Wreckfest - Test, Rennspiel, XboxSeriesX, XboxOne, Switch, PC, XboxOneX, PlayStation4, PlayStation5

Wreckfest
25.06.2018, Benjamin Schmädig

Test: Wreckfest

Kontrolliertes Chaos

Typisch 2018: Die Spielewelt entwickelt sich weiter, findet vielerorts aber auch zu ihren Wurzeln. Und mit Wreckfest (ab 19,98€ bei kaufen) ist es jetzt das finnische Studio Bugbear, das sich auf das besinnt, womit sein Flatout einst bekannt wurde. Da passiert nämlich nicht viel mehr, als dass 24 Autos im Sand wühlen und im karosserievernichtenden Destruction Derby um den Sieg ringen. Macht so was heute noch Spaß? Wir haben uns für einen Test auf die Pole gedrängelt.

Richtig heimisch fühlt man sich hier – nicht im eigentlichen Sinne, aber als wäre man auf einer Rennstrecke neben der lokalen Kiesgrube oder in einem nahen Waldstück unterwegs. Da findet kein lautes Rennfestival für Hipster statt, da sucht kein Team den nächsten Supermegafernsehstar. Da wurde einfach nur ein Weg abgesteckt, der über Sand, Schotter und Asphalt führt und mal mehr, mal weniger fest mit Leitplanken, Zäunen oder Reifenstapeln befestigt ist.

Esspappe und Reifentropfen

Letzteres ist vor allem deshalb interessant, weil die Physik hier eine große Rolle spielt. Genauer gesagt jene Physik, die dafür sorgt, dass Reifen beim Kontakt mit schnellen Stoßstangen wie riesige Wassertropfen in alle Richtungen fliegen, Holz wie Esspappe splittert und Autotüren weit nach innen gedrückt werden. Die Verformungen sind nicht so eindrucksvoll wie im bald zehn Jahre alten Burnout Paradise, dafür feiert Wreckfest das Martialische am Autofahren in seiner reinsten Form.

Röhrende Motoren im Waldstück nebenan: Wreckfest wirkt angenehm bodenständig.

Immerhin ist auch die Fahrphysik näher an der Realität, wenn man beim Umkurven der stattlichen 22 Strecken (fast alle gibt es in verschiedenen Ausführungen) gefühlvoll mit Gas und Bremse spielt, um sanft durch enge und weite Kurven zu rutschen. Mir beschert das wunderbare Erinnerungen an das hierzulande kaum bekannte Dirt Track Racing oder das kürzlich erschienene Gravel, das es allerdings stärker an exotische Schauplätze zieht und sich eine Idee anspruchsvoller fährt.

Lasst euch nicht einfach wegschubsen!

Was Bugbear dabei richtig klasse hinbekommt, ist das Fahren im Pulk, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen sorgt die überzeugende Physik dafür, dass man nicht wie ein Wattebausch umher geschoben oder gar in die falsche Richtung gedreht wird, nur weil man Lack an Lack durch eine Kurve schlittert. Natürlich sorgen Schubser in Höhe eines Hinterrads für quer stehende Kontrahenten! Aber im Gegensatz zu fast jedem anderen Rennspiel muss selbst die KI dieses Manöver sauber und mit großer Wucht ausführen, damit es funktioniert.

Denn das ist der zweite Grund, aus dem das Gerangel Laune macht: Die vom Spiel gesteuerten Piloten beherrschen das ruppige Aus-dem-Weg-Rempeln ebenso gut wie faire Rad-an-Rad-Duelle. Im Gegensatz zu ihren Kollegen vieler anderer Spiele wissen sie viel besser, wann schieben und drücken erstens nervt und zweitens sinnlos ist – in solchen Situationen fährt man spannende Überholmanöver, falls man die richtige Lücke findet. Im „richtigen“ Moment knallt einem die KI dann allerdings

Die KI-Fahrer spielen klasse mit: sie schubsen, wenn es sinnvoll ist, erlauben sonst aber spannende Rad-an-Rad-Duelle.
auch mit voller Wucht in die Seite! Das Spiel trägt seinen Namen ja nicht umsonst.

