Wuppo - Test, Action-Adventure, PlayStation4, PC, Switch, XboxOne

Wuppo
16.11.2017, Jan Wöbbeking

Test: Wuppo

Knuddelkugel auf Wanderschaft

Nicht nur Menschen sind von Obdachlosigkeit bedroht: In Wuppo sucht ein kugelrundes Knuddelwesen ein neues Zuhause und erkundet dabei eine bizarre Welt voller seltsamer Kreaturen, Rätsel, Monster und politischem Wirrwarr. Bemerkenswert ist dabei, dass sich selbst mit einem derart schlichten Zeichenstil die Illusion eines glaubwürdigen Alltags erzeugen lässt.

Es ist schon erstaunlich, welch große Macht alltägliche Dialoge entfalten können: Klar – in Uncharted wird man allein schon von der beeindruckenden Kulisse in eine fremde Welt versetzt. Doch die kurzen, beiläufigen Kommentare spielen für mich mindestens genauso eine große Rolle dabei, die Erkundung greifbar zu machen. Der beste Beweis dafür ist der kleine Indie-Titel Wuppo: Eigentlich wuseln nur ein paar schlicht gezeichnete Kreise vor mir herum und doch kommt es mir so vor, als hätte ich eine ganz eigene Gesellschaft entdeckt – mit ihren ganz besonderen Regeln, Gebräuche und Mythen. Der Grund dafür sind auch hier die natürlichen Gespräche und Anekdoten. Wenn pausenlos der Nachbar lärmt, verzieht sich mein Mentor eben entnervt in seinen Zweitwohnsitz in einer Höhle. Dass ich diese nur per Tauchgang durch einen Schleimtümpel erreiche, stört hier kein bisschen, weil die wundersame Welt von Anfang an deutlich macht, dass hier ganz eigene Regeln und Naturgesetze gelten.

Faszinierende Fantasiewelt

Nutzt man seine soziale Kompetenz in Dialogrätseln, steigt der Zufriedenheits-Level. Verstreute Filmschnipsel erzählen zudem die Hintergrundgeschichte.
Wichtig ist nur, dass es in sich glaubwürdig bleibt - und dass es trotz aller Verrücktheiten immer wieder Bezugspunkte zu unserer Welt gibt: Ein alter Man freut sich auch hier darüber, wenn die junge Spielfigur ihm bei seinen Heldengeschichten aus dem großen Krieg zuhört. Und zwar so sehr, dass wir beide davon profitieren und sich beide Glücklichkeitsanzeigen füllen. Der Greis freut sich über die Aufmerksamkeit, der kleine Held darüber, ihn fröhlich gemacht zu haben und ich als Spieler bin um eine Hintergrundgeschichte über die rätselhafte Fantasiewelt reicher. Es ist fast so, als wären Larry Marders surreale Beanworld-Comics zum Leben erwacht. Hier wie dort lebt eine Hand voll einfach gezeichneter Wesen in Symbiose mit einer wundersamen Welt, mit ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten und speziellen Fähigkeiten, die sich untereinander beeinflussen. Als dereinst die monströsen „Fnakker“ den Frieden bedrohten, wurden sie von den Wasser spuckenden „Blussers“ und den Steinen der Splenhakkers in eine tiefe Grube verbannt. Bei den heroischen Erzählungen der Aktion schwingt aber oft auch ein rassistischer Unterton mit, der zumindest Zweifel an der Legende weckt.

