Bayonetta 2 - Test, Action-Adventure, Wii_U, Switch

Bayonetta 2
14.02.2018, Mathias Oertel

Test: Bayonetta 2

Erneute Rückkehr der Umbra-Hexe

Als Nintendo Bayonetta 3 für Switch ankündigte, war vielen Besitzern des Hybrid-Systems möglicherweise gar nicht bewusst, was da auf sie zukommt. Immerhin hatte die Hexe ihren letzten Auftritt vor gut vier Jahren. Und das auf einem System, das hinsichtlich der Verkaufszahlen in vielen Regionen schon jetzt von Switch überholt wurde. Ob sich die Umsetzung von Bayonetta 2 (ab 29,90€ bei kaufen) schadlos gehalten hat und sich wie vor vier Jahren auf Wii U einen Gold-Award schnappen kann, klären wir im Test.

Man möge mir die englische Überschrift verzeihen, aber manchmal ist die englische  Sprache einfach eloquenter in ihren Formulierung und Anspielungen. Ich könnte die Rückkehr von Bayonetta auch mit dem deutschen "Die Hexe ist zurück - wieder" feiern, doch diesem Satz fehlt sowohl die Wucht als auch die Doppeldeutigkeit, die sich im auf Witch reimenden englischen Schimpfwort verbirgt und die bezeichnend für die Umbra-Hexe war und ist. Was es denn hier zu feiern gibt? Nun, zum einen, dass es Platinum Games etwa vier Jahren nach ihrem Wii-U-Auftritt geschafft hat, die Fortsetzung zu dem fantasievollen Action-Spektakel aus dem Jahre 2009 (Japan) bzw. 2010 (Europa) auch auf Switch zu veröffentlichen. Und zum anderen, dass all diejenigen, die noch nicht mit der zynischen, schussgewaltigen, akrobatischen und nicht zu vergessen: sexy Hexe unterwegs waren oder sich auf ein erneutes Abenteuer mit ihr freuen, sie jetzt sogar in fast jederzeit konstanten 60 Bildern pro Sekunde beobachten zu können – insofern man im Dock-Modus am großen Bildschirm und idealerweise mit einem Pro Controller spielt. Mit den Joycons ist die Kontrolle zwar nur unwesentlich schlechter, doch die Bildrate zeigt unterwegs bei schnellen Schwenks  immer wieder den Hang zu Schwankungen. Diese wirken sich nur sehr selten auf die weiterhin schnellen sowie dynamischen Gefechte aus – doch störend sind die deutlich sichtbaren Bildrateneinbrüche auf jeden Fall. Zusätzlich ist schade, dass weder Kantenglättung hinzugefügt noch die Auflösung zumindest im Dock auf 1080p hochgeschraubt wurde. Dadurch hätte die Kulisse vier Jahre nach der Wii-U-Fassung noch stärker aufgewertet werden können.

The Witch is back - again

Stylisch, sexy & vollkommen überbordend: Bayonetta ist voll in ihrem Element.
Als Zeichen ihrer Wertschätzung hat die Umbra-Hexe in der Retail-Version auch gleich wie vor vier Jahren die um neue Kostüme erweiterte Version des ersten Teils als Download-Code im Gepäck. Technisch seinerzeit auf Wii U beinahe an die exzellente 360-Version herankommend, liegt sie jetzt bis auf ein paar sichtbare Kanten hinsichtlich der Performance auf Par mit der Ursprungsversion. Für Nintendo-Fans, die noch nicht das Vergnügen hatten, mit der Hexe durch die Abschnitte zu tanzen, pardon: stylisch-elegant zu kämpfen, die überbordende Fantasie des Artdesign zu genießen und die lasziven Andeutungen Bayonettas auf sich wirken zu lassen, ist dies ein fantastischer Bonus. Und nachdem es für die Wii-U-Version galt und auch die PC-Variante von Bayonetta vor ein paar Monaten Platin sichern konnte, würde ich auch der Switch-Variante ganz klar eine Wertung jenseits der 90 Prozent geben. Da die Unterschiede größtenteils inhaltlicher Natur sind (es gibt ein paar Kostüme im Nintendo-Design, die allerdings auch das Artdesign der Abschnitte leicht verändern), die Mechanik sauber an die Joycons bzw. den Pro Controller angepasst wurde und der Rest einfach nur zeitlos gut ist, empfehle ich für weitergehende Lektüre den Test von damals. Oder aber, dass man die nicht mit sexuellen Reizen geizende Hexe einfach so auf sich wirken und sich von ihr in eine fantastische Zwischenwelt entführen lässt. Eine Welt, die mit religiösen Themen ebenso niveauvoll spielt wie Bayonetta mit ihrer Figur, bevor sie ihre himmlischen Engels-Feinde mit Knarren, Händen, Füßen und allerlei Klingenwaffen zu Kleinholz verarbeitet.

