AO International Tennis - Test, Sport, PlayStation4, XboxOne, PC

AO International Tennis
22.05.2018, Michael Krosta

Test: AO International Tennis

Große Ambitionen, kleines Tennis

Kaum zu glauben, aber wahr: Mit AO International Tennis (ab 24,55€ bei kaufen) beehrt erst jetzt das erste Spiel rund um den weißen Sport die aktuelle Konsolengeneration. Hat Entwickler Big Ant Studios mit dem offiziellen Spiel zu den Australien Open gleich ein Ass im Ärmel oder müssen wir uns noch länger gedulden, um endlich wieder ganz großes Tennis mit dem Controller erleben zu können?

Eines gleich vorweg: Viele bekannte Gesichter aus der Welt des Sports wird man hier nicht zu Gesicht bekommen. Zwar hat man einige Größen wie Rafael Nadal, Angelique Kerber, David Goffin oder Karolina Pliskova ins Spiel gepackt, aber viele Stars wie Roger Federer oder Andy Murray glänzen genauso mit Abwesenheit wie Veteranen im Stil von Boris Becker, John McEnroe, Andy Borg oder Stefan Edberg. Glücklicherweise kann die Community diesem Manko mit Hilfe der mächtigen Design-Werkzeuge zumindest etwas entgegenwirken: Bereits jetzt können zahlreiche Versionen der fehlenden Profis heruntergeladen werden, die Nutzer mit Hilfe des umfangreichen Editors erstellt haben, der mit seinen zahlreichen Optionen ohne Zweifel

Bekannte Gesichter wie Rafael Nadal zählen zu den Ausnahmen.
einen der Höhepunkte dieser Tennis-Simulation darstellt. Neben Tennisspielern hat man außerdem die Möglichkeit, eigene Logos zu designen oder gar Stadien nach eigenen Wünschen zu gestalten.

Wenig bekannte Gesichter, mächtige Editor-Werkzeuge

Schade nur, dass sowohl die selbst erstellten Spieler als auch die lizenzierten Profis und vorgefertigten Fantasie-Athleten auf dem Court keine so gute Figur abgeben – und das gleich in mehrerer Hinsicht: Zum einen wirken die Modelle recht grob und verfügen über keinerlei Mimik. Da fällt es selbst bei den wenigen prominenten Gesichtern teilweise schwer, diese starren Wachsfiguren mit den realen Vorbildern in Verbindung zu bringen. Selbst betagtere Tennisspiele aus der letzten Generation wie Virtua Tennis, Top Spin oder selbst EAs Grand Slam Tennis lieferten bessere Spielermodelle und brachten zudem auch die Stimmung auf den Courts deutlich authentischer rüber. Hier wirken die Stadien erschreckend statisch, denn weder auf den Rängen noch neben den Akteuren auf dem Platz gibt es bis auf Handzeichen der Linienrichter kaum Bewegungen. Kameras zeigen starr in eine Richtung und Balljungen werden komplett ignoriert. Am Ende der Partien gibt es nicht mal den üblichen Handshake zwischen den Sportlern zu sehen. Besser gelingt der Einstieg mit dem Betreten des Courts, bei dem auch der Münzwurf des Schiedsrichters und die anschließende Entscheidung zum ersten Aufschlagspiel Teil der etwas billigen Inszenierung sind.

 
Das Spielgefühl lässt zu wünschen übrig.
Die Matches enttäuschen aber nicht nur hinsichtlich der Präsentation, sondern vor allem in spielerischer Hinsicht. Zwar steht mit Drive, Topspin, Slice, Lobs, Schmetter- und Stopp-Bällen das volle Schlag-Repertoire zur Verfügung, das man sich auch in einer recht lieblos gestalteten Tutorial-Sektion aneignen kann. Aber den Ballwechseln mangelt es schlichtweg an Dynamik und einem kontrollierten Spielgefühl. Das liegt zum einen an der unnötig komplizierten Mechnik: Während man mit dem linken Analogstick einen Zielmarker in der gegnerischen Hälfte bewegt, um die Schläge zu platzieren, soll man gleichzeitig auch den Ausdauer- und Balancebalken direkt neben seinem Spieler im Auge behalten, um beim Loslassen der Taste das perfekte Timing für den Schlag abzupassen.


