Mario Tennis Aces - Test, Sport, Switch

Mario Tennis Aces
21.06.2018, Jan Wöbbeking

Test: Mario Tennis Aces

Endlich wieder großes Tennis?

Nach Gurken wie Tennis World Tour oder AO International Tennis schickt Nintendo sich an, den Filzball zu retten. Realistisch geht es natürlich auch hier nicht zu, als lokales Partyspiel taugt es aber bestens! Kann diesmal auch das Programm für Einzel- und Online-Spieler überzeugen?

Vor drei Jahren enttäuschte Entwickler Camelot mit Mario Tennis: Ultra Smash. Für ein paar lustige Matches auf der Party reichte das Comic-Gebolze allemal, für Online- oder Einzelspieler gab es aber sehr wenig zu tun. Diesmal spendieren das Studio und Publisher Nintendo etwas mehr Inhalte: Es gibt zwar leider keine vollwertige Sportler-Karriere wie in Virtua Tennis, Top Spin & Co. – man darf allerdings mit Mario auf eine Reise gehen, mit der man sich immerhin rund vier bis fünf Stunden beschäftigen kann. Ähnlich wie in Mario vs. Rabbids hat man sich dafür entschieden, dem Spiel einen Genre-untypischen Rahmen zu verpassen. Nachdem Wario und Waluigi sich den magischen Schläger aus der antiken Solarius-Ruine unter den Nagel reißen, muss Mario wieder einmal die Welt retten. Seine Widersacher haben schließlich den uralten violetten Dämon Luzius entfesselt, der zu seiner Terrortennis-Herrschaft nur noch die fünf heiligen Schätze benötigt. Also muss Mario ihm zuvorkommen. Auf seiner Reise an typische Schauplätze wie einen Wald, eine Gruselvilla oder verschneite Berge muss er sich gegen diverse Schergen behaupten, die unter Luzuis‘ Gedankenkontrolle stehen. Natürlich auf dem Tennisplatz – wie will man auch sonst die Weltherrschaft erlangen?

Endlich mehr Fleisch am Tennisknochen?

Gleich wird es ungemütlich für den Kong!
Die Idee klingt zwar dämlich, geht aber auf – zumal auf diese Weise auch die übermenschlichen Superschlag- und Zeitlupen-Kräfte erklärt werden, die Mario bei seinem Besuch im Tempel erlernt. Außerdem ist die Story-Unterfütterung eine schöne Gelegenheit, variantenreiche Plätze zu entdecken und für die Mehrspieler-Modi freizuschalten. So rennen z.B. massenhaft Touristen über einen Bahnhofsplatz, die den Ball ablenken können oder zum Teil sogar mit ihrem Schläger zurückschlagen. Für turbulente Momente sorgen auch der mittige Mast auf dem Schiffsdeck oder die fleischfressenden Pflanzen, die auf Höhe des Netzes in ihren Töpfen lauern. Hat man Pech, macht es „haps“ und die nächste Pflanze spuckt die Filzkugel nach kurzer Verdauungspause in eine ganz andere Richtung aus: „Mäpp – plopp – aus - nein!“

Um die Sache weiter aufzulockern, gibt es neben (mehr oder weniger) gewöhnlichen Tennis-Matches auch Bosskämpfe und Herausforderungen. Die Gefechte gegen einen Eisgiganten mit Riesenfäusten oder trickreiche Spiegel-Geister gestalten sich durchaus unterhaltsam, weil der Spieler immer wieder umdenken muss. Mal legt man mit dem Filzball eine Schwachstelle frei, um schließlich das Auge zu malträtieren, kurz danach weicht man auf dem Feld Trümmern aus, die der Boss auf Mario niederregnen lässt. Die Qualität der Übungs-Herausforderungen schwankt: Sie gestalten sich eine ganze Ecke kniffliger als die übrigen „Levels“, zwingen den Spieler aber meist schön dazu, die verschiedenen Schlagtechniken auszunutzen. Das Abräumen kleiner Gitterziele oder eine Squash-Prüfung mit übernatürlichen Spiegel-Rätseln kann schon mal die Nerven strapazieren, weil nur wenig erklärt wird. Sobald man erkennt, dass bestimmte Techniken gefragt sind, sorgen die Tests aber für einen schönen Trainings-Effekt: „Ach so – ich soll also den harten Schlag üben und möglichst effektiv Energie für noch härtere Zielschläge aufbauen“. Selbst wenn man scheitert, levelt man Mario und seine Statuswerte ein wenig hoch – was bei uns zum Glück nicht in zu viel Grind ausartete.

