South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe - Test, Rollenspiel, PlayStation4, PC, XboxOne, Switch
Die rektakuläre Zerreißprobe, eine stark bemühte Lokalisierung des zweideutigen Originaltitels The Fractured But Whole, beginnt dort, wo Der Stab der Wahrheit aufhört – leider gibt es den Vorgänger (zumindest bislang) nicht auf Switch. Der Kampf der South-Park-Kids um das merkwürdige Artefakt in einem Live-Rollenspiel ist in vollem Gang. Und der Spieler ist in der Rolle des namenlosen sowie stummen "Neuen Kinds" wieder mittendrin. Doch Cartman, der im Vorgänger als mächtiger Zauberer agierte, hat plötzlich andere Ideen. Eine Katze wurde vermisst gemeldet und er sieht im Finderlohn die Chance, seinem Superhelden-Franchise "Coon & Friends", für das er bereits haufenweise Film- und Serienpläne ausgearbeitet hat, den nötigen Startschub zu geben. Dumm nur, dass nicht alle seiner Freunde seiner Planung zustimmen. Mit den "Freedom Pals" wird analog zum "Superhelden-Krieg" zwischen Marvel und DC Comics eine zweite Franchise etabliert. Und dass am Ende dieser Auseinandersetzungen kaum ein Stein in South Park auf dem anderen bleibt, ist nahezu unausweichlich.
Furz ohne Anschluss-Möglichkeit
Doch eins nach dem anderen: Bevor man sich mit seinen Darmwinden zum Retter von South Park aufschwingt und einer ganzen Reihe an Verschwörungen auf die Schliche kommt, darf man kleine Brötchen backen. Um am Spiel von Cartman teilnehmen zu können, muss man sich erst einmal auf eine Klasse festlegen, von denen anfangs drei zur Verfügung stehen, später aber noch einige weitere hinzukommen. An bestimmten Stellen im Spiel kann man weitere Klassen auswählen und dann die dadurch gewonnenen Fähigkeiten aus allen zur Verfügung stehenden frei kombinieren. Allerdings darf man nur drei Standardfähigkeiten sowie eine Super-Attacke mit ins Gefecht nehmen, so dass man taktisch planen und auch einbeziehen sollte, welche drei anderen Helden man mit in sein Team nimmt, um die zahlreichen Kämpfe siegreich zu gestalten. Diese sind übrigens deutlich taktischer geprägt als im Vorgänger, da es mittlerweile ein Feldraster gibt, auf dem man sich rundenweise bewegt. Zusätzlich verfügen die Fähigkeiten aller Helden sowie die der Gegner über eine bestimmte Reichweite sowie ggf. Bereichsschaden oder Schaden über Zeit und können die Position der Figuren verändern, was für den nächsten Zug wichtig
werden könnte. Mit diesem Raster sowie zahlreichen Variationen von Siegbedingungen oder Einflüssen auf dem Schlachtfeld wie explodierenden Fässern oder der Vorgabe, einfach nur entkommen zu müssen, macht man im Vergleich zum weitgehend statischen Kampf des Vorgängers einen Quantensprung.Kleiner Furz, große Wirkung
Man muss nicht nur die Zugreihenfolge beachten, sondern auch Wechselwirkungen einkalkulieren. Und spätestens, wenn bestimmte Felder nach Ablauf eines Zuges Schaden verursachen, beginnt man zu überlegen, ob es vielleicht mehr Sinn ergibt, mit dieser oder jener Figur einen Zug auszusetzen oder die Gegenstände zu verwenden, die von Lebensmitteln zur Heilung oder Wiederbelebung bis hin zu Smart Bombs reichen – natürlich alle mit South-Park-Flair wie die Allheilung von Moses oder der MG-Angriff von Jimbo und Ned. Die Teamzusammenstellung und damit auch die Wahl der zur Verfügung stehenden Superangriffe bzw. Heil- oder Schutzaktionen spielt eine noch größere Rolle. Und mit insgesamt zwölf zur Verfügung stehenden Superhelden wie Coon (Cartman), Mysterion (Kenny mit einer herrlich an Christian Bales Batman erinnernden Düsterstimme) oder Moskito (Clyde) hat man eine breite Auswahl. Allerdings lässt man trotz des riesigen Fortschritts auch noch viel ungenutztes taktisches Potenzial liegen. Sichtlinien spielen hier keine Rolle und auch auf Höhenunterschiede muss man verzichten. Beides im übrigen Elemente, die in einem anderen Titel von Ubisoft (Mario + Rabbids: Kingdom Battle) dafür sorgten, dass die Gefechte eine zusätzliche spannende Komponente bekamen und deren Fehlen auch nicht von den innerhalb der Fähigkeiten variierenden Möglichkeiten kompensiert werden können, den Schaden durch Reaktionsspiele zu verstärken bzw. abzuschwächen.