Die Kulisse hat sich schadlos gehalten und wurde hinsichtlich der Bildrate im Vergleich zur Wii U optimiert. Auf einer höhere Auflösung oder Kantenglättung wurde allerdings weiterhin verzichtet.
Ebenfalls Grund zur Freude und Anlass zum Feiern war damals wie heute die konsequente Fortführung all dessen, was Bayonetta als Figur sowie als Spiel ausmacht. Gerade war sie noch mit ihrer Hexenschwester Jeanne auf einem grandiosen Shopping-Ausflug. Im nächsten Moment steht sie auf den Flügeln eines Kampfjets, der durch die Häuserschluchten jagt und kämpft (wieder) gegen himmlische Heerscharen, die ihr und Jeanne nach dem Leben trachten. Weit über den Straßen kommt es zum Showdown, bei dem sie sogar eine ihrer eigenen „Finisher-Kreationen“, die abtrünnig geworden ist, in einem Nerven aufreibenden und vor Effekten strotzenden Kampf besiegen muss. Was Bayonetta 2 bis hierhin an Action abfeuert, reicht bei anderen Titeln mitunter für die gesamte Spielzeit – hier ist es nur das erste Kapitel! Selbstverständlich wird sie dabei von der Kamera vor allem in den rasant geschnittenen Zwischensequenzen stets ins rechte Licht gerückt.

Abgefahren und sexy wie immer

Der Blick wird in den Zwischensequenzen immer wieder auf Bayonettas Anatomie gelenkt.
Ihre nicht unerheblichen Rundungen füllen den Bildschirm, das Objektiv fährt an ihren Beinen oder Armen entlang, nur um kurz darauf an Stellen zu landen, die unbekleidet vermutlich für Schamesröte bei den Spielern und schwarze Balken auf den Screenshots sorgen würden. Sehr bemerkenswert dabei: Sie ist lasziv, ohne sich lächerlich zu machen. Sie kokettiert nach wie vor mit ihrer Sexualität und liefert auch verbal die eine oder andere Doppeldeutigkeit. Auch ohne Hideki Kamiya als Regisseur, der hier nur noch eine beratende Rolle eingenommen hat, bleibt Platinum Games dem Bild treu, das Bayonetta im ersten Teil verkörperte. Allerdings bringt man sie als Figur auch nicht weiter – weder in der Anfangsphase noch über den Rest des Spiels, in dem sie versuchen muss, Jeanne aus der Hölle zu befreien. Ein Unterfangen, für das sie nur begrenzt Zeit hat, so dass das Babysitting für ihren immer wieder auftauchenden Begleiter, den geheimnisvollen jugendlichen Loki (keine Ähnlichkeit zum nordischen Gott) zu einem lästigen Übel wird.

