Gravel - Test, Rennspiel, PlayStation4Pro, PC, XboxOne, PlayStation4, XboxOneX

Gravel
02.03.2018, Michael Krosta

Test: Gravel

Ein neuer Offroad-Champion?

Nach zuletzt zahlreichen Motorrad-Ausflügen von MXGP über Supercross bis zur Moto GP widmet sich Milestone jetzt wieder Geschossen auf vier Rädern. Da sich die WRC-Lizenz mittlerweile nicht mehr in den Händen des Studios befindet, hat man mit Gravel (ab 7,05€ bei kaufen) eine eigene Marke aus dem Boden gestampft, um die Welt der Offroad-Rennen in Form einer fiktiven TV-Show zu zelebrieren. Wir sind für den Test über Stock und Stein gebrettert...

Die Suche nach dem neuen Offroad-Meister erstreckt sich in der Karriere über zahlreiche Veranstaltungen, die von Rennen über recht lange A-B-Kurse durch die Wildnis über Duelle in Stadien bis hin zu engen Positionsduellen bei einer RallyCross-Variante reichen. Dabei sorgen nicht nur Abstecher an Schauplätze wie Alaska oder Namibia sowie diverse Event-Locations in Las Vegas oder Los Angeles für landschaftliche Abwechslung. Auch die Spielmodi bieten mit ihrer Auswahl an klassischen Rennen, Zeitfahren sowie Ausscheidungs-Wettbewerben genügend Variation. Hinzu kommen die vier großen Disziplinen Wild Rush, Cross Country, Speed Cross und Stadium Circuit, deren amtierende Champions man auf dem Weg zum Offroad-Thron ebenfalls noch in einer Serie von Eins-gegen-Eins-Duellen aus dem Weg räumen muss. Entsprechend präsentiert sich auch der Fuhrpark trotz der überschaubaren Menge an Boliden recht vielfältig: Klassische Rallye-Karossen wie der Subaru Impreza oder Toyota Celica finden sich genauso in der Auswahl wie kleine Flitzer, darunter der Mini Countryman RX, Abarth 131 oder die Rallye-Variante des VW Beetle. Nicht zu vergessen die schweren Kaliber, die mit Modellen wie dem BMW X3CC, dem Ford

Rasen am Strand? Kein Problem!
F-150 SVT Raptor oder dem kultigen Hummer ebenfalls vertreten sind. Genau wie die meisten Strecken muss man auch einen Großteil des Fuhrparks sowie alternative Lackierungen erst mühsam freischalten. Einen Teil der bereits gelisteten Fahrzeuge erhält man sogar nur über den Kauf eines bereits erhältlichen DLC-Pakets.

Abwechslungsreiches Aufgebot

Überraschenderweise lassen sich am Setup der Fahrzeuge erstaunlich viele Einstellungen vornehmen, die man eher mit Simulationen in Verbindung bringt: Nicht nur Aufhängung, Stoßdämpfer und Stabilisatoren lassen sich mit Hilfe eines Schiebereglers relativ fein anpassen. Auch das Schrauben am Getriebe, Vorder- und Zentraldifferenzial sowie den Bremsen ist möglich. Selbst persönliche Präferenzen für Radsturz und Spurwinkel liegen in den Händen des Spielers. Dabei lassen sich bis zu 200 individuelle Setups abspeichern. Hinzu kommt die Auwahl an üblichen Fahrhilfen, die von einer automatischen Bremsunterstützung über Traktions- und Stabilitätskontrolle bis hin zur visualisierten Ideallinie reichen.

Arcade oder Simulation?

Die Setup-Optionen sind überraschend vielfältig.
Diese Einstellungsvielfalt verwundert deshalb, weil die Fahrphysik in Gravel auch ohne zugeschaltete Hilfen noch viel verzeiht und primär auf ein solides Arcade-Erlebnis zugeschnitten ist, das sich auch in der recht ruppigen KI mit ihren leichten Tendenzen zum Gummiband und dem typischen Punktesystem für Manöver wie Drifts, hohes Tempo oder Sprünge widerspiegelt. Zwar lässt sich teilweise ein guter Vorsprung herausfahren, doch liegt man hinten, holt man den Abstand überraschend schnell wieder auf. Bei Simulationen ist ein solches KI-Verhalten ein absolutes Ausschlusskriterium, aber hier geht es angesichts der Arcade-Ausrichtung durchaus in Ordnung, zumal es nicht zu offensichtlich in Erscheinung tritt. Neben der Setup-Vielfalt überrascht Gravel außerdem mit einem vollen Schadensmodell. Doch auch hier wird schnell klar, dass es eigentlich ziemlich überflüssig ist und ebenfalls nicht viel mit einer echten Simulation zu tun hat: Man muss sich schon extrem anstrengen und sollte dabei die Augen vor der mitunter sehr seltsamen Kollisionsabfrage verschließen, bis sich die Unfälle negativ auf die Motorleistung oder die Lenkung auswirken. Da man Fahrfehler außerdem mit der optionalen Rückspulfunktion ungeschehen machen kann und die Darstellung der Schäden auch visuell zu wünschen übrig lässt, hätte man sich das alles auch komplett sparen können.