Konnte man im Vorgänger noch ganz klassisch Ausrüstung anlegen, die teilweise die Charakterwerte verstärkte oder gegen bestimmte Effekte schützte, setzt man hier auf so genannte Artefakte. Acht dieser wertvollen und im Rahmen des simplen Crafting-System herstellbaren Gegenstände kann man anlegen. Mit ihnen wird nicht nur die Stärke der für das gesamte Team geltenden „Macht“ definiert, sondern auch Teamboni wie kritischer Schaden oder Bonusgesundheit für die begleitenden Helden beeinflusst. Zusätzlich steht ein DNA-Slot zur Verfügung, mit dem man die fünf Charakterwerte manipulieren kann. Doch das klingt letztlich spannender und vielfältiger als es ist. Denn so gut die Idee grundsätzlich umgesetzt ist und das System des Vorgängers ablöst, war der konservative Einsatz von Kostümen bzw. Waffen mit Werten unter dem Strich spannender. Denn hier hat man darauf verzichtet, den zig zu findenden oder ebenfalls im Crafting-System zur Verfügung stehenden Heldenklamotten den Charakter unterstützende Werte hinzuzufügen – sie nehmen allesamt nur kosmetische Veränderungen vor. Ich verstehe zwar den ideellen Sinn dahinter, dass man ungeachtet der Hautfarbe oder der Klamotten ein Held sein kann und sowohl seine ethnischen als auch religiösen, geschlechtlichen Einstellungen frei vornehmen und eigentlich jederzeit ändern kann.
Artefakte statt klassischer Ausrüstung
Dies ist vor allem hinsichtlich des Drehbuchs schade, dass in der ersten Spielhälfte dramaturgisch zu viele Pausen einlegt und den Konflikt der Superheldengruppen nicht zentral genug behandelt, während coole Figuren wie „Call Girl“ oder „Tupperware“ nicht ausreichend beleuchtet werden. In der zweiten Spielhälfte legt man in dieser Hinsicht zwar deutlich zu und inszeniert spannendere sowie hinsichtlich der Dialoge deutlich witzigere Situationen. Doch da man sich auch hinsichtlich der Schauplätze nicht so variantenreich zeigt wie Der Stab der Wahrheit, schafft man es nicht, am Vorgänger vorbei zu ziehen. Das wiederum gelingt mit den Umgebungsrätseln, die in erster Linie mit den Fürzen verbunden sind. Man kann sich z.B. auf Captain Diabetes setzen und ihm die Darmwinde ins Gesicht blasen, um einen Insulinschub zu induzieren, mit dessen Hilfe man schwere Hindernisse aus dem Weg räumen kann. Oder man lässt sich von Professor Chaos einen Hamster in den Hintern schieben, um ihn auf Stromkabel abzufeuern, damit ein Kurzschluss ausgelöst wird, der Schalter und Türen betätigt, die wiederum neue Areale freigeben. Lavasteine, Säureflüsse oder höhere Gebiete lassen sich ebenfalls über Furzhilfen und die Mitarbeit von Toolshed oder Human Kite aus dem Weg räumen bzw. überbrücken.
Sporadisch witzig
Fazit
Wenn man South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe mit einer Phrase kennzeichnen möchte, ist es "ungenutztes Potenzial" – vor allem angesichts der Standards, die der bei uns mit Gold ausgezeichnete Vorgänger setzen konnte. Hinsichtlich des taktischen Kampfsystems ziehen die Superhelden um Coon, Mysterio & Co zwar spielend einfach an ihren nicht auf Switch erhältlichen Fantasy-Vorgängern vorbei, doch im Umfeld lässt man zu viele Chancen ungenutzt, um unter dem Strich die Qualität von Der Stab der Wahrheit zu erreichen. Der Humor bietet in seinen besten Momenten mit all seinen Flüchen, Sex, Fäkalsprache, Furzorgien oder Gewalt all das, was man von Trey Parker und Matt Stone erwartet. Und das 1:1 der Serie entsprechende Artdesign ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Doch es gibt auch überraschend viel inhaltlichen Leerlauf, während sich im letzten erzählerisch Gas gebenden Drittel eine mechanische Redundanz breit macht. Hier hätte evtl. ein besseres Crafting-System Wunder gewirkt. Doch genau an diesem Punkt werden die Probleme der Beliebigkeit ausstrahlenden Gegenstandsherstellung offenbart. Fans der Serie werden trotz des Schwächen aufzeigenden Drehbuchs sowie der auf Switch sowohl mobil als auch gedockt mitunter unerwartet hohen Ladezeiten dennoch auf ihre Kosten kommen. Unter dem Strich ist der Titel als "Bestes South-Park-Spiel auf Switch" sicherlich etwas, auf das Coon, Call Girl und Toolshed auch stolz sein können.
Echtgeldtransaktionen
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- Die Erweiterungen des Season Passes können auch einzeln gekauft werden.
- Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.