Raiden 5 - Test, Arcade-Action, PC, XboxOne, PlayStation4

Raiden 5
24.10.2017, Mathias Oertel

Test: Raiden 5

25 Jahre und kein bisschen leise

Seit 25 Jahren erfreut sich die Raiden-Serie einer kleinen, aber scheinbar treuen Fangemeinde, die sich auf die Arcade-Ballereien alter Schule stürzt. Vor ein paar Monaten ohne großes Brimborium im außerdeutschen Xbox-Store veröffentlicht, erscheint Raiden 5 nun auf PS4. Und dies sogar als "Director’s Cut" – Grund genug, für den Test erneut einen Blick auf die Action zu werfen.

Obwohl die klassischen Arcade-Shooter à la R-Type oder Thunder Force, bei denen man mit einem Raumschiff entweder horizontal oder vertikal scrollend Unmengen an Feinden pulverisiert, ideal für zwischendurch sind, gehören sie zu einer aussterbenden Art. Wenn überhaupt, trifft man zumeist auf die Unterkategorie der Bullet Hell wie DoDonPachi oder Sine Mora. Und erscheinen tatsächlich mal klassische Shoot-em-ups, liegt deren Kaufpreis selbst in digitaler Form meist exorbitant hoch. Das ist bei Dariusburst Chronicle Saviours auf der PS4 der Fall, das immer noch mit knapp 60 Euro zu Buche schlägt. Und das ist auch bei Raiden 5 so, für das man etwa 35 Euro hinblättern muss. Wahrscheinlich sind die Entwickler bzw. Publisher der Meinung, dass die Nische so klein ist und die Fans so überzeugt sind, dass diese Preise abgerufen werden können.

Stolze Einstiegshürde

Raiden 5 bringt mit seiner Retro-Action den Bildschirm zum Glühen.
Wer jedoch Mühe und Kosten nicht scheut, dürfte nicht enttäuscht werden. Raiden 5 wurde konzeptionell so klassisch wie möglich gehalten, wobei die Ziffer „3“ eine elementare Rolle zu spielen scheint: Man wählt aus drei Schiffen aus, die sich in den drei Eigenschaften Geschwindigkeit, Waffenstärke und Schildkapazität unterscheiden. Danach selektiert man drei Waffen (je eine aus drei Kategorien mit je drei Exemplaren) und macht sich auf, um in insgesamt etwas mehr als 30 in jeweils drei Szenen plus Boss unterteilten Levels den Bildschirm zum Glühen zu bringen. Die wesentlichen Unterschiede des Director’s Cuts im Vergleich zur bislang veröffentlichten Version liegen übrigens bei zusätzlichen Levels sowie der interessanten Möglichkeit, offline zu zweit ballern zu können. Bei einem Durchlauf, der je nachdem etwa eineinhalb bis zwei Stunden dauert, wird man allerdings nicht alle Abschnitte durchlaufen, da man auf acht Areale festgelegt ist. Stattdessen sorgt die Leistung, die man in jedem Level abgeliefert hat, für eine Anpassung des Schwierigkeitsgrades und dafür, dass man ggf. nicht in Mission 4-S, sondern vielleicht nur in 4-C oder gar 4-E unterwegs ist, wenn man häufig die endlosen „Continues“ nutzen musste (was ein Nullen der Punktzahl zur Folge hat) oder die Gesamtpunktzahl nach Einschätzung der Entwickler eher enttäuschend ist. Um Baller-Fans ungeachtet ihrer vorherigen Erfahrung eine Herausforderung bieten zu können, werden sechs Schwierigkeitsgrade angeboten, wobei „Very Hard“ in der Tat nur denen empfohlen werden kann, deren Reaktionen die Shmups von Cave wie Kindergartenherausforderungen aussehen lassen.

Neu im Director's Cut: Man kann zu offline zu zweit antreten.
Obwohl Raiden 5 seine Action sehr klassisch und schnörkellos inszeniert, gibt es bei den Flügen über die Polygon-Abschnitte einige Besonderheiten. Zum einen gibt es keine klassischen „Leben“, sondern nur die Schildanzeige, die quasi die Lebensenergie ersetzt. Bei den Power-Ups, die von einem bestimmten Gegner fallen gelassen werden, gibt es auch keine Gegenstände, die wieder für Regeneration sorgen. Einzig am Ende einer der Levelphasen wird eine verschwindend geringe Energiemenge wieder hergestellt – die allerdings zum Überleben in der folgenden Phase definitiv zu wenig ist. Stattdessen lässt das abgeschossene Schiff entweder Bomben oder aber Aufwertungen für die drei Waffensysteme zurück, wobei die Farbe den Ausschlag gibt, welches Geschütz die nächste Stufe erreicht. Mit dem Aufsammeln wird aber nicht nur die entsprechende Wumme aufgewertet, sondern auch gleichzeitig auf diese umgeschaltet. Daher sollte man tunlichst aufpassen und ggf. abwarten, bis sich die Farbe geändert hat, falls man keine böse Überraschung erleben möchte und statt der erwarteten Level-8-Projektile mit Level 2 einer anderen Kategorie antreten muss – womöglich kurz vor dem Boss. Auf eine taktische Möglichkeit, die Waffen durchzuschalten wie sie z.B. in Super Stardust geboten wird, muss man hier leider verzichten.