Die größte Schwäche von Bayonetta 2 ist nicht der im Vergleich zum Vorgänger deutlich reduzierte Schwierigkeitsgrad, der sich in erster Linie an einem großzügigeren Fenster für ein erfolgreiches Ausweichen und damit eingeleitetes Einschalten einer potenten Zeitlupe festmachen lässt. Es ist vielmehr die vor allem in der Anfangsphase schwache Erzählung. Das mag auch daran liegen, dass Bayonetta als Figur bereits durch den Vorgänger etabliert und zu großen Teilen definiert wurde –in erster Linie durch die Interaktion mit den Nebenfiguren wie Cereza und Luka (aka "Cheshire"). Die konnten ihr zum einen Paroli bieten und zum anderen durch ihre Naivität bzw. Angeberei Seiten an ihr zeigen, die das Profil der Hexe stärken konnten. Doch was, wenn man den Vorgänger nicht kennt? Dann bleiben viele Charaktermerkmale von Bayonetta zu lange diffus. Sie kehrt erst in der zweiten Spielhälfte zu ihrer Bestform zurück, wenn noch ein paar weitere Figuren in den Mix geworfen werden. Überhaupt nimmt das Erzähltempo bis zum imposanten Finale beständig zu und entschädigt für die rückblickend verhaltene Anfangsphase.

Wankelmütige Erzählung

In den Ladebildschirmen kann man die umfangreiche Bibliothek an Angriffs-Bewegungen erforschen und ausprobieren.
Der neue Sidekick unternimmt zwar sexuelle Avancen, doch die Spannung, die sich zwischen den beiden aufbaut, kommt in keiner Form an das heran, was Bayo und Cheshire im Vorgänger zu einem per Dialog ausgetragenen Geschlechterkampf aufbauten. Und seine kindliche Seite, die auch immer wieder zum Vorschein kommt,  ist nicht kindlich genug, um die „Beschützerin“ in ihr zu wecken, die sie für Cereza in Teil 1 war. Dafür jedoch werden ab der Mitte, wenn ihrer Beziehung zu Loki in den Hintergrund rückt, sogar Elemente und Szenen aus dem ersten Auftritt der Hexe zitiert, ausgebaut und weiter geführt. So gewinnt man einen umfassenden Einblick in ihre Vergangenheit, der sich auch in ihrer Gegenwart auswirkt. Klingt verwirrend? Ist es nicht – zumindest nicht nach den Maßstäben der Bayonetta-Welt. Wenn man sich erst einmal auf das Grundkonstrukt sowie das Konzept der Umbra-Hexen und der so genannten „Weisen“ eingelassen hat, die das Gleichgewicht der Welt sicherstellen, wird vieles klar. Und man sollte den Vorgänger gespielt sowie idealerweise beendet haben, um alle Anspielungen und Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Denn in Bayonetta 2 kommen z.B. der Höllen-Barkeeper Rodin und der immer noch verteufelt an Joe Pescis Darstellung von Leo Getz in der Lethal-Weapon-Serie erinnernde Enzo  zu  kurz und ergeben erst in Verbindung mit Teil 1 wirklich Sinn.

Bayonetta gönnt sich bei der Action keine Pause: Dieser epische Kampf erwartet einen bereits im Prolog.
Auch ohne die Kenntnis des Vorgängers werden Bayonetta-Einsteiger mit dem Kampfsystem viel Spaß haben. Die Kontrolle über die Hexe ist intuitiv, die Eingaben werden akkurat umgesetzt und binnen kürzester Zeit lässt man über die fantasievoll gestalteten Gegner und ihre Anführer einen Schlag- oder Kugelregen hageln, als ob man nie etwas anderes gemacht hätte. Zudem wird man behutsam und mit ordentlichen Tutorials in die Kampfmechanik eingeführt, neue Waffen, die man an den Armen oder Beinen bzw. Schuhen der Hexe befestigt, kommen erst später hinzu, erweitern dann das Spiel- und Kampferlebnis aber ungemein. Man wird zum Experimentieren aufgefordert und dafür belohnt. Vor allem auch, wenn man sich in den interaktiven Ladebildschirmen aufhält, die allerdings mit den deutlich verbesserten Ladezeiten fast überflüssig werden und dort herum probiert, was die Hexe zu leisten imstande ist und die gewonnenen Erkenntnisse im Kampf einsetzt. Denn wenn man sich nicht nur darauf verlässt, die sorgfältig zusammengestellten Gegnergruppen per stupidem Knopfhämmern zu besiegen, was ohnehin im späteren Verlauf nur noch wenig Erfolg verspricht, sondern mit Stil, Kombos und gelungenem Ausweichen hohe Punktzahlen erzielt, gibt es eine bessere Levelabschlussbewertung und damit bessere Boni. Mit diesen wiederum kann man u.a. neue Kombos freischalten, die wiederum eine höhere Chance auf noch stilvollere Erledigung der zahlreichen Feinde versprechen – insofern man sie richtig einsetzen versteht. Ein fieser Motivations-Teufelskreis, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Kämpfen und Quälen – aber mit Stil