Bosskämpfe in einem Tennisspiel?

Bosskampf oder Tennis-Match? In Mario Tennis Aces (ab 52,00€ bei kaufen) verschmelzen diese Kategorien.
Das Repertoire an Schlagtechniken ist ein Volltreffer: Einfach genug für Einsteiger, aber variantenreich genug, damit Profis sich spannende, teils richtig lange Ballwechsel liefern können. Da der Ball hier noch etwas seltener ins Aus geht als in Virtua Tennis, dreht sich fast alles um den geschickten Einsatz diverser Spezialtechniken. Wer sich gut positioniert und früh genug das entsprechende Knöpfchen drückt, kann mit Topspin, Slice, Lob, Stopball oder hartem Schlag schnell die Energieanzeige aufladen. Ab einem gewissen Füllstand lässt sich dann recht einfach ein „Zielschlag“ oder sogar ein verheerender „Spezialschlag“ starten. Dazu drückt man einfach eine Schultertaste und peilt aus der Ego-Perspektive das Ziel an. Wahlweise donnert man den Filz zum Satzgewinn in eine unerreichbare Ecke – oder man zielt vor den Körper des verdutzten Gegners, der mit gutem Timing parieren muss. Schafft er das mehrmals  nicht, zerbricht sein Schläger, was bei mehreren zerstörten Exemplaren zu einem K.O.-Sieg führt.

In unseren Matches spielte die Zerstörungswut keine allzu große Rolle, doch auch für Körpertreffer oder die allgemeine Demoralisierung des Gegenübers wirkt die kraftvolle „Attacke“ Wunder. Wer sich davor schützen möchte, darf eine begrenzte Zeitlupe einsetzen, die allerdings an der Energie zehrt und ebenfalls gutes Timing erfordert. Ähnlich gut gehen in brenzligen Momenten die Hechtsprünge von der Hand, mit denen die 16 putzig animierten Athleten sogar noch weit entfernte Superschläge erreichen. Der Kettenhund etwa fliegt als rotierende Kugel ans Ziel und Yoshi kann sich sogar in ein kullerndes Ei verwandeln. Allzu groß ist das Start-Aufgebot an Spielern nicht, es bietet aber genügend Raum für Experimente mit unterschiedlich großen und flotten Figuren. Auch die farbcodierten Konter starker Schläge sind erneut vertreten, was vor allem geübte Spieler freuen dürfte.

Gelungenes Schlagrepertoire

Vorsicht, bissiger Spezialschlag!
Wer genug vom Abenteuer hat, kann als Einzelspieler zusätzlich kurze Turniere angehen oder den „Realmodus“ (für bis zu vier Spieler) ausprobieren, der düstere Erinnerungen ans Zeitalter der Bewegungssteuerung weckt. Ähnlich wie in Wii-Zeiten stellt man sich vor den Schirm und startet mit den Joycons in der Hand ausladende Schlagbewegungen. Die Spielfigur wird dabei automatisch oder mit dem Stick gesteuert. Yep, das macht genau so wenig Spaß, wie es klingt, denn die Schlaggesten werden nicht immer präzise genug erfasst. Wahlweise kann man auch extragroße Tennisbälle ins Spiel bringen oder sich an einem Ballwechsel-Marathon versuchen – hurra!

Schade, dass sich mit der drahtlosen Verbindung nur zwei Spieler duellieren dürfen, was wir mangels zweitem Testmuster nicht ausprobieren konnten. Im lokalen Multiplayer vorm TV für bis zu vier Teilnehmer hat Camelot dagegen ins Schwarze getroffen: Mario Tennis Aces dürfte auf unseren nächsten Spiel-Parties zur heftigen Konkurrenz für Mario Kart werden. Wir haben schon lange nicht mehr so viel bei einem Mehrspieler-Titel gelacht! Und obwohl meine ins Konsolenbüro geschleiften Kollegen angeblich gerade unheimlich viel zu tun hatten, wollten sie irgendwann fast gar nicht mehr gehen. Das kann nicht jedes Spiel von sich behaupten! Die eingängige Steuerung klappt auch auf den Joycons prima. Die wilden Spezial- und Rettungsmanöver sorgen vor allem im Doppel für lustige Missverständnisse oder turbulente Rettungsaktionen.

