Far Cry 5 - Test, Shooter, XboxOne, PlayStation4Pro, PC, XboxOneX, PlayStation4
Ubisoft zeichnet ein düsteres Bild Amerikas: In Hope County, einem fiktiven Landstrich Montanas, haben religiöse Fanatiker, Waffennarren und "Doomsday Prepper" (Zivilisten, die sich auf den nahenden Weltuntergang vorbereiten) die Herrschaft übernommen. Unter der Leitung von "Vater" Joseph Seed, eines selbst ernannten Predigers, hat der christliche Kult "Return to Eden’s Gate" mit Hilfe von Drogen und purer Gewalt die Bevölkerung entweder zu hörigen Gläubigen bekehrt oder in den Widerstand gezwungen. Als ein Bundespolizist Joseph Seed mit Hilfe der lokalen Gesetzeshüter festnehmen möchte, darunter auch der Spieler als Nachwuchs-Sheriff, der von allen nur entsprechend "Rook" oder "Rookie" genannt wird, eskaliert die Situation. Einen Hubschrauber-Absturz später sind die wesentlichen Gesetzeshüter in der Gewalt der Seed-Familie. Nur der Spieler ist durch einen glücklichen Zufall nicht in den Händen der Fanatiker und macht sich seinerseits auf eine aussichtslos scheinende Rettungsmission.
Gebt alle Hoffnung auf
Im Kampf gegen die Vergangenheit
Agiert man seinerseits jedoch einigermaßen clever und ist entweder zielsicher im Umgang mit Fernwaffen oder hat sich einen Weg zurechtgelegt, um einen nach dem anderen hinterrücks auszuschalten, mitunter durch Stealth-Kombos, gibt es kaum ernsthafte Gegenwehr. Die KI reagiert nicht, wenn man sich in ihrem peripheren Sichtkegel bewegt, sondern nur, wenn man weitgehend frontal auf sie zu rauscht. Dann wiederum zeigt sie vollkommen unglaubwürdige Laufwege und wartet eigentlich nur darauf, sie von ihrem Leid zu erlösen. Auch Momente, in denen sie den Weg vorbei an Hindernissen standhaft verweigert oder am Steuer eines Fahrzeugs vollkommen unberechenbar durch die Landschaft oder den Himmel pflügt, gibt es mehr als genug. Und leider ist die Tierwelt auch nicht cleverer: Elche, die wild über Felder oder Straßen laufen. Pumas, die nicht nur Beutetiere angreifen, sondern auch vor einem Wolfsrudel oder einer Bärengruppe nicht halt machen. Truthähne, die getroffen vom Streufeuer, urplötzlich ihre instinktive Angst verlieren und angreifen.
Das Problem mit der Intelligenz
Starke Charaktere, schwache Erzählung
Und die mit ihnen verbundenen Hintergrundgeschichten bleiben ebenso oberflächlich wie das Missionsdesign. Zuletzt hat auch Assassin’s Creed Origins sich in einigen Missionen die Zeit genommen, um einen eigenen kleinen, aber dennoch mit der Hauptgeschichte verbundenen Erzählbogen zu ziehen. Und das gelingt Far Cry 5 nicht. Und davon ist die Spielerfigur nicht ausgenommen: Trotz intensiver Erlebnisse fehlt die emotionale Anbindung. Immerhin bekommt man über die Upgrades und die Personalisierung von Waffen, Fahrzeugen und der Figur (über Klamotten) zumindest eine inhaltliche Verbindung. Und sobald man die ersten von neun "Haupt"-Helfern für seine Mission begeistern und später zwei mitnehmen kann, damit sie einen unterstützen, bekommen die Ballereien eine interessante Dynamik. Denn auch drei Tiere (ein Puma, ein Hund, ein Bär) können mit von der Partie sein und mit ihren Instinkten und teilweise mächtigen natürlichen Waffen die Feinde dezimieren. Wer stattdessen lieber von einer Sniperin, Flugspezialisten, die mit Bombenteppichen usw. unterstützen oder einer Überlebensspezialistin begleitet werden möchte, hat dazu ebenfalls Gelegenheit. Schade dabei ist allerdings, dass die Kommunikation innerhalb der Gruppe eher spartanisch stattfindet - was insbesondere auch der Fall ist, wenn man noch einen der drei weiteren angeheuerten Miliz-Kämpfer dabei hat. Ich erwarte keine Zwiegespräche à la Tarantino oder wie bei den Filmen der Coen-Brüder. Auch Partyinteraktion im Stile der guten Bioware-Spiele ist nicht zwingend notwendig. Doch es könnte hier gerne etwas mehr und intensiver sein. Es gibt allerdings eine nennenswerte Ausnahme: Ist man mit Hurk und seiner Mom unterwegs, kann man sicher sein, dass die beiden auf die Aussagen des bzw. der anderen Bezug nehmen. Bei den anderen Konstellationen hingegen gibt es meist nur bedeutungslosen Smalltalk.