Mageres Spielgefühl

Die Folge: Das Auge wandert ständig unruhig zwischen diesen beiden Anzeigen hin und her, doch auf die Spielfigur selbst und die Ballwechsel konzentriert man sich praktisch überhaupt nicht. Muss man aber auch nicht unbedingt, denn bei den Bewegungsabläufen greifen ungefragt semi-automatische Hilfen unter die Arme, die den Spieler korrekt zum Ball ausrichten oder ein bisschen wie ein Magnet auf das gelbe Filz wirken – und das alles eingerahmt von merkwürdigen und sprunghaft wechselnden Animationsphase, die in manchen Situationen völlig unnatürlich wirken. Man realisiert schnell, dass man nie die komplette Kontrolle über seinen Tennis-Crack und das Geschehen auf dem Platz hat. Das gilt vor allem dann, wenn man nach einem Stopp-Ball des Gegners am liebsten noch nach vorne ans Netz stürmen würde, aber die Hilfen eingreifen und den Versuch automatisch abbrechen.

Dieser ärgerliche Umstand trägt gleichzeitig dazu bei, dass die Stopp-Bälle hier viel zu mächtig sind: Nicht nur die KI, auch andere Spieler in lokalen Partien oder über das Internet haben ihnen kaum etwas entgegenzusetzen. Häufig reicht es sogar schon aus, einen Aufschlag mit einem Stopp-Ball zurück zu spielen, um schnell und einfach zu punkten. Sollte es das Gegenüber doch noch rechtzeitig ans Netz schaffen, hat man meist leichtes Spiel und kann den Gegner entweder mit einem gut platzierten Return passieren oder einem Lob übertölpeln. Wer seinen Aufschlag perfektioniert, hat ebenfalls eine mächtige Waffe, für die es kaum ein wirksames Gegenmittel gibt. Ich konnte die KI teilweise mit einem perfekten Spiel voller Asse vom Platz fegen und auch Online-Partien werden von Assen dominiert, wenn die Spieler den Bogen für einen guten Aufschlag raushaben. Vom klassischen Tennis bleibt da nicht mehr viel übrig, wenn man sich nur Asse oder Stopp-Bälle um

Auch gemischte Doppel oder Matches zwischen Herren und Damen sind möglich.
die Ohren haut. Stattdessen regiert der Frust, der zwischendurch auch immer wieder in kleinen Spitzen nach oben ausschlägt, wenn der Spieler beim Aufschlag des Gegners gar nicht reagiert und das nächste Ass folgt.

Übermächtige Stopp-Bälle

Schafft man es dagegen, den Return nach einem Aufschlag zu meistern und konzentriert sich auf das Grundlinienspiel, entsteht bei längeren Ballwechseln zumindest im Ansatz das Gefühl, endlich Tennis zu spielen, zumal man dem etwas eintönigen Ping-Pong neben den Schlagvarianten vor allem mit Hilfe einer kräftigeren Topspin-Variante einen schönen Tempowechsel aufzwingen kann. Wenn es mal rund läuft, kann man sich zumindest im Kampf gegen die KI ein paar spannende Duelle liefern. Auf Wunsch kann man sogar den lästigen Zielmarker und andere visuelle Hilfen abschalten, um sich stärker auf Spieler und Ball zu fokussieren anstatt immer nur die Anzeigen im Auge zu behalten. Allerdings konnte sich selbst nach zahlreichen Matches immer noch kein echtes Gefühl für die Schläge und das ideale Timing entwickeln und habe sie notgedrungen wieder aktiviert. Auch mit der alternativen Steuerung, bei der man alle Schläge statt Knopfdrücken mit dem rechten Analogstick ausführt, wurde ich einfach nicht warm und bin ebenso schnell wieder zur klassischen Variante zurückgekehrt. Unabhängig davon fällt auf, dass man sich zwar durchaus interessante Duelle gegen die KI liefern kann, sie aber nur selten ihr Verhalten nicht anpasst, wenn man sie ständig nach dem gleichen Muster abfertigt. Selbst wenn man als Spieler die Position für seinen Aufschlag variiert, verharrt das Gegenüber immer an der gleichen Stelle anstatt sich entsprechend anzupassen, wie man es z.B. auch bei Virtua Tennis & Co gesehen hat.

