigen negativen Ausnahmen sehr gelungenen sowie authentischen Einmärschen umgeschaltet wird. Man kann löblicherweise fast jederzeit über entsprechende Menüs seine Figur modifizieren, Attributspunkte verteilen und diverse andere Einstellungen vornehmen. Allerdings ist alles mit an den Nerven zerrenden Ladebildschirmen verbunden. Am schlimmsten ist es bei den Interviews. Hier geht man auf die geduldig vor den WWE-Symbolen wartende Renee Young zu, woraufhin eine Ladesequenz eingeleitet wird. Nach etwa zwölf (PS4) bis 20 (One) Sekunden sieht man, wie die Figur auf Renee zugeht, nur um dann festzustellen, dass erneut geladen wird – dieses Mal die Interviewseqeuenz, die mitunter nach nur eine Frage beendet sein kann, bevor was passiert? Richtig, nachgeladen, dieses Mal zwischen 20 und 40 Sekunden. Doch das alles würde mich nicht so sehr stören, wenn der gesamte Backstage-Bereich nicht so aufgezwungen wirken würde. Man hätte den gleichen Effekt (die Immersion ist ohnehin gering) auch über ein Menü erzielen können, das einem die zur Verfügung stehenden Räume oder anwesenden Superstars bzw. Diven zeigt, zu denen man dann per Teleport springt.

Nicht nur bei den fernsehreifen Einmärschen ist die Mimik gelungen - auch im Ring kann man die Dramatik in den Gesichtern ablesen.
Zudem steht das Drehbuch um den Aufstieg eines Nachwuchs-Wrestlers in den WWE-Olymp auf einem dramaturgisch schwachen Fundament. Gerade mit dem Hintergrund der Storylines der echten WWE hätte man hier viel mehr herausholen können. Doch mehr als die üblichen Standard-Fehden und Einflüsse durch das Management springen nur selten heraus. Warum gibt es nicht mehr von den Situationen wie den in einer Phase kontiniuerlichen Aufforderungen,  sich zwar anzustrengen und mindestens Matches mit einer Drei-Sterne-Wertung abzuliefern, aber letztlich doch mutwillig zu verlieren? Vielleicht, weil selbst dieses Element von den lustlos in der Gegend herumstehenden sowie auf ihre Mobiltelefone starrenden „Kollegen“ nicht dokumentiert und dadurch entwertet wird. Dass zudem inhaltliche Fehler auftauchen, wie unnötige oder gar nicht zur Fehde/Story gehörende Superstars, die ihre Aufwartung machen und dann so schnell verschwinden, wie sie gegangen sind, ist auch nicht schön. Ebenso, dass bestimmte Elemente wie ein „Brand-Wechsel“, also die Neumischung der Smackdown- und Raw-Roster angedeutet werden, aber deren Fäden dann bis zum Nimmerleinstag im Sand verlaufen. Und in manchen Situationen kann es sogar passieren, dass der mit der Koordination jeder Sendung beauftragte Produktionschef in einem Gespräch mit meinem Wrestler verkündet, dass sich eben dieser gerade draußen in der Halle unterwegs ist, z.B. für eine Promo oder eine „Interference“ in einem anderen Match. Wie bitte? Hab ich vielleicht irgendwas verpasst? War dies ein Hinweis des Produzenten, dass ich jetzt in die Halle soll? Ein Blick in die zur Verfügung stehenden Aktionen zeigt, dass ich diese Möglichkeit nicht habe. Also doch ein weiterer Bug.

