TT Isle of Man - Test, Rennspiel, PC, PlayStation4Pro, Switch, PlayStation4, XboxOne
Eine Runde auf dem Snaefell Mountain Course bedeuten höchste Anspannung, wenn man im Tunnelblick mit mehr als 300 Sachen über lange Geraden brettert, rechtzeitig für die mitunter haarigen und engen Kurven abbremst oder durch kleine Dörfer hindurch direkt an den Zuschauern am Straßenrand vorbei rauscht. Seit 1907 stellen sich wagemutige und wahnsinnige Motorradfahrer der Herausforderung, die 60,725 Kilometer lange Strecke zu meistern – und zu überleben. Denn fast jedes Jahr kommt es hier zu tödlichen Unfällen und seit 1911 hat die Isle of Man Tourist Trophy schon mehr als 250 Opfer gefordert.
Tödliche Zweirad-Hölle
Wenn ich mich auf den virtuellen Sattel schwinge, wird mir schnell klar, warum das so ist. Selbst die ersten Gehversuche auf einem Supersport-Modell mit dynamisch angezeigter Ideallinie wurden trotz der leichten Unterstützung von Fahrhilfen wie ABS, Traktionskontrolle, Anti-Wheelie und kombinierten Bremsen immer wieder von Stürzen begleitet. Schon das Einprägen
der Streckenführung ist eine Herausforderung. Bis man aber wirklich ans Limit gehen kann und jede Kurve verinnerlicht hat, sind viele, viele, viele Übungsrunden nötig.Die anspruchsvolle Fahrphysik ist ein weiterer Grund dafür, dass man sich dieses Rennerlebnis hart erarbeiten muss. Es fällt zu Beginn selbst mit Hilfen enorm schwer, die PS-starken und lizenzierten Maschinen von Herstellern wie BMW, Kawasaki, Honda oder Yamaha unter Kontrolle zu halten. Etwas zu schnell in die Kurve gefahren? Sturz! Ein kurzes Ausflug abseits der Strecke? Sturz! Eine Absperrung gestreift? Sturz! Teilweise reagiert die Fahrphysik für meinen Geschmack sogar etwas zu empfindlich, da man selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten das Motorrad kaum noch unter Kontrolle halten oder noch rechtzeitig abfangen kann, wenn man nur leicht von der Strecke abkommt oder mit Begrenzungen kollidiert. Selbst bei einem asphaltierten Seitenstreifen verabschiedet sich die Bodenhaftung nahezu komplett. Auch die Kollisionsabfrage und die Physik bei Unfällen ist teilweise jenseits von Gut und Böse, sorgt mit den fragwürdigen Abflügen von Pilot und Zweirad aber immerhin für so manchen Lacher.
Keine Fehler erlaubt
Hat man sich an die anspruchsvolle Steuerung sowie den feinfühligen Umgang mit Gas und Bremse gewöhnt, entfaltet sich aber ein Fahrspaß, der in mancher Hinsicht nicht nur bei den Motorrad-Rennspielen von Milestone mithalten, sondern diese sogar übertreffen kann. Zumal hier das Geschwindigkeitsgefühl trotz einer Darstellung von nur 30 Bildern pro Sekunde (Konsolen) hervorragend eingefangen wird. Irgendwann ist der Punkt erreicht, in dem man in einen gewissen Flow kommt, die fiese Unebenheiten auf der Strecke verinnerlicht hat und sich endlich enge Positionsduelle mit anderen Fahrern liefert, auch wenn das Starterfeld mit gerade mal sieben Piloten ziemlich dünn gesät ist.