Der Shooter ist da
Der Fokus auf unkomplizierte und weitgehend gehaltlose Ballerei wird nirgends deutlicher wie in der “nahtlosen” Einbindung des Mehrspieler- bzw. des so genannten “Arcade”-Modus. Man kann zu zweit kooperativ den Kampf gegen die Seed-Sippe aufnehmen. Da dadurch zumindest ein Element der KI-Problematik beseitigt wird und man zudem noch miteinander quatschen kann, wertet der Koop das ansonsten durchweg solide Solospielerlebnis, das allerdings auch keinerlei Überraschungen bietet auf, leicht auf. Zusätzlich darf man nicht nur über das Hauptmenü, sondern auch über Poster (!) sowie Arcade-Automaten den Modus “Far Cry Arcade” starten. Dahinter verbirgt sich ein inhaltlich zwar losgelöster, aber verbundener Kartenbrowser sowie der Editor. Letzterer präsentiert sich als potentes sowie recht einfach zu bedienendes Werkzeug, um eigene Level zu erstellen, sie zu bevölkern und mit Siegbedingungen bzw. Vorgaben zu versehen.
Der Spaß liegt auch woanders
Hier findet man Karten für allseits bekannte Mehrspieler-Modi wie Deathmatch, aber auch solo oder kooperativ spielbare Karten, bei denen man z.B. den Gegnern entkommen, neue Außenposten-Befreiungen durchführen oder einfach nur X Feinde erledigen muss. Natürlich ist die Qualität des Spielerelebnisses stark abhängig von der Zeit und dem Ideenreichtum, den die kreativen Kartenbastler investiert haben. Doch nicht zuletzt hat Trials Fusion bei Ubi gezeigt, was fantasievolle Spieler aus der Community erschaffen können. Und schon jetzt, kurz nach dem Start, gibt es in nahezu allen Modi nicht nur gelungene Karten von Ubi, sondern auch anderen Kreativköpfen. Und wenn man nicht den Zufallsmodus und sich überraschen lassen möchte, sollte sich die Bewertungen anderer Spieler für die jeweilige Karte anschauen. Doch egal für was man sich entscheidet, wird man mit den hier als Folge von Abschüssen und erfolgreicher Kartenbewältigung ausgeschütteten Spielerstufen auch im Hauptspiel belohnt: Das Geld, das man hier gewinnt, darf man ebenso in der Kampagne verwenden wie die Perk-Punkte. Ungeachtet dessen hatte ich aber in Far Cry Arcade unerwartet viel Spaß - mitunter sogar mehr als in der Story.
Für eine Hand voll Silber-Dollar?
Alternativ kann man einiges Angebotene auch für Silberbarren kaufen. Die findet man in vergleichsweise kleinen Mengen auch in befreiten Außenposten, kann sie aber auch für Echtgeld erstehen. Die Preisspanne reicht dabei von 4,99 Euro für 500 bis hin zu 34,99 Euro für 4550 Barren. Der Gegenwert von 100 Silberbarren beträgt in den Stores 1800 Dollar, sprich: für das billigste Paket bekommt man quasi 9000 Dollar. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass nur Waren mit besonderen Lackierungen, spezielle T-Shirts etc. im “dualen” System erworben werden können. Standardwaffen, -Fahrzeuge usw. und deren Umbauten lassen sich also zu weiten Teilen nur über die Spielwährung “Dollar” erstehen. Echtgeld-Transaktionen greifen erst bei kosmetischen Veränderungen, die zum Boost des eigenen Egos oder zum Angeben in Mehrspieler- bzw. Koop-Partien im Arcade-Modus nützlich sind, aber ansonsten keine Unterstützung oder Erleichterung für den Spielfortschritt mit sich bringen.