In der Zeitlupe der Hexenzeit kann man ideal an seinem Kombozähler arbeiten.
Wie im Vorgänger kann man Waffen größerer Gegner aufnehmen und sie einsetzen, bis ihre Energie bzw. Haltbarkeit "abgelaufen" ist. Und wie man es kennt, kann man über erfolgreiche Nutzung der Hexenzeitlupe die magische Energie auffüllen, die für besondere Folterattacken etc. genutzt werden kann. Es wird natürlich auch nicht auf die Climax-Finisher verzichtet, in denen sich Bayonettas aus Haaren bestehendes Outfit von ihrem Körper abschält und in ein Bildschirm füllendes Monster verwandelt, das den beinahe schon Mitleid erregenden Gegner nach allen Regeln der Kunst malträtiert. Obwohl es auch die Möglichkeit gibt, per Berührung auf dem Touchscreen zu spielen (wohl ein Überbleibsel der schon auf Wii U angebotenen Steuerungsoption), würde ich weiterhin davon abraten. Es funktioniert zwar ordentlich, doch mehr als eine Verbeugung vor absoluten Anfängern darf diese Option nicht sein, die das Action-Spektakel zu wenig mehr als einem interaktiven Film macht. Bayonetta schreit geradezu danach, mit Stick und Knöpfen oder mit dem Pro Controller gespielt zu werden. Genau wie vor vier Jahren verkörpert sie eine moderne Interpretation klassischer Arcade-Action. Und ich würde mir auch nicht einfallen lassen, z.B. Donkey Kong Country per Berührung zu spielen – selbst, wenn diese Möglichkeit angeboten würde. Denn auch so ist Bayonetta 2 leichter ausgefallen als der Vorgänger und bietet einem schneller Erfolgserlebnisse als die langhaarige Vorgänger-Hexe.

Angesichts der schnellen stilvollen Action, die von einem Effekt-Gewitter angetrieben wird, kann man viele Kleinigkeiten in Bayonetta 2 übersehen. Damit meine ich nicht nur die Eingänge zu den mitunter knackigen Herausforderungen, die sich in den Muspelheim-Abschnitten verbergen und die das Gegenstück zu den Alfheim-Portalen im ersten Teil darstellen. Auch nicht die anderen sammelbaren Objekte, die teils außerhalb des Spieles Sachen freischalten, teils in der Spielwelt nötig sind, um per Alchemie die Lebensenergie auffüllenden Lutscher herzustellen, die sich Bayonetta immer wieder sinnlich zwischen die Lippen schiebt. Es sind vielmehr die Verbeugungen vor anderen Spielen, die sich nicht nur beim Ankleiden mit einem der Nintendo-Kostüme oder „Galaktischer Kopfgeldjäger“ sowie den folgenden Auswirkungen auf die Abschnitte zeigen, in denen man z.B. nicht mehr Heiligenscheine, sondern Rubine oder Münzen aufsammelt. Auch beim Leveldesign zieht Platinum immer wieder den Hut vor Klassikern. In einem Moment ist man mit einem an die Armored-Core-Reihe erinnernden Mech unterwegs, dann wieder jagt man mit einem Jet wie in Afterburner durch den düsteren Himmel. Die Möglichkeit, sich in Tiere zu verwandeln, kennt man zwar auch schon aus dem Vorgänger, doch hier wie da werden Erinnerungen an Spiele wie Okami oder auch die Castlevania-Reihe wach