Zu wenig Inhalte
Dünn sind leider auch die Inhalte: Zwar hat Kylotonn neben dem Snaefell Mountain Course auch noch eine gute Hand voll fiktive Pisten gebastelt, doch bieten sie innerhalb der dröge präsentierten Karriere voller langweiliger Veranstaltungen zu wenig Abwechslung und wiederholen sich entsprechend schnell. Und ob es wirklich eine gute Idee ist, den Spieler bei manchen Events gleich drei Mal hintereinander auf die gleiche Strecke zu schicken? Da sind die Gähnanfälle schon vorprogrammiert! Der rudimentäre Wirtschaftsfaktor mit Startgebühren und Preisgeldern spielt ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Teilweise lässt er sich sogar austricksen: Wer Motorräder zum Angebotspreis einkauft, kann sie umgehend wieder zum regulären Preis verhökern und sich im Handumdrehen ein nettes Bonus-Sümmchen verdienen. Das Geld wird primär in die Anschaffung neuer Maschinen investiert, wobei die Auswahl aufgrund der Beschränkung auf die Kategorien Supersport und Superbikes nicht besonders üppig ausfällt. Immerhin hören sich die Aggregate ordentlich an und
auch die zunehmenden Windgeräusche begleiten den Geschwindigkeitsrausch passend. Aber was man sich bei den lächerlichen und immer gleichen Soundeffekten bei Stürzen und Kollisionen gedacht hat, ist mir ein Rätsel.Im Gegensatz zu Ride 2 spielt auch Tuning keine Rolle. Nicht einmal Setup-Einstellungen sind erlaubt. Wechselnde Witterungsbedingungen sucht man hier ebenfalls vergeblich, denn sowohl bei normalen Rennen als auch beim Zeitfahren geht es immer unter idealen Voraussetzungen auf den Asphalt. Lediglich die Tageszeiten ändern sich in drei Stufen. Reifenverschleiß oder Benzinverbrauch? Auch darum muss man sich keine Gedanken machen, was zusammen mit dem fehlenden Schadensmodell den Simulationsanspruch hinter dem Spiel spürbar mindert. Auch visuelle Gimmicks hinsichtlich der Fahrerausrüstung oder die individuelle Gestaltung der Motorräder sind hier nicht möglich.
Kein Wetter, kein Tuning, keine Einstellungen
Fazit
Der kultige Snaefell Mountain Course steht ganz klar im Fokus von TT Isle of Man! Und für Zweirad-Fans, die schon immer von einem virtuellen Raser-Abstecher auf die britische Insel geträumt haben, dürfte die akkurate Nachbildung der 60 Kilometer langen Strecke schon als Kaufgrund genügen, zumal auch das Geschwindigkeitsgefühl klasse eingefangen wird und selbst die Fahrphysik im Großen und Ganzen überzeugt. Allerdings muss man sich darüber klar sein, dass die empfindliche und anspruchsvolle Steuerung eine gewisse Einarbeitungszeit erfordert, bis sich endlich ein Flow und Fahrspaß am Lenker einstellen. Klare Abstriche muss man dagegen bei fehlenden Faktoren wie Wetter, Tuning und Setup-Einstellungen in Kauf nehmen. Die dröge Karriere ist zusammen mit den neun fiktiven Kursen ebenfalls nicht mehr als schmuckloses Beiwerk und wer sich Positionskämpfe in einem großes Starterfeld oder viel freischaltbaren Sammelkram für die Fahrerausrüstung erhofft, sollte sich ebenfalls woanders umsehen - also bei Milestone. Es geht vor allem darum, diese Hammer-Strecke mit all ihren Tücken, Herausforderungen und dem wahnsinnigen Geschwindigkeitsrausch einzufangen und zu erleben, ohne dabei das eigene Leben zu riskieren oder Todesängste ausstehen zu müssen. Und zumindest diesem Anspruch wird TT Isle of Man trotz des mageren Inhalts durchaus überzeugend gerecht.
Pro
- originalgetreue Umsetzung der Isle of Man TT
- lizenzierte Fahrer und Motorräder
- sehr gutes Geschwindigkeitsgefühl
- (optionale) Fahrhilfen
- ordentliche Motorenklänge
- lokaler Mehrspielermodus (Zeitfahren nacheinander)
Kontra
- wenig Strecken
- keine Setup-Möglichkeiten
- magere (und repetitive) Soundeffekte (z.B. Kollisionen)
- keine wechselnden Witterungsbedingungen
- dröge Karriere
- sehr rudimentärer Onlinemodus
- KI neigt zum Gummiband und Abschussmentalitäten
- fragwürdige Kollisionsabfrage
- mitunter grenzwertige Bildrate in Online-Rennen