Gaudi vorm Fenseher

Das "hübsche" hohe Gras im Fokus.
Ein kleiner Dämpfer sind wieder einmal unverständliche Nintendo-typische Beschränkungen. Warum gibt es kein Turnier und lediglich so kurze Matches (ein verkürzter Satz oder nur ein Tiebreak)? Wer möchte, darf leere Plätze immerhin mit Computer-Gegnern auffüllen. Ein wenig seltsam wirkt auch der Umstand, dass lokale TV-Matches zwangsweise im Splitscreen dargestellt werden. Es ist zwar schön, dass dadurch alle am unteren Bildrand spielen können, eine optionale klassische Darstellung hätte aber für mehr Übersicht gesorgt – gerade auf kleineren Bildschirmen. Auf großen Fernsehern sorgt eher die seltsame Rasendarstellung für Irritationen: Auf einem gewöhnlichen Rasenplatz geht die relativ platte grüne Fläche noch in Ordnung. Im Wald jedoch flimmern seltsam unscharfe Halme auf hässliche Weise durcheinander – ist das niemandem im Team aufgefallen? Ähnlich unschön wirken die unsauberen Schattenkanten.

Auf Online-Spieler wartet ebenfalls eher ein Sparprogramm. Nintendo plant Turniere, bei denen man sich in einer begrenzten Zeitspanne in der Rangliste nach oben arbeiten kann – ähnlich wie am zweitägigen Demo-Wochenende Anfang Juni. Die Turnier-Option soll laut Hersteller aber erst am Starttag freigeschaltet werden. Bislang lassen sich in unserer Testfassung nur simpel gestrickte Einzel-Matches bestreiten, bei denen es sich ebenfalls um einen verkürzter Satz oder ein Tiebreak handelt. Dabei wird dem Spieler nicht einmal ein Rang oder ähnliches zugeordnet. Das Programm zählt lediglich die Siege oder Niederlagen gegen den aktuellen Gegner – nicht gerade fortschrittlich. Eine überschaubare Menge an Konfigurationsmöglichkeiten legt z.B. Details zur (etwas umständlichen) Platzwahl oder zur Deaktivierung von Special-Moves fest. So darf man auch entscheiden, ob es zu KO-Niederlagen kommt, wenn sämtliche Schläger zerschmettert wurden.

Mageres Online-Programm

Wer darf's sein?
Bis zu zwei Spieler können dabei an einer Konsole ins Netz gehen, um sich in Solo- oder Doppel-Spielen zu behaupten. Schade, dass man nicht einmal die Region festlegen kann, denn hin und wieder traten bei unseren Matches kurze Lags auf. Die wirken sich nicht allzu dramatisch auf den Spielspaß aus, da man ohnehin ständig damit rechnet, dass der Gegner die Zeitlupe startet und so den Rhythmus unterbricht. Ein interessantes Extra, das sich natürlich auch taktisch einsetzen lässt, um den Gegner aus dem Konzept zu bringen.

Wer in gewöhnlichen Internet-Duellen mehr Einfluss auf die Verbindungsqualität (und den Spielstil) nehmen möchte, muss sich also Freunde in eine selbst angelegte Runde einladen. Schade, dass schon wieder ein Online-Modus aus dem Hause Nintendo von künstlichen Einschränkungen und einem Mangel an Optionen heruntergezogen wird. Im Grunde sorgen das ausgefeilte Repertoire an Schlagtechniken und die sehr unterschiedlichen Plätze nämlich für spannende Duelle mit enormem Suchtpotenzial. Nach und nach wird man immer sicherer beim Einsatz der Spezialschläge und Rettungsaktionen, so dass die verbissenen Ballwechsel immer länger werden.

Eigentlich spannend

Fazit

Mit Freunden vorm Fernseher ist Mario Tennis Aces eine echte Spaßbombe: Mario Kart 8 dürfte in ernsthafte Gefahr geraten, auf den nächsten Spieleabenden von der Konkurrenz aus eigenem Hause abgelöst zu werden! Der Arcade-Mix aus klassischen Schlägen und Spezialtechniken ist einfach genug für Einsteiger, bietet Könnern aber genügend Potenzial für verbissene, lange Ballwechsel. Mit echtem Tennis hat das bunte Gewusel nur wenig zu tun, dafür umso mehr mit viel Abwechslung und angenehm albernen Störfaktoren wie Schiffsmasten oder ballfressenden Pflanzen mitten auf dem Netz. In Sachen Umfang und Modi-Vielfalt schneidet das Spiel deutlich besser ab als sein viel zu sparsamer Vorgänger; ideal wirkt das Angebot aber auch diesmal nicht. Der kurze aber ungewöhnliche Story-Modus mit Bossen ist durchaus unterhaltsam und zwingt den Spieler zum Erlernen wichtiger Aktionen. Doch bei der Internet-Anbindung hinkt Nintendo der Sportspiel-Konkurrenz nach wie vor weit hinterher: Es mangelt nicht nur an grundlegenden Optionen wie einer Regionswahl oder wenigstens einfachen Chat-Symbolen, sondern auch an einem motivierenden Rangsystem. Ob die angekündigten Turniere die Lücke füllen können, wird sich zeigen. Da der Turnier-Modus laut Nintendo erst zum offiziellen Start nachgepatcht wird, behalten wir uns vor, die Wertung anzupassen, falls sich die Änderung positiv oder negativ auf das Online-Erlebnis auswirkt.  Für unsere Wertung gehen wir erst einmal davon aus, dass die Umsetzung ähnlich abläuft wie am Demo-Wochenende Anfang Juni.