Künstlich, aber intelligent

Und Bugbear unterstützt diesen Spielfluss durch ein cleveres Punktesystem, das Gewinnern zwar die mit Abstand meisten Zähler verleiht, gleichzeitig aber das Schubsen und Drehen von Gegnern belohnt und mitunter sogar für drei solcher Gemeinheiten die Belohnung fürs Erfüllen des sekundären „Missionsziels“ ausschüttet. So entfachen die Finnen eine Art gezieltes Chaos – einen von kontrollierter Rage angetriebenen Rennzirkus.

Dummerweise geht ihnen nur etwas früh der Sprit aus, denn nicht alle Bausteine passen perfekt auf das hervorragende Fundament. Das fängt mit den eben noch gelobten Kontrahenten an, die selbst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe viel zu langsam sind. Geht man Karambolagen aus dem Weg, rollt man nämlich fast immer als Schnellster um die Kurven; auf Ovalen schleicht die KI sogar absurd langsam umher. Warum es nicht mindestens einen höheren Schwierigkeitsgrad gibt, ist mir ein Rätsel.

Auch im Kreis fahren will gelernt sein

Ärgerlich finde ich außerdem das Fehlen jedweder Anzeigen über die Positionen anderer Fahrzeuge. Beim Blick über das Heck des eigenen Wagens lässt sich die Situation noch gut genug einschätzen. Nimmt man hinterm Lenkrad Platz, vermisse ich entsprechende Hinweise aber schmerzlich. Einen Rückspiegel gibt es ja nicht. Und apropos: Mein G29 erkennt Wreckfest zwar – verwenden konnte ich es im Spiel allerdings nicht.

Und dann sind da noch das furchtbar umständliche Aufrüsten und Einstellen der Boliden sowie die starre Karriere. Immerhin besteht Letztere aus Meisterschaften mit verschiedenen Veranstaltungen, weshalb man nicht nur in unterschiedlichen Rennklassen um eine gute Platzierung kämpft, sondern gelegentlich auch ein vorgegebenes Vehikel nutzen oder im puren Destruction Derby so lange wie möglich dem Verschrotten entgehen muss. „Muss“, wohl gemerkt, denn leider reicht es nicht, in einigen Events so viele Punkte zu verdienen, dass man andere überspringen kann – ausgesprochen blöd, wenn man

Gelungene Varianten

Rasenmähen statt Rennspaß

Wreckfest unterstützt Modifikationen über Steams Workshop. So aktiviert man dichtere Staubwolken oder Kameraperspektiven, die eine bessere Übersicht erlauben als die sehr niedrigen vom Spiel vorgegebenen. Auch inhaltliche Ergänzungen gibt es, darunter zusätzliche Upgrade-Teile.Langsamfahren auf Rasenmähern in etwa so lustig findet, wie einem Kleinkind seine Sandburg zu zertreten. Richtig: Man kann Veranstaltungen beliebig oft neu starten und dadurch die benötigten Punkte zum Komplettieren einer Meisterschaft anhäufen. Aber dieses ständige Wiederholen kann doch nicht der Spielsinn sein!

Dass der Kauf neuer Teile schrecklich unhandlich und unübersichtlich ist, darüber könnte ich übrigens hinwegsehen – wäre da nicht der Umstand, dass man nicht mehrere Setups speichern darf. So tauscht man vor einem Destruction Derby schon mal die komplette Ausrüstung, um von Geschwindigkeit und Beschleunigung auf bruchsichere Teile zu wechseln. Mit einem ähnlichen Umbau ändert man außerdem die Rennklasse, wenn man denselben Wagen in einem entsprechenden Event verwenden möchte. Im Gegensatz zu z.B. Forza erledigt Wreckfest diesen Schritt nämlich nicht automatisch. Umso unglücklicher, dass auch die erwähnten sekundären Aufgaben - vom Herausdrehen mehrerer Gegner bis zum Fahren der schnellsten Runde - mitunter ebenfalls verschiedene Setups nahelegen.

