Frostpunk - Test, Taktik & Strategie, PC, PlayStation4, XboxOne, Mac

Frostpunk
04.05.2018, Eike Cramer

Test: Frostpunk

Überleben in der Eiswüste

Mit This War of Mine konnten die 11-Bit-Studios ein spielerisches Zeichen setzen. Der Überlebenskampf von Zivilisten in einem Kriegsgebiet war erschütternd  – und avancierte 2014 zu unserem Spiel des Jahres. Frostpunk (ab 16,88€ bei kaufen) verlegt den Überlebenskampf zwar in ein Steampunk-Szenario, will aber ebenfalls mit drastischen Entscheidungen und moralischen Fragen punkten. Ob die frostige Survival-Strategie überzeugt, klärt der Test.  

„Es ist kalt. Bitterkalt. Letzte Nacht ist das Thermometer auf unter 70 Grad Celsius gefallen. Trotz einer ordentlichen Isolierung kriecht die erbarmungslose Kälte durch jede kleine Ritze unseres Wellblechhauses. Wenn wir durch das kleine Fenster schauen, können wir einen Blick auf den hellen Schein des Generators erhaschen, der mit seinem Feuer die Nacht erhellt. Ohne ihn wären wir längst erfroren. Eisige Statuen, erstarrte Monumente einer untergegangenen Zivilisation. So wie all die anderen, die wir in den Totenstädten in der Nähe entdeckt haben. 

Die Kollegen in der Sägemühle waren heute Morgen so deprimiert wie lange nicht. Die Kohle in den Lagern soll langsam zur Neige gehen, heißt es. Und ohne Kohle wird auch unser Generator irgendwann erkalten. Zu allem Überfluss wurden wir gestern Abend kurz vor der Sperrstunde von diesen verdammten Religionswächtern erwischt und durch die Straßen gejagt. Diese verdammten Fanatiker. Hätten wir doch nur London niemals verlassen!“



Bei Frostpunk wird die Menschheit im Jahr 1886 von einer plötzlichen Eiszeit heimgesucht. Die Temperaturen fallen ins Bodenlose und Angesichts von Ernteausfällen und millionenfachem Kältetod bricht die Gesellschaft in sich zusammen. Als Anführer einer Gruppe Überlebender ist es meine Aufgabe,  ihnen im Schatten eines der großen Hitzegeneratoren eine neue Zukunft zu erschaffen, welche als letzte Anstrengung der Staaten gebaut und in geschützten Senken aufgerichtet wurden. 

Die Stadt muss überleben: Diese kleine Sammlung von Häuschen, die sich an den Generator schmiegt, ist die letzte Hoffnung der Zivilisation.


Plötzlich Eiszeit

Dafür muss ich im Stile eines klassischen Aufbaustrategiespiels Häuser errichten, für Nahrung und medizinische Versorgung sorgen sowie Kohle anhäufen, um die überlebensnotwendige Wärme zu generieren, ohne die meine kleine Stadt jämmerlich zugrunde geht. Zudem muss ich per Gesetz immer wieder Entscheidungen treffen: Gehe ich bei der Behandlung von Schwerkranken radikal vor und mache sie zu immerhin arbeitsfähigen Krüppeln oder füttere ich sie in Krankenlagern durch und hoffe auf eine neue Behandlungsmethode? Zwinge ich Kinder direkt in die Arbeit und riskiere schwere Verletzungen oder schaffe ich Unterbringungsmöglichkeiten mit einer Perspektive auf eine spätere Spezialisierung der Jugendlichen? Jede Entscheidung in den Gesetzesbüchern hat schwerwiegende Konsequenzen auf die Moral und Arbeitsfähigkeit meiner Bevölkerung und muss gut abgewogen werden. 