Echte Stimmung kommt auf der Courts nicht auf.
Dort legten sich die Sportler auch noch richtig ins Zeug, um den Ball zu erreichen – oder es zumindest zu versuchen. Akrobatische Einlagen wie den bekannten „Becker-Hecht“ gibt es hier dagegen nicht zu sehen. Im Gegenteil: Man hat viel häufiger das Gefühl, dass die Spieler lieber aufgeben anstatt darum zu kämpfen, um den Filzball im Spiel zu halten. Daher ist es nicht nur ein Graus, selbst als aktiver Spieler auf dem Platz zu stehen – auch das Zuschauen tut hier oft weh! Hinzu kommt, dass man kaum einen Unterschied bei der Ballphysik oder den Spielerbewegungen spürt, wenn man auf einem Sand-, Gras- oder Hartplatz steht. Big Ant Games wollte vielleicht tatsächlich eine Tennissimulation abliefern. Viel erfolgreich umgesetzt hat man davon allerdings nicht. Cool ist lediglich, dass man Schiedsrichter-Entscheidungen in einem begrenzen Umfang anzweifeln und eine „Challenge“ auf Knopfdruck starten darf. Wird sie aktiviert, wird noch einmal genau hingesehen, ob ein Ball z.B. wirklich im Aus war oder es sich um eine Fehlentscheidung gehandelt hat. Tatsächlich liegen die Unparteiischen hin und wieder daneben – es kann sich also durchaus lohnen, manche Situationen nochmal genauer begutachten zu lassen.

Kein Kämpferherz

Neben einzelnen Matches, deren Rahmenbedingungen sich anpassen lassen, hat man auch die Möglichkeit, das komplette Grand Slam Turnier der Australian Open nachzupielen oder ein eigenes Turnier anzulegen, das mit acht Teilnehmern entweder klein ausfallen oder als Großereignis mit bis zu 128 Spielern konzipiert werden darf. Beides geht allerdings nur offline, während man bei Duellen über das Internet mit Einzel-Partien Vorlieb nehmen muss. Immerhin sind auch hier Doppel, gemischte Doppel und sogar Einzel-Matches für den Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau möglich. Ansonsten beschränkt sich der Online-Modus leider auf ein automatisches Matchmaking oder die Möglichkeit, eine eigen Lobby anzulegen. Kleiner Trostpreis der mageren Auswahl und frustrierenden Erlebnisse voller Wumms-Aufschläge sowie fieser Stopp-Bälle: Die Performance über das PSN und Xbox Live ist ordentlich ohne fiese Verbindungsabbrüche oder Lags, die gerade im Fall von Tennis fatal wären.

Fähigkeiten gegen Geld

Im Editor lassen sich mehr oder weniger attraktive Spieler erstellen.
Das Herzstück bildet die Karriere, in der man sich entweder mit einem bereits vorgefertigten Spieler oder einer Eigenkreation auf der Weltrangliste nach oben arbeitet und seine Fähigkeiten stetig verbessert. Das geschieht zum einen durch Rangaufstiege, in denen man die gewonnenen Punkte wie in einem Rollenspiel in den Ausbau von Kraft, Reflexe, Aufschlaggeschwindigkeit, Ausdauer und Geschwindigkeit seines Athleten investiert. Etwas bizarr wird es, wenn man seine spielerischen Qualitäten aufpeppen möchte: Will man z.B. seine Rückhand für Spin-Schläge oder sein Volley-Talent steigern, kann man entweder klassisch die entsprechenden und ziemlich öden Trainings-Minispiele absolvieren oder...man investiert einfach seine Preis- und Sponsorengelder. Ja, das ist kein Scherz. Die Moneten werden nicht nur für den Trainer-Stab ausgegeben, um sich mit besseren Unterstützungsteams schneller von Verletzungen zu kurieren, effektivere Trainingsergebnisse zu erzielen oder sein Ego mit einer Extra-Portion Selbstvertrauen zu stärken, um in optimaler Form den Court zu betreten. Es ist und bleibt einfach eine abstruse Vorstellung und wirkt völlig deplatziert, dass man sich in einem Spiel, das eine Tennissimulation sein will, seine spielerischen Fähigkeiten einfach mit Geldscheinen ausbauen kann. Darüber hinaus ist die Karriere genauso dröge wie die ihre Aufmachung: Zwar gibt es am Umfang nichts zu meckern, aber eigentlich klappert man nur lieblos ein Turnier nach dem anderen ab, gönnt sich neben Trainingseinheiten auch mal eine Auszeit und wechselt bei Bedarf seine Sponsoren sowie Unterstützungsteams. Da verkommt der Aufstieg in der Weltrangliste schnell zu einer zähen und ziemlich langweiligen Angelegenheit, die zudem von langen Ladezeiten begleitet wird.