Ein Setup für alle Fälle?

Online regiert das Chaos leider nicht immer auf die gewünschte Weise.

Zu guter Letzt wären Wagen-Einstellungen im Multiplayer praktisch, denn auch dort landet man mal in einer Rennklasse, für die man einen Wagen umrüsten müsste. Aber das Online-Rempeln hinterlässt ohnehin keinen besonders guten Eindruck. Es ist natürlich schön, dass man sowohl im LAN als auch auf selbst erstellten Servern rasen kann. Allerdings gelangt man ausschließlich über die zwar präzise einstellbare, aber unvermeidliche Serversuche in eine offene Partie – das längst übliche Matchmaking ist hier Fehlanzeige.

Geisterfahrer – aber keine „Geister“fahrer

Hinzu kommt eine fehlende Trennung von Veranstaltungen der Marke „Wreckfest Extrem“ sowie klassischen Läufen. Nichts gegen den puren Wahnsinn, wenn ein Teil des Startfelds einfach entgegen der Fahrtrichtung seine Runden dreht. Es gibt jedoch mehr als genug Spieler, die an normalen Wettrennen interessiert sind – diese zumindest auf öffentlichen Servern aber nur selten erleben werden. Gäbe es Veranstaltungen, in denen allzu chaotische Unruhestifter als buchstäbliche Geisterfahrer einfach keine Punkte sammeln, wäre das Problem gelöst. Stattdessen könnte der Host lediglich einstellen, dass Verkehrtverkehrer verlangsamt werden, was das eigentliche Problem nur nicht aus der Welt schafft.

Fazit

Ach, Bugbear! Da habt ihr mit tollem Fahrverhalten und starker Physik eine großartige Basis geschaffen, bremst sie mit scheinbar unnötigen Kleinigkeiten aber aus - der seichte höchste Schwierigkeitsgrad etwa, das ständige und unhandliche Umrüsten der Fahrzeuge, die starre Karriere, fehlende Anzeigen vor allem im Cockpit oder die umständliche Suche nach einem passenden Online-Rennen. Wreckfest hätte um einen Award kämpfen können, doch so bleibt die überzeugende Technik hinter ihren Möglichkeiten zurück. Dabei bin ich richtig angetan von den grundsätzlich cleveren Kontrahenten sowie der Art und Weise, wie man sich auf Wald- und Wiesenpisten durch ein rabiates Fahrerfeld nach vorne kämpft, um hier und da auch abseits der Strecke eine schnelle Route zu finden. Wer für martialisch angetriebenen Spaß zu haben ist, der kommt auf seine Kosten. Aber da war mehr drin!

Pro

  • vom Spiel gesteuerte Kontrahenten lassen Platz, erkennen aber auch sinnvolle Momente zum Rempeln...
  • gutes Fahrverhalten und glaubwürdige Physik bei Zusammenstößen
  • dreckige Karambolage-Rennen auf realitätsnahen Pisten
  • schnelles und effektives optionales Setup vor jedem Rennen
  • Erstellen eigener Online- und LAN-Rennen sowie zahlreiche Sortiermöglichkeiten bei Suche
  • Mod-Unterstützung

Kontra

  • ... fahren aber meist viel zu schwach, auch auf höchstem Level
  • schrecklich umständliches Upgraden, vor allem mit Gamepad
  • kein Speichern verschiedener Einstellungen und kein automatisches Einstellen für bestimmte Rennklassen
  • weder Rückspiegel noch Markierungen anderer Fahrzeuge Übersicht fehlt besonders im Cockpit
  • ausschließlich manuelle Serversuche vor Onlinespiel
  • keine Trennung normaler und chaotischer Online-Rennen
  • Lenkräder funktionieren zumindest teilweise nicht

Wertung

PC

Eine überzeugende Fahr- und Unfallphysik, clevere Kontrahenten und das Gefühl auf realen Strecken unterwegs zu sein sind ein tolles Fundament. Leider bremsen viele Kleinigkeiten den ganz großen Fahrspaß aus.

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