Der Überlebenskampf richtet sich dabei vor allem gegen das Wetter, was mit fiesen Temperaturschwankungen und heftigen Kälteeinbrüchen jeden kleinen Erfolg in Windeseile ins Gegenteil verkehrt. Jeder kleine Fehler in der Ressourcenbeschaffung wird brutal bestraft. 
Ruht man sich z.B.  während einer kurzen Wärmeperiode auf vollen Kohlelagern aus und nutzt seine Besatzungen um neue Technologien zu erforschen oder gleich mehrere Erkundungstrupps in der Eiswüste zu haben, wird man bei der nächsten Kältewelle brutal bestraft. Denn: Hunger, kalte Wohnungen, Krankheiten und Todesfälle führen zu steigender Unzufriedenheit und sinkender Hoffnung. Ist erstere kritisch oder letztere völlig verschwunden, habe ich als Anführer versagt. Und das passiert bei Frostpunk verdammt schnell. Ich muss meine Arbeiter und Ingenieure geschickt aufteilen – erste können alle einfachen Arbeiten erledigen, während letztere zwar auch anpacken, vor allem aber in der Werkstatt tüfteln und in den Krankenstationen Leben retten können. 
Hinzu kommen dramatische geskriptete Ereignisse, die die Handlung in den drei Szenarien der Release-Fassung vorantreiben. So muss ich mich in der Kampagne z.B. mit einer Gruppe von Separatisten auseinandersetzen, die nach Bekanntwerden des Untergangs aller anderen Städte dafür plädieren, die Siedlung aufzugeben und nach London zurückzukehren.  Die Moral bricht auf den Tiefpunkt zusammen und eine Revolte steht kurz bevor. 


Brutaler Überlebenskampf

Der Überlebenskampf richtet sich dabei vor allem gegen das Wetter, was mit fiesen Temperaturschwankungen und heftigen Kälteeinbrüchen jeden kleinen Erfolg in Windeseile ins Gegenteil verkehrt. Jeder kleine Fehler in der Ressourcenbeschaffung

Die Wärme-Anzeige ist ein wichtiges Werkzeug, um den Energieverbrauch zu beschränken und Lücken in der Dampfversorgung zu erkennen.

wird brutal bestraft. Ruht man sich z.B.  während einer kurzen Wärmeperiode auf vollen Kohlelagern aus und nutzt seine Besatzungen um neue Technologien zu erforschen oder gleich mehrere Erkundungstrupps in der Eiswüste zu haben, wird man bei der nächsten Kältewelle brutal bestraft. Denn: Hunger, kalte Wohnungen, Krankheiten und Todesfälle führen zu steigender Unzufriedenheit und sinkender Hoffnung. Ist erstere kritisch oder letztere völlig verschwunden, habe ich als Anführer versagt. Und das passiert bei Frostpunk verdammt schnell.

Ich muss meine Arbeiter und Ingenieure geschickt aufteilen – erste können alle einfachen Arbeiten erledigen, während letztere zwar auch anpacken, vor allem aber in der Werkstatt tüfteln und in den Krankenstationen Leben retten können. Hinzu kommen dramatische geskriptete Ereignisse, die die Handlung in den drei Szenarien der Release-Fassung vorantreiben. So muss ich mich in der Kampagne z.B. mit einer Gruppe von Separatisten auseinandersetzen, die nach Bekanntwerden des Untergangs aller anderen Städte dafür plädieren, die Siedlung aufzugeben und nach London zurückzukehren.  Die Moral bricht auf den Tiefpunkt zusammen und eine Revolte steht kurz bevor.

Das Gegenmittel: Den Menschen einen Lebenssinn geben, der sich bei Frostpunk auf die zwei exklusiven Gesetzesbereiche  Ordnung und Religion aufteilt. Und an diesem Punkt wird eine weitere Facette dieser Survival-Aufbausimulation deutlich, die mit ihrem moralischen Unterton stark an das von uns als „Spiel des Jahres“ ausgezeichnete This War Of Mine (ebenfalls von den 11-Bit-Studios) erinnert.

Faschist oder Fanatiker? 

„Heute haben sie James hingerichtet. Einfach so. Sie haben ihn aus seiner Wohnung gezerrt, ihn mit ihren verdammten Flegeln verdroschen und dann blutend vor den Generator geschleift. Einer von diesen beschissenen Kapuzenträgern hat ihm dann noch sein Verbrechen vorgetragen. Er hätte gegen das Wort unseres Captains und laut dem neuen Gesetz des Glaubens damit direkt gegen das Wort Gottes verstoßen. Einen Scheiß hat er. Das sind doch nur dreckige Lügen, um diese verdammten Fanatiker auf der Straße ruhigzustellen. Sie haben ihn bei lebendigem Leibe gekocht. Vor aller Augen. Verdammter Mist. Vielleicht ist dieser Winter Gottesstrafe genug, wenn wir zu solchen Gräueln fähig sind.“