Bewegungskrank auch ohne VR-Brille

Ebenfalls interessant sind die Tempowechsel, die von Raiden 5 inszeniert werden. Während bei den meisten Shoot-em-ups die Scroll- und damit Spielgeschwindigkeit zumeist gleich bleibt, wird hier häufig die Ballerdramaturgie angepasst. Mal wird sie strategisch entschleunigt, um einen daraufhin vielleicht sogar mit einem kurzen Scrollwechsel von vertikal zu horizontal zu überraschen oder noch mehr Gegner auf dem Bildschirm zu platzieren, die einen unter Beschuss nehmen. Dazu wird allerdings auch gelegentlich das Herauszoomen verwendet, dessen dadurch gewonnener Platz ebenfalls mit Feinden gefüllt wird. Dann wiederum rast die Landschaft so schnell unter einem hinweg, dass einem beinahe schwindelig werden kann. Beinahe? Oh nein! Raiden 5 ist das erste Spiel, bei dem in mir tatsächlich so etwas wie Vertigo oder Anflüge von Bewegungskrankheit aufkamen – und das ohne VR-Brille. Das mag daran liegen, dass die Entfernung zum Bildschirm nicht allzu hoch war (etwa eineinhalb bis zwei Meter). Doch als die Kulisse eine leichte Linkskurve suggerierte, indem die Landschaft etwas drehend mit einer Mordsgeschwindigkeit durchrauschte, ist mir tatsächlich schwindelig geworden, während ich nebenbei die auftauchenden Gegnerschiffe samt abgeschossener Projektile im Auge zu behalten versuchte und die gleißenden Explosionen der erledigten Gegner ausfilterte. Nach einer kurzen Pause konnte ich allerdings weitermachen. Und auch wenn ich weiß, was mich erwartet, sorgt dieser Abschnitt bei mir immer wieder für ein flaues Gefühl im Magen.

Nicht nur der Hauptbildschirm ist mit Reizen überflutet. Auch rechts und links der Actionzone wird man mit Infos zugekleistert.
Neben den drei Waffensystemen und der alles auf dem Bildschirm vernichtenden und ggf. Bossen massiv Energie abziehenden Bombe kann man sogar noch auf eine weitere Angriffsoption setzen: Die "Cheer"-Attacke. Dahinter versteckt sich die Belohnung eines integrierten "Community-Systems". Auf dem ohnehin überfrachteten Bildschirm (links und rechts der eigentlichen Action finden sich Statistiken bzw. Storytexte, für die man ohnehin keine Zeit hat) ist auch ein Platz reserviert, auf dem Errungenschaften anderer Spieler dargestellt werden. Per Tastendruck kann man jetzt innerhalb eines relativ knappen Zeitrahmens für dieses Ereignis jubeln. Das wiederum führt dazu, dass sich die "Cheer"-Leiste füllt, die schließlich für eine weitere Attacke eingesetzt werden kann: Ein zweites Schiff kommt kurzzeitig zur Hilfe und der ohnehin mit Projektilen, Schiffen und Explosionen prall gefüllte Bildschirm kommt aus dem Glühen nicht mehr heraus.

Gruppenjubel

Doch egal wie viele Effekte abgefeuert werden und wie viele Projekte sich auf dem Schirm befinden, zeigt sich die Spielgeschwindigkeit und noch viel wichtiger die Kontrolle des eigenen Schiffs davon unbeeindruckt. Alles andere wäre angesichts der engen Toleranz der sauberen Kollisionsabfrage sowie der unter dem Strich zwar blitzschnellen, aber eher zweckmäßigen Kulisse auch eine Enttäuschung. Doch das Zusammenspiel von Dauerfeuer, das man allerdings im richtigen Moment verlassen sollte, damit die „Aufsaugfunktion“ für zurückgelassene Medaillen (Highscore!!!) aktiviert wird, sorgt mit dem Jubeln für einen interessanten Rhythmus, der sogar den anspruchsvollen sowie mehrphasigen Bosskämpfen eine pikante Note hinzufügt – schließlich kann eine Cheer-Attacke das Zünglein an der Waage ausmachen.