Das gilt übrigens auch für die Spielmodi-Variante „Smash-Up“, auf die man hin und wieder im Rahmen der Karriere trifft. Dabei handelt es sich um eine Art Slalom, bei dem man einer per Zufall bestimmten Streckenführung folgen muss. Wie bei Mario Kart erscheinen Blöcke nebeneinander auf der Strecke, die als Checkpunkt fungieren und entweder ein rotes Kreuz oder einen grünen Pfeil anzeigen. Ziel ist es, mindestens einen der grünen Pfeile bei der Durchfahrt zu erwischen, während eine Berührung eines Kreuz-Blocks die Geschwindigkeit massiv drosselt. Da die Symbole erst kurz vor der Ankunft per Zufall ausgelost und angezeigt werden, muss man sich immer wieder neu darauf einstellen und entsprechend reagieren. In der Therorie klingt das Konzept durchaus interessant, doch in der Praxis ist es schlichtweg furchtbar: Im Kampf gegen die Uhr hängt in diesem Modus einfach zu viel vom Zufall ab und man muss teilweise eine extrem umständliche Rennlinie fahren, die keinen Sinn ergibt und den Fahrrhythmus massiv stört. Nein, das macht keinen Spaß! Aber zum Glück muss man nicht für alle Veranstaltungen innerhalb der Karriere die maximale Anzahl an Sternen einsammeln, um Zugang zu neuen Wettbewerben zu bekommen.

Ein Modus für die Tonne

Die Fahrzeugmodelle wurden erschrecken schwach modelliert.
Abgesehen von den Smash-Up-Events gefällt mir die Aufmachung der Off-Road Masters im Stil einer TV-Show aber eigentlich ganz gut, zumal die einzelnen Episoden von einem ordentlichen Sprecher passend kommentiert werden, auch wenn sich seine Ausführungen schon nach ein paar Rennen häufig wiederholen. Störend ist zudem der schwankende Schwierigkeitsgrad innerhalb der Kampagne: Während man die häufig wehr- und ideenlose KI auf der Standard-Stufe schnell im Griff hat und Siege einfährt, erscheinen die Siegbedingungen bei Zeitfahr-Veranstaltungen vergleichsweise hoch und mitunter sogar unerreichbar, wenn man ohne Fahrhilfen unterwegs ist. Zwar kassiert man für das Rasen ohne Traktionskontrolle & Co höhere Boni bei den Preisgeldern, aber die Balance lässt trotzdem teilweise zu wünschen übrig.

Das Schadensmodell lässt mechanisch und visuell zu wünschen übrig.
Abseits der Karriere werden noch Zeitfahren und Einzelrennen geboten, bei denen man neben Rundenanzahl & Co auch die vier möglichen Tageszeiten und die drei verfügbaren Witterungsbedingungen (trocken, Regen, nass) den eigenen Wünschen entsprechend anpassen darf. Für Mehrspieler-Duelle bleibt mangels einer Splitscreen-Option nur der Gang zum sehr rudimentär gestrickten Onlinemodus, in dem bis zu acht Teilnehmer in Einzelrennen antreten und die Strecken per Abstimmung entscheiden. Schön: Das Feld lässt sich mit KI-Piloten auffüllen, falls man nicht genügend Fahrer zusammen bekommt. Noch schöner: In unseren Testfahrten liefen die Rennen sauber und ohne spürbare Lags ab, allerdings waren meist auch nicht mehr als vier Spieler am Start. Dabei muss man sich entweder notgedrungen auf das automatische Matchmaking verlassen oder eröffnet selbst eine Lobby – einen Server-Browser gibt es nicht.



Bei Wind und Wetter

Trotz des Umstiegs auf die Unreal-Engine hat auch Gravel wieder das alte Milestone-Problem: Technisch präsentiert sich der Titel nicht zeitgemäß! Das gilt nicht mal unbedingt für die Bildrate von 30fps, die bei einem Arcade-Rennspiel durchaus vertretbar sind, auch wenn mindestens 60 Bilder pro Sekunde beim Rasen immer wünschenswert sind. Doch so lange eine flüssige Darstellung gewährleistet wird, sind auch 30fps okay. Die Hardware der PS4 Pro packt diese Anforderung, doch kaum zu glauben aber wahr: Auf der Xbox One X hat Gravel selbst nach dem jüngsten Patch stellenweise mit leichten Einbrüchen der Bildrate zu kämpfen, die es so auf der Sony-Konsole nicht zu sehen gibt.