Fazit
Schafft es Ubisoft nach den Fortschritten bei Watch Dogs und Assassin’s Creed, auch die Far-Cry-Serie aufzuwerten? Oder hat man ähnlich wie bei Ghost Recon Wildlands eher “unglückliche” Design-Entscheidungen getroffen? Obwohl man unter dem Strich besser dasteht als beim Ausflug der Elite-Soldaten nach Bolivien, ist die Modernisierung nicht gelungen. Einerseits hat man das Spiel positiv entschlackt, während das Entdecken neuer Aufgaben tatsächlich harmonisch in den Spielverlauf integriert wurde und auf Sperenzchen wie Turmklettereien verzichtet wird - außer, um selbstironisch mit der Serienhistorie ins Gericht zu gehen. Doch abseits der Story-Missionen rund um den Sektenwahn, der teilweise richtig gut inszeniert wurde, konnten nur die kreativen Rätsel rund um das Erreichen der “Prepper”-Verstecke überzeugen. Der Rest der Aufgaben ist entweder aus den Vorgängern oder Spielen wie Wildlands bzw. der Just-Cause-Serie bekannt und sorgt aufgrund der Redundanz lediglich für solide Unterhaltung. Es gibt einige erzählerische Defizite, nur eindimensional ausgearbeitete Charaktere, aber dank der weiterhin gelungenen Arcade-Schussmechanik sorgt der Aufenthalt in Hope County für primitiven sowie explosiven Spaß. Dass der nicht in gute Regionen vorrücken kann, liegt vor allem an der schlechten KI. Die meiste Zeit schlägt man die Hände über dem Kopf angesichts der Irrwege und geistigen Umnachtungen der Gegner zusammen - so kann man hunderte Sektenmitglieder recht simpel erledigen. Immerhin sorgt der Arcade-Modus mit seinem potenten Editor und dem schon jetzt passablen Nachschub an Karten für unerwartetes Vergnügen - wobei hier natürlich die KI-Defizite auch ein herber Schlag ins Kontor sind und den Spaß mindern. Obwohl Far Cry 5 in einigen Bereichen auf dem richtigen Weg ist, stagniert es also in anderen wichtigen Punkten. So erreicht es nicht die Qualität, die Ubisoft mit den gelungen Fortsetzungen seiner anderen Serien im alten Ägypten oder modernen San Francisco demonstriert hat.
Zweites Fazit von Eike Cramer:
In seinem primitiven Arcade-Kern macht mir Far Cry 5, genau wie sein Vorgänger von 2014, richtig Spaß. Gehirnamputierte Sekten-Anhänger vor hübscher Kulisse im Dutzend wegzurotzen, erfreut mein Shooter-Herz mit Hang zur stumpfen Ballerei. Doch trotz des guten Waffengefühls und der explosiven Action, nerven die immer wieder erscheinenden Gegnerwellen, die stupiden Kameraden mit dem Kampfverhalten eines lobotomierten Schimpansen und die zumindest auf der PS4 immer wieder auftauchenden Logik-Bugs in den Missionen. Zudem lässt Ubisoft erzählerisch zu viel liegen: Die Antagonisten sind flache Böse-Buben-Abziehbilder und die Begleiter sowie Auftraggeber bleiben blass – auch wenn das Zusammentreffen mit der Seed-Familie cool inszeniert wird. Allerdings wird aus dem spannenden Szenario „Weltuntergangssekte startet heiligen Bürgerkrieg“ viel zu wenig gemacht! Sobald ein sozialer Kommentar in Nebensätzen aufblitzt, wird dieser durch Explosionen, Bären-Angriffe oder Baseballschläger-Takedowns weggewischt. Trotz allem serviert Far Cry 5 solide Action in wunderschöner Kulisse. Und damit ist es immerhin besser als das unsägliche Primal.
Pro
- ansehnliche Spielwelt...
- überzeugende Arcade-Schussmechanik
- natürlich wirkender Fortschritt bei der Entdeckung neuer Missionen
- umfangreiches Waffensortiment mit spürbaren Unterschieden
- sehr gute deutsche Sprachausgabe
- stimmungsvolle, häufig dynamische Musikuntermalung
- prinzipiell interessante Story mit polarisierenden Figuren
- Kampfkameraden mitsamt rudimentärem Befehlssystem
- Kampagne kooperativ spielbar
- ordentliche Fahrzeug-Steuerung
- kreative Rätsel bei den "Prepper"-Geheimverstecken
- auch Tiere als Begleiter möglich
- gelungener Editor/Online-Modus "Far Cry Arcade"
Kontra
- ... die nur bei Flugsequenzen leichte technische Mankos zeigt (Pop-ups)
- über weite Strecken höchst fragwürdige, häufig lächerliche KI
- Spielwelt kaum belebt (wenn, dann meist unglaubwürdig)
- viele Nebenfiguren nicht ausgearbeitet und schnell bedeutungslos
- Geschichte verläuft sich immer wieder in Belanglosigkeiten
- Nebenmissionen meist mit nur schwacher erzählerischer Anbindung
- bereits kurzfristig zu wenig Abwechslung bei den meisten Missionen
- Qualität der Arcade-Maps stark von der Kreativität der Ersteller abhängig
- mitunter schwaches Treffer-Feedback
- replizierbare Bugs, z.B. nicht aktivierte Missions-Trigger (PS4)
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Waren mit besonderen Lackierungen, spezielle T-Shirts etc. können sowohl für Dollar (Spiel-Währung) als auch Silberbarren (Echtgeld) gekauft werden, die es in geringem Umfang auch als Belohnung gibt..
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
- Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
- Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.