TT Isle of Man - Test, Rennspiel, PC, PlayStation4Pro, Switch, PlayStation4, XboxOne

TT Isle of Man
20.03.2018, Michael Krosta

Test: TT Isle of Man

Mutprobe auf zwei Rädern

Was für Autonarren ein Ausflug auf die Nordschleife des Nürburgrings bedeutet, ist für Biker die Reise zur TT Isle of Man (ab 12,85€ bei kaufen): Eine Fahrt für Adrenalin-Junkies auf einer der gefährlichsten und anspruchsvollsten Rennstrecken der Welt! Big Ben Interactive und Kylotonn haben der Veranstaltung auf der britischen Insel jetzt ein eigenes Spiel gewidmet. Lohnt es sich, auf den Sattel zu steigen?

Eine Runde auf dem Snaefell Mountain Course bedeuten höchste Anspannung, wenn man im Tunnelblick mit mehr als 300 Sachen über lange Geraden brettert, rechtzeitig für die mitunter haarigen und engen Kurven abbremst oder durch kleine Dörfer hindurch direkt an den Zuschauern am Straßenrand vorbei rauscht. Seit 1907 stellen sich wagemutige und wahnsinnige Motorradfahrer der Herausforderung, die 60,725 Kilometer lange Strecke zu meistern – und zu überleben. Denn fast jedes Jahr kommt es hier zu tödlichen Unfällen und seit 1911 hat die Isle of Man Tourist Trophy schon mehr als 250 Opfer gefordert.

Tödliche Zweirad-Hölle

Wenn ich mich auf den virtuellen Sattel schwinge, wird mir schnell klar, warum das so ist. Selbst die ersten Gehversuche auf einem Supersport-Modell mit dynamisch angezeigter Ideallinie wurden trotz der leichten Unterstützung von Fahrhilfen wie ABS, Traktionskontrolle, Anti-Wheelie und kombinierten Bremsen immer wieder von Stürzen begleitet. Schon das Einprägen

In der Cockpitansicht wird der Geschwindigkeitsrausch noch intensiver.
der Streckenführung ist eine Herausforderung. Bis man aber wirklich ans Limit gehen kann und jede Kurve verinnerlicht hat, sind viele, viele, viele Übungsrunden nötig.

Die anspruchsvolle Fahrphysik ist ein weiterer Grund dafür, dass man sich dieses Rennerlebnis hart erarbeiten muss. Es fällt zu Beginn selbst mit Hilfen enorm schwer, die PS-starken und lizenzierten Maschinen von Herstellern wie BMW, Kawasaki, Honda oder Yamaha unter Kontrolle zu halten. Etwas zu schnell in die Kurve gefahren? Sturz! Ein kurzes Ausflug abseits der Strecke? Sturz! Eine Absperrung gestreift? Sturz! Teilweise reagiert die Fahrphysik für meinen Geschmack sogar etwas zu empfindlich, da man selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten das Motorrad kaum noch unter Kontrolle halten oder noch rechtzeitig abfangen kann, wenn man nur leicht von der Strecke abkommt oder mit Begrenzungen kollidiert. Selbst bei einem asphaltierten Seitenstreifen verabschiedet sich die Bodenhaftung nahezu komplett. Auch die Kollisionsabfrage und die Physik bei Unfällen ist teilweise jenseits von Gut und Böse, sorgt mit den fragwürdigen Abflügen von Pilot und Zweirad aber immerhin für so manchen Lacher.

Keine Fehler erlaubt

Eine Reihe von Fahrhilfen steht in mehreren Abstufungen zur Wahl.
Ärgerlich dagegen, wenn man aufgrund der rabiaten KI den Asphalt küsst. Es passiert leider recht häufig, dass die Konkurrenten nicht auf Bremsmanöver des Spielers reagieren und ihm gnadenlos ins Heck rauschen. Während sie nach dem Abschuss meist unbehelligt weiterfahren können, ist der Spieler in der Regel der einzige Leidtragende solcher Kamikaze-Aktionen. Immerhin kann man sich damit trösten, dass die KI-Piloten auch mal Mist bauen und einen Gang zurückschalten, wenn man hinten liegt. So hat man relativ schnell wieder Anschluss ans Feld und kann sich an der Spitze sogar von den Verfolgern absetzen, da die Gummibandtendenzen offenbar nur dann greifen, wenn man sich wieder nach vorne kämpfen muss.

