Unavowed - Test, Adventure, Switch, PC, Mac
Schon die Eröffnung macht klar, dass sich die Adventure-Spezialisten bei WadjetEye eine Menge Gedanken gemacht haben. Statt einen plumpen Charakter-Editor vorgesetzt zu bekommen, entscheidet man sich im Dunkel der Exorzierung für Geschlecht und Vorgeschichte. „Wer bist du?“, „Erinnere dich!“. Allzu angenehm ist das Verdrängte natürlich nicht, wenn man kurz danach durch die Gedärme seiner Opfer watet – und sich als einzigen Ausweg für den Beitritt zur Geheimgesellschaft entscheidet. Derart dramatisch bleibt die Stimmung aber nicht lange: Schnell wird klar, dass es sich bei den Unavowed um die Guten handelt, die ihrer Berufung mit einem Augenzwinkern nachgehen. Eine Art Men in Black fürs Übernatürliche, die seit Urzeiten die Wogen im interdimensionalen Chaos glätten und nebenbei lockere Sprüche klopfen. Die Neuauflage der Ghostbusters hat bewiesen, dass man beim Abwägen zwischen Humor und Spannung auch meilenweit daneben greifen kann, doch Unavowed trifft genau den richtigen Ton.
Genau richtig!
Charakterfähigkeiten wie die Pistole der schroffen Ex-Polizistin Vicki sind also im Prinzip eine schöne Idee, in der Praxis bleibt es aber oft bei altbekannten, eher schlichten Lösungen. Nach dem Abklappern der Umgebung stößt man in vielen Fällen irgendwann zwangsläufig auf die passende Lösung. Eine versteckter Schlüssel hier, ein Familiendrama dort – und schon lassen sich neue Infos über gehirngewaschene Gesprächspartner oder in der Zwischenwelt feststeckende Geister deuten. Ein Tipp: Hakt ruhig mehrmals bei Zeugen nach, wenn ihr neue Beweise gefunden habt, um auf weitere Namen und Infos zu stoßen.
Halbherzige Rätsel-Tricks
Vor der Mission muss man sich übrigens in der U-Bahn dafür entscheiden, welcher Kollege diesmal nicht aussteigen darf – nicht besonders glaubwürdig. Die in Kapitel aufgeteilten Fälle bringen neue Partner ins Team und mich näher an die Geheimnisse über den blutrünstigen Dämon. Er hatte meinen Ex-Cop offenbar lange genug in seiner Gewalt, um einen bizarren Kult aufzubauen. Dessen überlebende Ex-Mitglieder schauen natürlich reichlich sparsam aus der Wäsche, wenn ich ihnen über den Weg laufe, mich aber an nichts erinnern kann. Die englischen Sprecher bringen ihre Entgeisterung und andere Emotionen gut betont rüber. Eine deutsche Übersetzung gibt es leider nicht einmal in den (deaktivierbaren) Untertiteln.
Feuer und Gedärme
Fazit
Mit Unavowed haben die Adventure-Spezialisten bei Wadjet Eye Games wieder mal ins Schwarze getroffen – zumindest, was die Erzählung betrifft: Endlich wieder ein Abenteuer, das die unbeschwerte Stimmung alter Gruselkomödien zelebriert – inklusive vieler humorvoller Seitenhiebe und einer filmreifen englischen Synchro. Auf dem Weg durch die stimmungsvoll gezeichneten ruhigeren Ecken des Big Apple wird man sofort in die gemütliche klassische Adventure-Stimmung eingelullt, zu der auch die sympathischen Charaktere und ihr natürlicher Smalltalk eine Menge beitragen. Familiengezanke und das Schicksal ganzer Völker liegen hier nah beieinander. Auch die alternativen Vorgeschichten des Helden und die Spezialfähigkeiten der Kollegen bereichern das Abenteuer. Schade, dass diese Stärken nicht häufiger beim Design der etwas zu simplen Rätsel zum Tragen kommen. Oft klappert man einfach nur die Umgebung ab, um durch das Ausschlussprinzip irgendwann zwangsläufig auf die passende Lösung zu stoßen. Trotzdem hat uns Unavowed fast so gut unterhalten wie unsere bisherigen Genre-Highlights des Jahres Detroit: Become Human und Where the Water Tastes Like Wine.
Pro
- gemütliche Stimmung einer klassischen Mystery-Komödie
- sympathische Charaktere und übernatürliche Wesen
- unterhaltsamer Einsatz spezieller Charakterfähigkeiten
- geschickt inszenierte Charakterwahl mit drei Vorgeschichten
- natürlich wirkende Unterhaltungen
- humorvolle Dialoge
- professionelle englische Synchro
- atmosphärische Retro-Kulissen
Kontra
- zu wenige, oft simpel gestrickte Rätsel
- einige Puzzles erfordern lediglich stupides Abklappern
- reine Maussteuerung wirkt etwas zu reduziert
- nur komplett englisch erhältlich (auch die Untertitel)