Schwaches Drehbuch, madige Kulisse

Im Standbild sehen die langen Haare noch okay aus. In Bewegung entwickeln sie ein merkwürdiges medusenhaftes Eigenleben...
Denn zu all den inhaltlichen Schwächen gesellen sich in diesem Jahr auch noch ungewohnt viele technische. Während die Gesichter, Tattoos, Qualität der Klamottentexturen in der Breite so gut aussehen wie noch nie in einem Wrestling-Spiel, hat Yuke’s definitiv ein Haar-Trauma. Traditionell sind die langen Zotteln der Diven sowie der zahlreichen Diven ein Stein des Anstoßes. Doch bei dem Versuch, Haarpracht in dieser Ausgabe authentischer aussehen zu lassen, ist etwas schief gegangen: Jetzt bewegen sich die Locken wie gorgonische Schlangen und machen fast alle mit langen Haaren zu Kindern der Medusa. Zudem verhaken sich Figuren mit dem Hintergrund oder anderen Athleten, was zu absonderlichen Verrenkungen führt. Und vor dem Patch 1.02 konnte es sogar passieren, dass Figuren urplötzlich im Boden verschwinden, während die Bildrate beim Laufen durch die immer gleichen und damit auf Dauer langweiligen Backstage-Bereiche auf der Xbox One mitunter unerklärlicherweise abfiel. Doch selbst wenn dies nicht mehr passiert, ist auch mit dem neuesten Update noch nicht alles in Butter. Denn auch im Ring kann es zu unglücklichen Verrenkungen kommen – vor allem im Zusammenspiel mit den Ringseilen, während nicht alle Animationen mit der gleichen Sorgfalt erstellt wurden. Bei manchen wirkt es, als ob Phasen ausgelassen werden, andere wiederum sind schlichtweg fehlerhaft und mit einem weiteren Bug werden bei einem der „Specials“ urplötzlich die betreffenden Figuren ausgetauscht – auf beiden Systemen. Derart unsauber hat sich bislang noch kein WWE-Spiel aus dem Hause 2K präsentiert. Es wirkt, als ob man sich mit all den Ideen, die man hatte, sowie der Implementierung von insgesamt fast 200 Superstars, Legenden, Diven und Managern komplett übernommen hat. Insbesondere, da man offensichtlich den Herbsttermin für die Veröffentlichung halten musste.

Trotz all dieser Mankos, Bugs und Probleme habe ich dieses Jahr so viel Zeit mit den Wrestlern verbracht wie schon lange nicht mehr – und das nicht nur wegen der Ladezeiten. Und ich hatte dabei Spaß. Denn in seinen besten Momenten und wenn die Physik so arbeitet, wie sie soll, schafft WWE 2K18 wie keiner der Vorgänger die Dramatik sowie das Hin und Her der Showkämpfe zu erfassen. Zwar baut das Kontersystem immer noch zu sehr auf Antizipation sowie Timing-Kenntnis, anstatt tatsächlich die Reaktion des Spielers als Gradmesser zu nehmen. Und immer noch gibt es zu viele Bewegungsphasen, die nicht unterbrochen werden können. Doch mit den neuen bzw. überarbeiteten Mechaniken wie dem „freien“ Hochheben des Gegners, den kontextsensitiven Griffen, dem stärkeren Einfluss von Fähigkeiten sowie dem bewährten Ausdauer-Management schlägt der neue Wrestling-Auflug die Brücke zwischen „Sports Entertainment Simulator“ und Prügler. Es gibt haufenweise Matchtypen, wobei man neuerdings sogar die seit Jahren geltende Begrenzung auf sechs Spieler aufgehoben und auf acht erweitert hat.

Das Ding mit der Motivation

Ebenfalls ein gutes Beispiel für die hohe Authentizität der Einmärsche: Bray Wyatt.
Einen nicht unerheblichen Anteil an der Motivation hat auch das Freispielmodell für Fähigkeiten, Klamotten, Bewegungen sowie Wrestler. Das basiert ähnlich wie bei den Basketball-Kollegen aus der NBA auf den so genannten Visual Credits (VC), verzichtet aber auf die Option, sich im jeweiligen Store für Echtgeld Nachschub aufs virtuelle Konto spülen zu können. Hier kann man sich nur über Kämpfe das nötige Kleingeld erspielen, um sich die Wrestling-Wünsche im virtuellen Shop erfüllen zu können. Und bei Preisen von 3000 VC bis 5000 VC für einen der über 80 freispielbaren Superstars bedeutet das im Schnitt zwischen sechs und 14 Kämpfen pro Figur. Das kann man in Kauf nehmen. Dennoch ist es schade, dass es neben dem klassischen sowie vom Spieler beeinflussbaren WWE Universe sowie den obligatorisch mit schwankender Lag-Qualität laufenden Online-Matches keine Spielvariante wie die „Showcases“ vergangener Ausgaben gibt, in denen man sich Wrestler freispielen kann. Denn mit dem Fokus auf VC bleibt ein schaler Beigeschmack, da man sich nie hundertprozentig sicher sein kann, dass es bei der Entscheidung bleibt, alles ohne Echtgeldeinsatz erledigen zu können.