Hat man sich an die anspruchsvolle Steuerung sowie den feinfühligen Umgang mit Gas und Bremse gewöhnt, entfaltet sich aber ein Fahrspaß, der in mancher Hinsicht nicht nur bei den Motorrad-Rennspielen von Milestone mithalten, sondern diese sogar übertreffen kann. Zumal hier das Geschwindigkeitsgefühl trotz einer Darstellung von nur 30 Bildern pro Sekunde (Konsolen) hervorragend  eingefangen wird. Irgendwann ist der Punkt erreicht, in dem man in einen gewissen Flow kommt, die fiese Unebenheiten auf der Strecke verinnerlicht hat und sich endlich enge Positionsduelle mit anderen Fahrern liefert, auch wenn das Starterfeld mit gerade mal sieben Piloten ziemlich dünn gesät ist.

Zu wenig Inhalte

Dünn sind leider auch die Inhalte: Zwar hat Kylotonn neben dem Snaefell Mountain Course auch noch eine gute Hand voll fiktive Pisten gebastelt, doch bieten sie innerhalb der dröge präsentierten Karriere voller langweiliger Veranstaltungen zu wenig Abwechslung und wiederholen sich entsprechend schnell. Und ob es wirklich eine gute Idee ist, den Spieler bei manchen Events gleich drei Mal hintereinander auf die gleiche Strecke zu schicken? Da sind die Gähnanfälle schon vorprogrammiert! Der rudimentäre Wirtschaftsfaktor mit Startgebühren und Preisgeldern spielt ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Teilweise lässt er sich sogar austricksen: Wer Motorräder zum Angebotspreis einkauft, kann sie umgehend wieder zum regulären Preis verhökern und sich im Handumdrehen ein nettes Bonus-Sümmchen verdienen. Das Geld wird primär in die Anschaffung neuer Maschinen investiert, wobei die Auswahl aufgrund der Beschränkung auf die Kategorien Supersport und Superbikes nicht besonders üppig ausfällt. Immerhin hören sich die Aggregate ordentlich an und

An Stürze muss man sich vor allem in der Anfangsphase gewöhnen.
auch die zunehmenden Windgeräusche begleiten den Geschwindigkeitsrausch passend. Aber was man sich bei den lächerlichen und immer gleichen Soundeffekten bei Stürzen und Kollisionen gedacht hat, ist mir ein Rätsel.

Im Gegensatz zu Ride 2 spielt auch Tuning keine Rolle. Nicht einmal Setup-Einstellungen sind erlaubt. Wechselnde Witterungsbedingungen sucht man hier ebenfalls vergeblich, denn sowohl bei normalen Rennen als auch beim Zeitfahren geht es immer unter idealen Voraussetzungen auf den Asphalt. Lediglich die Tageszeiten ändern sich in drei Stufen. Reifenverschleiß oder Benzinverbrauch? Auch darum muss man sich keine Gedanken machen, was zusammen mit dem fehlenden Schadensmodell den Simulationsanspruch hinter dem Spiel spürbar mindert. Auch visuelle Gimmicks hinsichtlich der Fahrerausrüstung oder die individuelle Gestaltung der Motorräder sind hier nicht möglich. 