Viel drin, viel dran

Man kann auch in diversen Nintendo-Kostümen auf die Jagd nach Engeln und Teufeln gehen.
Das Schöne dabei: Es bleibt bei Verbeugungen. Bayonetta wird nie zu einer blassen Kopie der Vorlage, sondern packt ihren unverwechselbaren Stil obendrauf – und das gipfelt dann meist in abgefahrenen Bosskämpfen, in denen man alle Register ziehen muss, wenn man gegen die Himmels- und Höllenkreaturen die Oberhand behalten und die dem endgültigen Tod gefährlich nah kommende Jeanne retten möchte. Doch auch in diesen Gefechten macht sich bis auf wenige Ausnahmen der abgeschwächte Schwierigkeitsgrad bemerkbar. Vergleicht man die Auseinandersetzungen mit denen des Vorgängers, wird die Frustschwelle deutlich seltener angekratzt. Das soll nicht heißen, dass der Kampf der Hexe um das Leben ihrer Freundin zu einem unkomplizierten Spaziergang wird. Aber die Chance, Erfolg zu haben, ist hier ungleich höher als in Teil 1. Die Herausforderung konzentriert sich dann eher auf das Erreichen einer guten Level-Bewertung, die dann unter Umständen wieder Gelegenheit gibt, sich neue Kombo-Möglichkeiten in Rodins Bar „The Gates of Hell“ zu besorgen.

Die Finisher haben es in sich.
Ich kann Platinum Games bei der Kreation des Artdesigns keine großen Vorwürfe machen. Bayonetta 2 hat aber dennoch ein großes Problem. Und das hat nicht mit der Plattform zu tun, auf der es seinerzeit erschien oder auf der es jetzt wiederveröffentlicht wurde.  Vielmehr sorgt der in vielerlei Hinsicht exzellente Vorgänger, der die Messlatte für Artdesign enorm hoch gelegt hat, dafür, dass der zweite Auftritt der Umbra-Hexe nur noch selten für die Wow-Momente sorgt, die Teil 1 prägten. Liegt es daran, dass man manche Abschnitte wieder besucht, die man schon gesehen hat? Teilweise. Liegt es daran, dass selbst neue gegnerische Engelstypen an ihre Kollegen erinnern, die der Hexe schon vor acht Jahren das Leben schwer machten und auch hier wieder auftauchen? Mitunter. So hochklassig das Design nach wie vor ist, bleibt der Überraschungseffekt eher gering – natürlich nur, wenn man den ersten Teil kennt. Neulinge in der Bayonetta-Welt werden angesichts der fantasievollen Kreationen und Ideen, den man begegnet, vermutlich einige Momente erleben, in denen ihnen erst nach einigen Sekunden auffällt, dass ihr Mund ein staunendes „O“ formt.

Bekannt und anders im Wechselschritt

Veteranen hingegen nehmen dieses Design als bekannt und gegeben hin - und werden schließlich doch noch angenehm überrascht. Denn die olle Hexe ist dieses Mal nicht nur auf himmlischen Pfaden unterwegs, sondern muss den Weg in die Vorhölle antreten. Und dieses Gebiet nutzt Platinum, um abermals zu zeigen, dass kreatives Level- und Gegnerdesign eine noch nicht ausgestorbene Kunst ist. Es warten neue Farbpaletten, neue Fortbewegungsmethoden und vor allem neue Gegnertypen, von denen einer dämonischer und teuflischer ist als der nächste. Von vielarmigen Derwischen über mechanische Albträume, mehrköpfige Dämonen bis hin zu überdimensionierten Alien-Rochen reicht das Repertoire das einen in seinen besten (schlimmsten?) Momenten wieder fragen lässt, was die Designer für Zeug eingeworfen haben, um diese Fantasien zu erleben und wahr werden zu lassen - grandios!

Weniger grandios ist hingegen die Einbindung der Amiibos. Prinzipiell finde ich es ok, dass Nintendo den Käufern ihrer Sammelfiguren kleine Boni in Spielen anbietet.