Fazit

Raiden 5 beweist: Es muss nicht immer "Bullet Hell" sein. Zwar sorgen die Angriffe der spannend inszenierten Bosse auch dafür, dass der Bildschirm mit Projektilen gefüllt ist, die man gleichermaßen sorgsam wie schnell navigieren muss, während man selber den Gegner unter Dauerbeschuss nimmt. Doch zusammen mit den Spezialattacken und des "Medaillen-Saugers", der nur aktiv ist, wenn man nicht feuert, kommt es zu einem interessanten Rhythmus innerhalb der meist auf die Vertikale festgelegten Ballerei alter Schule, bei der man nicht von hunderten Kugeln bedroht wird. Die Kulisse ist blitzsauber, hat in einigen Abschnitten mit ihrer Geschwindigkeit bei mir Anflüge von Schwindel bewirkt und sorgt zusammen mit der gut reagierenden Steuerung sowie akkurater Kollisionsabfrage für ein sich ständig steigerndes Anforderungsprofil. Dass man die drei Waffensysteme allerdings nicht manuell durchschalten kann, sondern auf das Aufsammeln von Power-Ups angewiesen ist, bleibt aber eine Mechanik, die für mich zu sehr in der Shooter-Steinzeit hängt. Gelungen sind hingegen die Tempo- und sporadischen Richtungswechsel sowie die Einbindung der Cheer-Attacken, die für einen interessanten Rhythmus innerhalb des Arcade-Stakkatos sorgen. Der Preis ist jedoch nicht ganz ohne. Schade, denn eigentlich wäre Raiden 5 gut geeignet, um einer neuen Generation die Vorzüge klassischer Shooter-Kunst schmackhaft zu machen. Wer sich in dieser immer kleiner (und teurer) werdenden Nische wohl fühlt, macht mit dem neuesten Ableger der 25 Jahre alten Serie nichts verkehrt – zumal der Director’s Cut nicht nur frische Abschnitte, sondern auch die Option zur Verfügung stellt, mit einem zweiten Spieler offline gemeinsam gegen die Feinde anzutreten.

Pro

  • Arcade-Ballerei alter Schule...
  • neun Waffensysteme sowie drei Schiffe zur Auswahl
  • Levelauswahl passt sich an Fähigkeit an (basierend auf Leistung im vorgehenden Abschnitt)
  • blitzsaubere, mitunter rasend schnelle Grafik
  • sehr gute Steuerung
  • akkurate Kollisionsabfrage
  • interessante Tempowechsel innerhalb der Action
  • fordernde Bosse
  • "Cheer"-Mechanik samt Attacke als interessanter Rhythmus-Impuls, um das Dauerfeuer zu unterbrechen
  • Directors Cut bringt neue Abschnitte sowie Offline-Koop für zwei Spieler

Kontra

  • ... ohne nennenswerte Überraschungen
  • Bildschirm rechts und links der Action überfrachtet mit Infos
  • schwache Story
  • die drei mitgeführten Waffensysteme lassen sich nicht manuell umschalten

Wertung

PlayStation4

Solide Arcade-Ballerei alter Schule, die beweist, dass Shoot-em-ups nicht immer "Bullet Hell" sein müssen. Der Director's Cut wird durch neue Abschnitte sowie Offline-Koop aufgewertet.

Kommentare
HellToKitty

Die Desinger hätten aus dem Spiel vielleicht lieber einen Visual Novel machen sollen. Genug zu lesen gäbe es. Raiden 5 ist wirklich kein guter Vertreter der Reihe oder gar des Genres. Es gibt keinen Arcade-Modus. Vieles wurde einfach aus den Vorgängern recycelt. Das ständige Gelaber im Story-Modus ist lächerlich schlecht und nervt massiv. Die nicht ausblendbaren Dialoge werden rechts in der Leiste und sogar noch zusätzlich innerhalb des Spielfelfelds angezeigt, zusätzlich zu all dem überladenen Mist links und rechts, den wirklich niemand braucht. Der Sound ist dünn. Kein Explosion scheppert. Die Cheers-Mechanik wirkt bescheuert aufgesetzt, damit man sagen kann, das Spiel hat einen Online-Modus. Wo da die 76% Spielspaß herkommen sollen, wunder mich schon schwer. Was bekommt dann der in allen Bereichen bessere Vorgänger? 120%?

vor 4 Jahren