Im Zentrum der Geschichte steht allerdings ein kugelrunder „Wum“, der in der Gesellschaft aufwuchs, die sich nach den Konflikten gebildet hat und mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat. Er lebte in der größten Siedlung seiner Spezies. Da er im „Wumhouse“ mehrmals Eis verkleckert hat, fliegt er allerdings raus, muss sich nach einer neuen Bleibe umschauen und besucht auf seiner Reise Orte wie einen Freizeitpark, eine dicht bevölkerte Stadt oder den Dschungel, in dem wilde Blumenwesen hausen. Im Prinzip handelt es sich um ein klassisches Action-Adventure, mit vielen, vielen sammelbaren Objekten, welche einem in der offenen Welt neue Wege eröffnen – und mit zahlreichen Kämpfen gegen bildschirmfüllende Bosse. Gefechte gegen Kleinvieh wie Regenwürmer spielen hier kaum eine Rolle. Stattdessen verbringt man mehr Zeit damit, die Regeln der Gesellschaft zu erforschen und einer drohenden Gefahr auf die Spur zu kommen, die sich aber erst später offenbart. Lange Zeit über plätschert die Geschichte etwas zu seicht vor sich hin.

Harte Sitten

Ein anhänglicher dauerkrächzender Vogel dient gelegentlich als mobiler Hinweisgeber und lässt sich im Inventar verstauen.
Eine wichtige Spielmechanik ist das Sammeln und Kombinieren von Kultgegenständen, welche man meist von Gesprächspartnern erhält. Beruhigt man z.B. einen vor Angst zitternden Wum, der neben dem legendären Erdloch voller Fnakker wohnt, sieht er keinen Grund mehr darin, sich mit einem Helm zu schützen – und verschenkt ihn an den Protagonisten. Nach einigen Dialogen mit den impulsiven Waldbewohnern erahnt man, dass man den Helm und zwei weitere Objekte auf Altaren platzieren soll, damit sich auch hier die Erde auftut und man in eine Grube zu einem riesigen Boss plumpst. In diesem Moment machen sich leider die handwerklichen Probleme des Spiels bemerkbar. Ein Knackpunkt ist die etwas fummelige Steuerung und Bedienung des Inventars, die mehr schlecht als recht auf den Controller abgestimmt wurde. Immer wieder muss man umständlich in Untermenüs herumwühlen, um wichtige Waffen oder Gegenstände hervorzuholen. Währenddessen pausiert nicht einmal das Spiel, so dass man im Gefecht besorgniserregend schnell Energie verliert oder mehrmals „Hotkeys“ auf dem Steuerkreuz platzieren muss.

Zudem sind manche Interaktionspunkte unsauber gesetzt. Warum kann ich meine neue Wasserspritze nur an einem bestimmten, winzigen Punkt des Brunnens auffüllen? Auch potenzielle Gesprächspartner werden oft erst auf den zweiten Blick deutlich: Ich bin erst eine ganze Weile durch die Welt geirrt, bevor ich meinem Obermieter im Wumhaus einen zweiten Besuch abstattete - um verwundert festzustellen, dass ich ihn doch ansprechen kann. Ein durchaus wichtiges Detail, schließlich bekommt man von ihm die Bazooka-Waffe, welche neben kleinen Farbklecksen auch aufgeladene Farbbeutel auf Bosse schleudert. Die Obermotze fallen hier erfreulich groß aus, ihre Bekämpfung macht aber weniger Spaß als vermutet: Monstrositäten wie eine riesige Wollmaus auf dem Dachboden spulen meist nur eine Hand voll Angriffsmuster ab – unbeeindruckt von den Attacken des Spielers, bis sich irgendwann die Energieleiste geleert hat.

Multikulti und Boss-Probleme

Klappe zu, es zieht!
Bei einem riesigen Einsiedlerkrebs im Untergrund stört auch die etwas ungenaue Hilfe der Freundes-KI. Nachdem an sich mit den archaischen Blumenwesen angefreundet hat, schleudern zwei der Krieger den Helden mit Hilfe ihrer Fackeln in die Luft. So lässt sich der an der Decke krabbelnde Krebs mit den Projektilen erreichen. Leider lassen sich die Fackeln nicht immer präzise erwischen, so dass man oft wertvolle „Airtime“ verpasst oder im Gewusel am Boden die Übersicht verliert. Alles in allem besitzen die Bosskämpfe also keine besonders motivierende Dramaturgie – auf der Standard-Stufe der vier Schwierigkeitsgrade bieten sie aber immerhin noch eine angenehme Herausforderung.