Kein Wetter, kein Tuning, keine Einstellungen

Die KI agiert manchmal ziemlich rabiat.
Neben schnellen Einzelrennen, Zeitfahren mit Online-Rangliste und der Karriere darf man sich außerdem in Mehrspieler-Duellen messen. In Veranstaltungen über das PSN muss man sich leider mit dem automatischen Matchmaking begnügen – einen Server-Browser gibt es hier nicht. Ärgerlich: Im Rahmen unserer Testversuche waren Online-Partien häufig entweder nicht länger verfügbar oder voll. Alternativ setzt man eine eigene private oder öffentliche Lobby für bis zu acht Teilnehmer auf. Dabei war die Performance weitgehend in Ordnung und es gab kaum störende Lags. Entscheidet man sich für den TT-Ansatz, wird das Feld durch die Abstände zwischen den einzelnen Starts ohnehin entzerrt. Allerdings war die generelle Darstellung während der Online-Rennen nicht mehr so flüssig wie bei den Solo-Ausflügen: Die Bildrate war gerade auf dem XXL-Kurs häufig am Limit und hatte teilweise sogar mit leichtem Schluckauf zu kämpfen. Schön ist, dass auch eine lokale Offline-Option angeboten wird: Zwar gibt es keine direkten Auseinandersetzungen am geteilten Bildschirm, doch dürfen immerhin bis zu acht Piloten in einem Zeitfahren nacheinander um die Bestzeit kämpfen. Genau wie in den Solo-Modi vermisst man allerdings auch in den Mehrspieler-Partien oft Angaben zu den Abständen zwischen den einzelnen Fahrern oder Zwischenzeiten.

Fazit

Der kultige Snaefell Mountain Course steht ganz klar im Fokus von TT Isle of Man! Und für Zweirad-Fans, die schon immer von einem virtuellen Raser-Abstecher auf die britische Insel geträumt haben, dürfte die akkurate Nachbildung der 60 Kilometer langen Strecke schon als Kaufgrund genügen, zumal auch das Geschwindigkeitsgefühl klasse eingefangen wird und selbst die Fahrphysik im Großen und Ganzen überzeugt. Allerdings muss man sich darüber klar sein, dass die empfindliche und anspruchsvolle Steuerung eine gewisse Einarbeitungszeit erfordert, bis sich endlich ein Flow und Fahrspaß am Lenker einstellen. Klare Abstriche muss man dagegen bei fehlenden Faktoren wie Wetter, Tuning und Setup-Einstellungen in Kauf nehmen. Die dröge Karriere ist zusammen mit den neun fiktiven Kursen ebenfalls nicht mehr als schmuckloses Beiwerk und wer sich Positionskämpfe in einem großes Starterfeld oder viel freischaltbaren Sammelkram für die Fahrerausrüstung erhofft, sollte sich ebenfalls woanders umsehen - also bei Milestone. Es geht vor allem darum, diese Hammer-Strecke mit all ihren Tücken, Herausforderungen und dem wahnsinnigen Geschwindigkeitsrausch einzufangen und zu erleben, ohne dabei das eigene Leben zu riskieren oder Todesängste ausstehen zu müssen. Und zumindest diesem Anspruch wird TT Isle of Man trotz des mageren Inhalts durchaus überzeugend gerecht.   

Pro

  • originalgetreue Umsetzung der Isle of Man TT
  • lizenzierte Fahrer und Motorräder
  • sehr gutes Geschwindigkeitsgefühl
  • (optionale) Fahrhilfen
  • ordentliche Motorenklänge
  • lokaler Mehrspielermodus (Zeitfahren nacheinander)

Kontra

  • wenig Strecken
  • keine Setup-Möglichkeiten
  • magere (und repetitive) Soundeffekte (z.B. Kollisionen)
  • keine wechselnden Witterungsbedingungen
  • dröge Karriere
  • sehr rudimentärer Onlinemodus
  • KI neigt zum Gummiband und Abschussmentalitäten
  • fragwürdige Kollisionsabfrage
  • mitunter grenzwertige Bildrate in Online-Rennen

Wertung

PlayStation4

TT Isle of Man ist ein überzeugender Ausflug auf eine der härtesten und gefährlichsten Motorrad-Rennstrecken der Welt. Leider mangelt es an Inhalten und einer motivierenden Karriere.