Denn was harmlos mit einer kleinen Kirche oder einer selbstorganisierten Nachbarschaftswache anfängt, eskaliert schnell in

Vor allem in der Nacht wirkt Frostpunk beinahe malerisch.


einen fanatischen Kult mit öffentlichen Auspeitschungen oder einen faschistoiden Polizeistaat, dessen Überwachungsscheinwerfer die Nacht erhellen. Im Laufe der Kampagne gerät man als Anführer immer wieder an Bruchstellen der Hoffnung  - und muss teils drastische Entscheidungen treffen. So gibt es die Möglichkeit, die eigene Macht immer weiter auszudehnen und z.B. als finalen Schritt einen „neuen Glauben“ auszurufen, der die wankelmütige Hoffnung der Menschen durch fanatischen Glauben ersetzt. Eine gute Entscheidung für die Stadt, denn unwesentliche persönliche Befindlichkeiten wie Hunger oder Kälte rücken in den Hintergrund. Das Problem: Bei der Machtergreifung müssen unwiederbringliche Opfer gebracht werden, denn ein Teil der Bewohner wird rebellieren – und sterben. 

Erst ist es nur eine kleine Kirche ...


Flüchtlingskrise in der Eiswüste

Auch der Umgang mit Flüchtlingen und Fremden wird immer wieder thematisiert. Wie gehe ich mit verzweifelten Menschen um, die vor den Toren meiner Stadt auftauchen? Nehme ich nur die Arbeitsfähigen auf und lasse die Kranken und Kinder in der Eiswüste sterben? Eine Entscheidung, die meine Stadt vielleicht retten könnte, da keine Ressourcen an die Schwachen verschwendet werden. Dafür würde der Tod Hunderter mein Gewissen belasten – und vielleicht später auf mich zurückfallen.  Die Entwickler schaffen es auf diese Weise trotz der visuellen Distanz ein gewisses Gefühl für die Verzweiflung der Menschen zu vermitteln, wenngleich die Unmittelbarkeit des Leids wie in This War Of Mine fehlt. Stattdessen bleiben die meisten Bewohner kleine, wuselnde Punkte in den Straßen meiner Stadt, die vom Feuerschein des Generators und der vielen kleinen Dampf-Knotenpunkte erhellt wird. Somit fällt man einige harte Entscheidungen schneller, da man keine so intensive Bindung zu einzelnen Figuren aufbaut. 

Denn eines ist klar: Hier geht es eher um die Gemeinschaft und das Überleben der Gruppe – der Einzelne wird zu einem gesichtslosen Rädchen der Notgemeinschaft, das hauptsächlich funktionieren muss. Dementsprechend wichtig ist es, zentrale Gebäude wie die Krankenstationen und die Nahrungserzeugung mit Weiterentwicklungen der Isolierung und Verbesserung des Generators vor den frostigen Winden zu schützen, um den Fortbestand der Stadt zu garantieren. Zudem können gigantische Dampf-Roboter von den Scouts in der Eiswüste entdeckt und zur Arbeit eingesetzt werden, was vor allem die Versorgung mit der neuralgischen Ressource Kohle sicherstellen kann. Natürlich läuft hier alles gegen die Uhr der immer brutaler werdenden Kälte, sodass man sich entscheiden muss, welche Technologien man braucht – und auf welche Annehmlichkeiten man zugunsten der gesamten Stadt verzichten muss.

Konsequenz überzeugen. Der Bauplatz ist extrem begrenzt, die Ressourcen jederzeit unglaublich knapp und die Balance der Arbeitskraft ein Drahtseilakt. Minimale Fehler in der Arbeiter-Aufteilung können z.B. zu katastrophalen Engpässen in der Kohleversorgung führen – und ist der Generator erstmal aus, ist Holland in Not. 

Richtig gute Aufbaustrategie

Mechanisch und visuell kann Frostpunk auf ganzer Linie überzeugen: Zwar sind Forschungsbaum, Warensystem und Bevölkerungsstruktur deutlich reduzierter und geradliniger als bei Surviving Mars und Co., können aber mit gnadenloser

Dazu kommt ein schlüssiges Artdesign, das mit knirschendem Schnee, rotglühenden Generatoren, staksig-zerbrechlichen Dampf-Robotern und frostig-hoffnungslosen Illustrationen die Lage der Menschen ansprechend unterstreicht. Frostpunk ist dabei vielleicht keine klassische Grafikbombe wie Anno 2170, fängt das Geschehen in der kleinen Siedlung aber in wundervoller Kulisse ein. Zudem haben Entscheidungen auch visuelle Auswirkungen: Schlägt man z.B. den religiösen Pfad ein, tauchen mit jeder neuen Stufe der Fanatismus-Eskalation überall kleine und größere Symbole der Gläubigen auf, bevor am Ende ein gigantisches Monument der Kirche den Generator im Zentrum der Siedlung dominiert.