Technik von gestern

Das ist nicht nur aufgrund der deutlich stärkeren Hardware bitter, sondern auch angesichts der durchschnittlichen Kulisse, die qualitativ eher an Rennspiele der vergangenen Konsolengeneration erinnert und teilweise sogar gegen Motorstorm & Co verblasst. Wirklich schlimm sind aber die erschreckend detailarmen Wagenmodelle geraten. Das gilt nicht nur für die Karosserie, die offenbar nur aus wenigen Polygonen und platten Texturen besteht. Auch die Cockpits wirken billig und verfügen nicht einmal über funktionierende Innen- und Außenspiegel. Selbst virtuelle Spiegel für andere Perspektiven werden

Die Cockpits wurden ähnlich lieblos gestaltet wie die Wagenmodelle.
nicht geboten, so dass man sich notgedrungen auf die Positionsanzeiger oder den manuellen Blick nach hinten verlassen muss. Genauso wie die Fahrzeuge aussehen, so klingen sie auch: schwachbrüstig und enttäuschend. Immerhin darf man sie neben dem Controller auch mit einem Lenkrad über die Pisten dirigieren. Zwar ist die Unterstützung der Peripherie für einen Arcade-Racer durchaus löblich und nicht selbstverständlich, aber aufgrund des enttäuschenden Force Feedbacks ist das Nutzen der Peripherie hier nicht unbedingt ein Gewinn für das ohnehin nur solide Fahrgefühl.

Fazit

Ganz so schlimm wie nach den ersten Vorschau-Eindrücken ist es dann zum Glück doch nicht geworden: Mit Gravel liefert Milestone ein durchweg solides Arcade-Rennspiel mit einem Fokus auf holprige Offroad-Duelle ab – nicht mehr und nicht weniger. Trotz Umstieg auf die Unreal Engine leidet aber auch das jüngste Rennspiel der Italiener am alten Problem: Grafisch präsentiert sich Gravel nicht zeitgemäß und erinnert eher an Genre-Kollegen aus der vergangenen Konsolengeneration. Die Anzahl der Schauplätze ist zwar ähnlich übersichtlich wie der Fuhrpark mit seinen lizenzierten und erschreckend detailarm modellierten Boliden, doch sorgen die verschiedenen Veranstaltungen in Kombination mit rotierenden Spielmodi und unterschiedlichen Fahrzeugklassen trotzdem für genügend Abwechslung innerhalb der ordentlich aufgemachten Karriere. Nur der teilweise enorm schwankende Schwierigkeitsgrad stört, den man vor allem beim Fahren ohne die optionalen Hilfen zu spüren bekommt. Dabei hätte man auf die Pseudo-Simulations-Elemente bei der Fahrphysik, das überraschend detaillierte Setup oder das vollwertige Schadensmodell auch komplett verzichten können. Gravel ist und bleibt in erster Linie ein unkomplizierter Spaß-Raser in Offroad-Gefilden, der manchmal nur so tut, als wäre er auch eine Simulation.

Pro

  • solide Arcade-Fahrphysik
  • lizenzierter Fuhrpark
  • vier Veranstaltungstypen
  • nettes Karriere-Konzept als TV-Show
  • Einstellungsmöglichkeiten an Fahrzeugen (Setup)...
  • optionale Fahrhilfen
  • optionales Schadensmodell...
  • optionale Rückspulfunktion
  • Punktesystem belohnt fehlerfreies und stylisches Fahren
  • verschiedene Witterungsbedigungen
  • ordentlicher Sprecher
  • überwiegend lagfreie Online-Rennen
  • Lenkrad-Unterstützung

Kontra

  • detailarme Fahrzeugmodelle
  • stark schwankender Schwierigkeitsgrad innerhalb der Karriere
  • rempelfreudige KI mit Gummiband-Tendenzen
  • mitunter seltsame Kollisionsabfrage
  • ...die man eigentlich nicht benötigt
  • schwachbrüstige Motorensounds
  • ...das sich visuell und mechanisch kaum auswirkt
  • Cockpitperspektive meist unbrauchbar
  • sehr rudimentärer Online-Modus
  • Smash-Modus hängt zu sehr vom Zufall ab und beeinflusst dadurch die Rennlinie
  • nur durchschnittliche Kulisse
  • relativ wenige Schauplätze
  • mäßig modellierte Cockpits ohne funktionierende Innen
  • und Außenspiegel
  • keine eigenen Meisterschaften möglich
  • leichte Bildratenprobleme (One X)
  • einige Pop-ups und Fade-ins von Objekten
  • enttäuschendes Force Feedback
  • keine Rennen am geteilten Bildschirm

Wertung

XboxOne

Kaum zu glauben, aber wahr: Auf der Xbox One X hat Gravel mit leichten Problemen bei der Bildrate zu kämpfen und muss sich trotz angeblicher Optimierung technisch hinter der PS4 Pro einordnen.

PlayStation4

Mit Gravel liefert Milestone ein ordentliches Arcade-Rennspiel ab, das Vorbildern wie DiRT 4, DriveClub oder Forza Horizon nicht das Wasser reichen kann.

Echtgeldtransaktionen

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  • Porsche DLC bereits erhältlich
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.