Fazit

Hat sich das lange Warten auf das erste Tennisspiel für die aktuelle Konsolengeneration gelohnt? Im Fall von AO International Tennis lautet die Antwort leider nein. Das liegt nicht unbedingt an der angestaubten Präsentation mit ihren erschreckend hölzernen Spielermodellen aus dem Wachsfigurenkabinett, der fehlenden Stimmung auf den Courts oder gar der schwachen Inszenierung. Damit hätte man sich zur Not noch arrangieren können. An den gebotenen Inhalten gibt es angesichts der umfangreichen Karriere mit der Weiterentwicklung des eigens im detailverliebten Editor erstellten Sportlers ebenfalls nichts zu meckern, zumal man neben einzelnen On- und Offline-Partien dank der offiziellen Lizenz zusätzlich die Australian Open bestreiten darf. Neben dem bekannten Grand Slam Turnier hat Entwickler Big Ant Studios sogar ein paar reale Profis ins Spiel packen dürfen, darunter Rafael Nadal oder Angelique Kerber, doch wird man viele große Namen des Sports vermissen, auch wenn der Editor in Kombination mit den Community-Funktionen dem etwas gegensteuern kann. Leider enttäuscht AO International Tennis vor allem dort, worauf es ankommt: beim Spielgefühl auf dem Platz! Die halbautomatischen Bewegungsabläufe, kombiniert mit übermächtigen Aufschlägen und Stopp-Bällen sowie unglücklich platzierten Anzeigen lassen hier einfach keinen ordentlichen Spielfluss aufkommen. Selbst ohne die ständige Ablenkung durch die optionalen visuellen Hilfen fällt es schwer, ein Gefühl für das richtige Timing zu entwickeln. Ärgerlich zudem, dass die Spieler durch das automatische Ausbremsen viel zu oft schon von alleine die Flinte ins Korn werfen. Mir geht es nach dieser Tennis-Erfahrung ähnlich: Da wartet man schon so lange, bekommt mit AO International Tennis aber leider immer noch keine adäquate Umsetzung des attraktiven Sports für die aktuelle Konsolengeneration.

Pro

  • umfangreiche Editor-Funktionen (Spieler, Logos etc.)
  • komplettes Grand Slam Turnier (Australian Open) spielbar
  • zahlreiche Anpassungen möglich (Match-Länge, Anzeigen)
  • Schiedsrichter-Entscheidungen können beanstandet werden
  • ein paar lizenzierte Tennis-Profis...
  • saubere Online-Performance

Kontra

  • lange Ladezeiten
  • Stopp-Bälle und Aufschläge viel zu übermächtig
  • grob modellierte Spielermodelle
  • ...aber viele große Namen fehlen
  • fummelige Spielmechanik zerstört Spielfluss
  • Spieler rennt und positioniert sich teilweise automatisch (oder auch gar nicht)
  • dröge Karriere
  • KI stellt sich nicht auf Muster ein
  • verbesserte Fähigkeiten gegen Ingame-Währung
  • magere Präsentation

Wertung

PlayStation4

So spaßfrei wie ein Doppelfehler: Mit AO International Tennis vermiesen die Big Ant Studios leider den Tennis-Auftakt auf der aktuellen Konsolengeneration.

XboxOne

So spaßfrei wie ein Doppelfehler: Mit AO International Tennis vermiesen die Big Ant Studios leider den Tennis-Auftakt auf der aktuellen Konsolengeneration

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