... und dann eine öffentliche Auspeitschung inklusive fanatischer Absolutheitsansprüche.




Ein Spiel, drei Szenarien

Neben dem Hauptszenario „A New Home“ umfasst die Survival-Strategie zwei weitere Kurzkampagnen, die ihren Fokus auf andere Probleme des Überlebens richten – so müssen in „The Arks“ etwa drei Gebäude mit Saatgut auf einem bestimmten Temperaturniveau gehalten werden ohne dabei Zugriff auf Arbeiter zu haben. Nur 50 Ingenieure und einige Maschinen müssen hier für die komplette Versorgung der Siedlung sorgen. Ein weiteres Szenario thematisiert große Flüchtlingswellen, die unter widrigen Bedingungen aufgenommen werden müssen. Beide Kampagnen sind kürzer als das Hauptszenario, bieten aber interessante Variationen der Grundmechanik.

„Als der Himmel endlich aufklart, haben wir die Sonne seit über eine Woche nicht gesehen. So einen Sturm habe ich noch nie erlebt. Dass wir überhaupt noch leben grenzt an ein Wunder. Doch welchen Preis haben wir bezahlt? Als wir die Straßen von Schnee befreien, legen wir die Leichen frei. Dutzende liegen dort, erstarrte Monumente unseres Verbrechens. Einige sind durch den Frost gestorben, doch die meisten sind erschlagen worden, als die Fanatiker die Macht an sich gerissen haben. Wir leben. Doch wird Gott uns verzeihen können?“ 

Fazit

Frostpunk inszeniert knüppelharte, sehr ansehnliche Survival-Strategie in einem spannenden Szenario. Jede kleine Fehlentscheidung, jedes Ausruhen auf einem errungenen Erfolg und jedes Missmanagement der Arbeitskraft führt zu einem unschönen Ende in der Eiswüste. Kulisse und Spielmechanik können dabei durchweg überzeugen – die Reduktion auf wenige Ressourcen, die übersichtliche Arbeiter-Aufteilung und praktische Anzeigen und Einblendungen sorgen für Übersicht und Kontrolle über die Abläufe in der Siedlung. Zufallsereignisse, heftige Wetterschwankungen und dramatische Wendungen machen das Überleben der kleinen Stadt aber dennoch zu einer wahren Herkulesaufgabe. Trotzdem kann die Vielzahl der unschönen moralischen Entscheidungen keine so enge Bindung zur Bevölkerung erzeugen wie noch bei This War of Mine, wo vor allem das Einzelschicksal im Vordergrund stand. Hier thematisieren die Entwickler vor allem das Überleben einer Gemeinschaft – und welche Opfer vom Einzelnen gebracht werden müssen, damit die Gesellschaft eine Krise übersteht. Über den Umgang mit Bedürftigen und Flüchtlingen sowie dem möglichen Griff zur absoluten Macht wird zudem die Moral des Spielers immer wieder gefordert. Welche Opfer mute ich den Menschen zu, um das gemeinsames Ziel zu erreichen? Wie vielen kann ich helfen, bevor ich selbst untergehe?

Pro

  • knallharte Aufbaustrategie
  • einfache, aber durchdachte Mechaniken
  • ansehnliche Kulisse
  • übersichtliche Statistiken
  • harte, moralische Entscheidungen
  • fieser Wandel zu religiösem Kult / Polizeistaat
  • drei Szenarien

Kontra

  • Distanz zu Bevölkerung macht Entscheidungen leichter
  • Entscheidungen werden zu Checklisten bei erneutem Durchgang
  • wenig komplexe Warenstrukturen
  • relativ lineare Kampagne
  • kein freies Spiel

Wertung

PC

Frostpunk ist kein so harter Tiefschlag in die Magengrube wie This War of Mine - aber trotzdem richtig gute Aufbaustrategie, die unangenehme moralische Fragen stellt.

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