Ein weiteres zentrales Spielelement ist das bereits erwähnte Anhäufen von Kultgegenständen und aufmotzbaren Gadgets. Begibt man sich zum Lehrmeister auf einer abgelegenen Insel, bringt der einem z.B. bei, wie sich die Wasserkanone durchs Flöten und die Kondensation der Luftfeuchtigkeit auffüllen lässt. Anderer Plunder lässt sich bei Händlern erwerben oder vergolden.

Reif für die Insel

Mancherorts tobt das Leben.
Bei einem davon handelt es sich sogar um den opportunistischen Dieb, der sich zu Beginn der Geschichte den Fernseher unseres Wums unter den Nagel gerissen hat. In Gesprächen zeigt er trotzdem weder Reue noch lässt er sich zu Rabatten breitschlagen. Sehr sympathisch. Für deutlich bessere Laune sorgen die schlicht, aber charmant gezeichneten Figuren. Der Bilderbuchstil war eine gute Wahl, denn so konnte das kleine Zwei-Mann-Team seiner kleinen offenen Welt erstaunlich viel Leben einhauchen. Beinahe schon magisch klingt der Soundtrack, der mit verspielten Piano-Melodien und ungewöhnlich Instrumentierungen die Entdeckungslust anfacht. Wir konnten übrigens keine Unterschiede zwischen den Konsolenfassungen ausmachen – getestet wurde auf der PS4 sowie der Xbox One X.

Fazit

Wuppos exotische Atmosphäre macht das Spiel zu einem ganz besonderen Action-Adventure. Mit einfachen Zeichenstrichen, zauberhaften Melodien und lebendig alltäglichen Dialogen schafft es der kleine Entwickler, eine erstaunlich glaubwürdige Welt voller faszinierender Regeln und Eigenheiten aufzubauen. Schade allerdings, dass handwerkliche Probleme den Spaß am Entdecken bremsen. Wenn die Bosskämpfe schon derart im Fokus stehen, hätte man ihnen eine deutlich bessere Dramaturgie spendieren müssen, zumal auch die umständliche Steuerung oder KI-Probleme dazwischenfunken. So habe ich mich meist widerwillig durch die riesigen Monster geackert – die meist stoisch ihre Routinen abarbeiten, statt auch mal auf den Spieler zu reagieren. Auch manche Rätsel haben mich aufgrund schlecht platzierter Interaktionspunkte auf die falsche Fährte geführt. Immer wenn es aber wieder ans Erkunden der wundersamen Welt und ihrer Mythen ging, konnte mich das Spiel wieder für sich gewinnen. Unterm Strich also ein faszinierender Ausflug, dessen Spielmechaniken es allerdings an Feinschliff mangelt.

Pro

  • faszinierend Erkundung einer fremdartigen Welt mit eigenen Naturgesetzen und Bewohnern
  • eigenwilliger Grafikstil macht neugierig
  • zauberhafte Melodien mit ungewöhnlicher Instrumentierung
  • liebenswert alltägliche, teils verschrobene Dialoge
  • sympathische Dialogrätsel

Kontra

  • Steuerung und Inventar oft umständlich oder hakelig
  • schlecht platzierte Interaktionspunkte stiften Verwirrung
  • Großteil der Bosskämpfe zu chaotisch und mit simpler Dramaturgie
  • Geschichte plätschert zunächst seicht vor sich hin

Wertung

PlayStation4

Wuppo entführt den Spieler in eine faszinierende Welt, die Entdeckung wird allerdings von handwerklichen und spielmechanischen Schwächen getrübt.

XboxOne

Wuppo entführt den Spieler in eine faszinierende Welt, die Entdeckung wird allerdings von handwerklichen und spielmechanischen Schwächen getrübt.