Fazit

Die WWE-Serie steckt in einer Sackgasse. Man scheint gezwungen, sklavisch den jährlichen Veröffentlichungsrhythmus einhalten zu müssen, damit sich die sicherlich nicht günstige Lizenz zumindest einigermaßen rentiert. Sprich: Eigentlich kann man sich eine nach meiner Ansicht nötige Pause nicht gönnen, um vielleicht mal eine Generalinventur zu machen, alle Inhalte oder Mechaniken zur Diskussion freizugeben und keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Das macht sich vor allem technisch bemerkbar. Die Wrestler dieses Jahres sind so buganfällig wie selten zuvor und leisten sich ungewohnte Schnitzer, die einem mitunter das Spiel abspenstig machen können – was übrigens ebenfalls für die immer wieder auch bei Kleinigkeiten an den Nerven zehrenden Ladezeiten gilt, die einem auf beiden Konsolen begegnen. Den Karrieremodus auf Entscheidungen zu trimmen und in eine „offene“ Backstage-Welt zu integrieren, ist prinzipiell keine schlechte Entscheidung. Doch das Drehbuch erreicht zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd Intensität, Dramatik oder Spannung der echten sportlichen Soap Opera, die seit über 30 Jahren die Massen in den Bann zieht. Schwach inszeniert und teils mit inhaltlichen Fehlern gespickt, steckt hier zu viel Leerlauf im System. Dem gegenüber steckt ein ausgefeiltes sowie im Vergleich zum letzten Jahr erweitertes und verbessertes Kampfsystem, das die Dynamik der „echten“ Matches gut transportiert. Doch auch hier gibt es u.a. beim viel zu starren Konter-Korsett  weiterhin Optimierungsbedarf. Die Kulisse, allen voran die ausdrucksstarke Mimik sowie der hohe Wiedererkennungswert der Wrestler, der sich auch in den stimmungsvollen Einmärschen äußert, ist endlich zeitgemäß – muss aber im Detail noch bei den medusenhaften langen Haaren, der Physik sowie der Kollisionsabfrage zulegen. Als Gesamtpaket sind die Ausgaben der letzten Jahre definitiv interessanter als WWE 2K18.

Pro

  • fast 200 Superstars, Legenden und Diven spielbar
  • eingängige, aber komplexe Steuerung
  • Dynamik der echten Matches wird gut eingefangen
  • größtenteils authentische Einmärsche
  • interessantes Konzept der Solo-Karriere mit Entscheidungen
  • ordentliche Auswahl an Matchtypen
  • gute Mimik bildet die Match-Dramatik gut ab
  • fernsehreife Präsentation
  • passable Zuschauerkulisse
  • viel freispielbares Material (noch) ohne Mikrotransaktionen
  • teils kontextsensitive Bewegungen
  • enorme Möglichkeiten zur Personalisierung
  • cooler Soundtrack

Kontra

  • Ladezeiten
  • unsaubere Physik sorgt u.a. für merkwürdige Verrenkungen
  • schwache Match-Kommentare
  • schwach inszenierte Karriere mit magerem Drehbuch, inhaltlichen Fehlern sowie fehlender Sprachausgabe
  • ungewöhnlich viele Bugs (zahlreiche auch noch mit Patch 1.02 vorhanden)
  • Kontersystem weiterhin unintuitiv
  • Online-Matches mit schwankender Lag-Qualität
  • im Detail unsaubere Kulisse
  • Editoren nicht immer intuitiv zu bedienen

Wertung

XboxOne

Solide Umsetzung des Wrestling-Spektakels WWE, bei dem Innovation zunehmend durch Bugs oder inhaltliche Schwächen ersetzt wird.

PlayStation4

Solide Umsetzung des Wrestling-Spektakels WWE, bei dem Innovation zunehmend durch Bugs oder inhaltliche Schwächen ersetzt wird.