Man kann sich die Kostüme, die hinter den Spiegeln versteckt sind, mühsam erspielen - oder aber man setzt bestimmte Amiibos ein, die die Zeit massiv verkürzen.
Doch bei Bayonetta 2 geht es für mich einen Tick zu weit, da hier die Grenze zur Zeitverkürzung („Pay-to-shortcut“) überschritten wird. Bis zu 32 Amiibos (hier gibt es eine Übersicht aller Optionen) können täglich einmal benutzt werden, um Heiligenscheine im mittleren bis hohen vierstelligen Bereich (pro Figur) sowie Crafting-Gegenstände zu bekommen. Dadurch wird leicht in den oben angesprochenen Motivationskreislauf eingegriffen, da man im Zweifelsfall einen Tag wartet und seine ggf. vorhandene Amiibo-Armee nutzt, um sich den nächsten Move oder die besonderen Gegenstände wie z.B. "Pulleys Schmetterling" oder den "Infernalen Kommunikator" zu besorgen. Diese kosten jeweils 100.000 Heiligenscheine und greifen helfend in die Kampfmechanik ein, indem sie einen u.a. mit schützenden Schmetterlingen umgeben oder Skelette beschwören, die den Gegner angreifen und den eigenen Kombo-Zähler nach oben treiben. Auf Wii U hat der dafür nötige Grind und der „Zwang“ eine möglichst gute Kapitelbewertung zu bekommen, damit man genug Heiligenscheine als Belohnung erhält, angenehm in die Motivation hineingespielt. Das wird hier im Zweifelsfall entwertet und hätte durch eine Reduktion auf maximal fünf Amiibos pro Tag zumindest einigermaßen reguliert werden können.

Die Crux mit den Amiibos

Die Action wirkt ab und zu unübersichtlich. Doch als Spieler hat man stets die volle Kontrolle.
Noch herber wird es, falls man die eigentlich für Super Smash Bros. Melee veröffentlichten Bayonetta-Amiibos besitzt. Diese schalten beim erstmaligen Einsatz sämtliche Kostüme und ggf. vorhandene Grafikveränderungen frei, für die man in ihrer Summe im "Normalspiel" weit über eine Million Heiligenscheine benötigen würde.  Als bekennender Bayonetta-Fan besitze ich diese Amiibos natürlich und freue mich über die Option, alles freischalten zu können. Doch ich begleite Bayonetta 1 und 2 seit beinahe zehn Jahren und kenne die Titel mittlerweile fast in– und auswendig. Und ich durfte bereits auf Wii U den Grind und die Anstrengung auf höheren Schwierigkeitsgraden genossen, die nötig waren, um nur einen Bruchteil der Kostüme freizuschalten. Doch auch mit bestimmten anderen Amiibos kann man vereinzelt Kostüme ohne den Einsatz von Heiligenscheinen bekommen. Für Neueinsteiger in die Materie ist dies jedoch eine nicht zu unterschätzende Abkürzungs-Möglichkeit, die sich im schlimmsten Fall auch auf die Motivation und den Ehrgeiz auswirken kann, sich mit der komplexen Steuerung zu befassen.