Pro

  • griffig-präzise Arcade-Steuerung
  • nützlicher, toll abgestimmter Mix aus gewöhnlichen und albernen Spezial-Schlägen
  • lokal zu viert auf dem TV ein Riesenspaß
  • albern animierte Nintendo-Stars
  • lustige Besonderheiten und Störenfriede auf manchen Plätzen
  • flüssige, farbenfrohe und weitgehend saubere Kulisse
  • abwechslungsreiche Bosse im Einzelspieler-Abenteuer
  • gelegentliche zeitlich begrenzte Online-Turniere
  • Eigenheiten der Steuerung werden in den Story-Herausforderungen meist schön gefordert

Kontra

  • Online-Einzelmatches ohne Rangsystem oder Herausforderungen
  • weder Sprach-Chat noch Symbole zur Online-Verständigung
  • online gelegentlich kurze Lags
  • Spielersuche bietet keine Möglichkeit, die Region zu begrenzen
  • Mitunter nervige Zwangs-Herausforderungen in der Story wie Squash
  • hässlich unscharfer hoher Rasen und unsaubere Schattenkanten
  • lokal mit drahtloser Verbindung nur zu zweit möglich
  • ungenaue Gesten-Steuerung im Realmodus
  • nur kurze Matches möglich

Wertung

Switch

Lokal ist Mario Tennis Aces feinstes Party-Material und auch der kurze Story-Modus kann meist überzeugen - online hinkt Nintendo der Konkurrenz aber wieder weit hinterher.

Echtgeldtransaktionen

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Kommentare
Krulemuk

Mir hat es auch sehr gut gefallen und war für mich (Vorsicht unpopuläre, subjektive Meinung) das beste Spiel von Nintendo im Jahre 2018 vor Smash.

Ich hatte mit dem Abenteuermodus jedenfalls sehr viel Spaß und empfand das Gameplay und die Spielstruktur als sehr gelungen. Ich wünsche mir seitdem ein Mario Golf mit einem ähnlich gelungenen Abenteuermodus...

vor 5 Jahren
vor 5 Jahren
Der Chris

Meinst du den Mario Sports Mix? Das ist wahrscheinlich so ungefähr das einzige was ich nicht gespielt hab.
Jop das meine ich. Selbst gespielt hab ich es auch nicht, daher will ich mich da halt eben nicht aus dem Fenster lehnen. Aber 4 Sportarten klingt halt auf den ersten Blick schonmal deutlich umfangreicher als nur Tennis ^^'. Auf 3DS waren es wohl sogar 5 Sportarten.
Das sah mir allerdings zu sehr danach aus, dass jede dieser Sportarten so auf die Komplexität eines Minispiels heruntergebrochen worden wäre. Da bevorzuge ich doch immer die richtig ausgeführten Sportspiele.

Da du das Sonic Tennis angesprochen hast (heißt übrigens Sega Superstars Tennis). In dem Spiel gab es recht viele Minigames, die man auch im Multiplayer spielen konnte als Alternative zum normalen Tennis.
z.B. einen Modus in dem man für Punkte Zombies abgeschossen hat: https://www.youtube.com/watch?v=QO2hemXeELk

Ich weiß jetzt nicht ob Mario Tennis Aces abseits des Story-Modus auch solche Alternativen hat, aber wenn dem nicht so ist, finde ich es durchaus etwas mager =/
Gut, dass du das ansprichst. Ich hab auch direkt mal in den Thread im Switch Forum hereingefragt. Die Mario Tennis Spiele hatten so was eigentlich auch immer. Vor allem die GC Version hatte wohl einige nette Minigames. Das ist dann irgendwie eine Tradition mit der sie scheinbar in den WiiU und 3DS Ablegern gebrochen haben. Auf dem N64 gab es damals immerhin Modi mit Items und solche Dinge. Also irgendwas gab es da eigentlich immer meist noch...außer halt in den letzten paar Spielen.

vor 6 Jahren