Fazit

Beim ersten Teil blieb folgender Eindruck zurück: “Bayonetta ist ein fantasievolles und berauschendes Erlebnis, prall gefüllt mit überbordender visueller Kreativität, sexuellen Andeutungen und atemloser Action.” Auch ohne Hideki Kamiya am Ruder – er war hier nur in beratender Funktion in die Entwicklung eingebunden – hat die olle Hexe für die Fortsetzung nichts verlernt. Und auf Switch erst recht nicht. Naja, zumindest nicht viel. Denn so spektakulär die Kämpfe weiterhin inszeniert werden und so fantasievoll das Artdesign nach wie vor ist, kann der Kampf gegen die Himmels- und neuerdings auch Höllenscharen nicht mehr die gleiche Euphorie entfachen wie noch der Vorgänger vor gut acht Jahren. An der Technik liegt es nicht: Platinum Games hat die bereits gelungene Wii-U-Version hinsichtlich Performance nochmals optimiert. Das spürt man aber nur im gedockten Zustand – mobil kommt es immer wieder zu kleinen Bildratenproblemen bei Kameraschwenks. Zudem gibt es nach wie vor keine Kantenglättung, während die Auflösung weiterhin bei 720p klebt. Doch an absurden Ideen sowie Anspielungen sexueller oder spielerischer Natur fehlt es dem zweiten Hexen-Abenteuer wahrlich nicht. Dabei lässt Bayonetta 2 vor allem in der Anfangsphase erzählerisch zu wünschen übrig. Nach fulminantem Einstieg nimmt die Geschichte erst ab etwa der Mitte wieder Fahrt auf, steigert sich dann aber wenigstens kontinuierlich bis zum Finale. Der neue Sidekick Loki schafft es weder, die mütterliche Seite anzusprechen, die im ersten Teil von Cereza aufgebaut wurde, noch sexuelle Spannung aufzubauen. Dafür jedoch gibt es immer wieder Verneigungen vor anderen Videospiel-Klassikern, die in den zahlreichen Easter Eggs und den Nintendo-Kostümen gipfeln. Diese mögen vielleicht nicht ganz in das typische Bayonetta-Schema passen und haben bei mir hier ebenso wie seinerzeit auf Wii U mitunter für Kopfschütteln gesorgt. Dann wiederum fühlt sich das sehr konsequent an. Nicht nur, weil die Hexe hier auf einer Nintendo-Konsole unterwegs ist, sondern weil sie sich ohnehin nie in eine Schublade stecken lässt. Auch wenn die Fortsetzung insgesamt nicht mehr ganz so viele Überraschungen und Wow-Momente bereithält und die übertriebenen Amiibo-Belohnungen ein Musterbeispiel für „Pay-to-shortcut“ sind, gehört Bayonetta 2 nach wie vor zu den besten Actionspielen auf Nintendo-Systemen - im Doppelpack mit dem exzellenten Vorgänger sogar noch mehr.

Pro

  • Bayonetta ist als Hauptfigur stark, selbstbewusst und sexy
  • fantasievolles Gegner- und Artdesign...
  • akkurate Steuerung
  • sehr gute Kollisionsabfrage
  • diverse kombinierbare Waffentypen
  • hervorragendes Kampfsystem mit unzähligen Kombo-Möglichkeiten
  • passable Umgebungsrätsel
  • spannende Bosskämpfe
  • Ladebildschirm als Übungsarena
  • stark verbesserte Ladezeiten
  • spektakuläre Climax-Finisher
  • Aufnahme und Einsatz mancher Gegnerwaffen möglich
  • viele Anspielungen auf andere Videospiele
  • technisch größtenteils beeindruckend
  • viele Nintendo-Kostüme mit Auswirkungen auf Leveldesign zu entdecken
  • sehr gute Bayonetta-1-Umsetzung in einigen Edition dabei
  • gute englische Sprachausgabe mit passablen deutschen Untertiteln

Kontra

  • Erzählung schwächelt in der ersten Hälfte
  • ... das in der ersten Hälfte aber auf Bekanntes setzt
  • gelegentlich unsichtbare Grenzen
  • Wow-Momente des Vorgängers werden erst später erreicht
  • Touch-Steuerung reduziert das Spielerlebnis fast auf einen interaktiven Film
  • insgesamt nicht so fordernd wie Teil 1
  • im mobilen Betrieb immer wieder mit Bildrateneinbrüchen
  • Amiibo-Einsatz entspricht Zeitverkürzern (Pay-to-shortcut)
  • keine Kantenglättung, Auflösung nicht auf 1080p aufgewertet

Wertung

Switch

Bayonetta 2 ist nach wie vor ein famoses Action-Spiel, doch vier Jahre nach der Wii U hätte die Technik durchaus eindrucksvoller sein dürfen, während die Amiibo-Einsätze deutlich Richtung "Pay-to-shortcut" gehen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Bis zu 32 Amiibos können täglich eingesetzt werden, um Heiligenscheine und Gegenstände freizuschalten. Bayonetta-Amiibos schalten nahezu alle Kostüme frei.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.