The Bard's Tale 4: Barrows Deep - Test, Rollenspiel, XboxOne, Mac, Linux, PlayStation4, PC
...aber das Spielerlebnis etwas ganz anderes. Wenn ich mich wehmütig an den Klassiker The Bard's Tale zurück erinnere, weil er in mir in jungen Jahren eine Neugier entfachte, die bis heute meine Zuneigung zu Rollenspielen prägt, kann das nichtsdestotrotz auf die knallharte Wirklichkeit eines erwachsenen Spielers treffen. Ganz einfach, weil ich über drei Jahrzehnte die Weiterentwicklung von 2D zu 3D, von schematischem D&D über Baldur's Gate bis zu offener Welt mit Entscheidungen erlebt habe. Technik und Regie haben sich radikal verändert. Oder anders: Wenn ich den Klassiker von 1985 als 45-jähriger spiele, muss ich nach einer Stunde ausmachen.
Die Nostalgie ist das eine,...
Wo ein Legend of Grimrock 2 oder auch ein Wasteland 2 die Klassiker der alten Zeiten klar zitieren und auf edle Art modernisieren, geht InXile Entertainment hier deutlich weiter, schneidet alte Zöpfe ab und designt vieles komplett anders. In der Theorie ist das gar nicht verkehrt, wenn man die Wurzeln dabei nicht aus den Augen verliert.
Ist dieser riskante große Schritt gelungen? Nein, zumindest nicht so, dass ich erneut in dieser Fantasywelt versinken könnte. Schon nach der ersten Stunde war meine Nostalgie verflogen. Dass ich keine eigene Party, sondern nur einen Charakter aus bescheidener Auswahl (Barde, Magier, Kämpfer, Gauner aus nur vier Völkern, die lediglich drei klassische Werte mit Stärke, Konstitution sowie Intelligenz besitzen) erstellen konnte, war lediglich ein kleiner Dämpfer - damals hatte ich Stunden damit verbracht, meine Gruppe auszuwürfeln. Jetzt schließen sich zunächst vorgefertigte Helden an, bevor man später weitere eigene erstellen kann, so dass maximal sechs Platz finden. Der dramaturgische
Vorteil ist natürlich, dass die vorgefertigten Abenteurer ihren eigenen Charakter immer wieder in der lebendigen Party-Kommunikation zum Ausdruck bringen können.Ernüchterung im Einstieg
Aber im Einstieg wurde ich zunächst von Story, Kulisse, Technik und Sammelkram ernüchtert. Gerade weil sich dieses Abenteuer an der Oberfläche so an moderner offener Welt und Regie orientiert, wirken die Anbiederungen als auch Defizite im direkten Vergleich umso stärker.
Wenn ich Skara Brae in Echtzeit erkunde, erscheint diese Stadt mit ihren Bewohnern spröde, statisch und künstlich. Nicht nur weil das Spiel selbst auf potenteren Rechnern hinsichtlich der Bildrate wackelt, es einige ärgerliche Bugs gibt (siehe "Patchplan") oder es hinsichtlich Mimik und Gestik veraltet ist. Oder weil ich plump schon aus der Distanz blinkende Kisten zerdeppern darf, um Zutaten für überflüssiges Handwerk zu horten, um Suppen, Tränke, Waffen etc. zu erstellen. Warum muss man diesen "modernen" Murks auch in dieses Abenteuer stopfen? Und wenn man schon so früh ein so volles Inventar mit Krimskrams hat, warum kann ich es nicht mal nach Waffen, Ausrüstung, Nahrung etc. sortieren? Immerhin kann man die gerade zu Beginn penetranten blauen Weg- und Zielmarkierungen abstellen...
Sondern vor allem, weil Storytelling und Artdesign zunächst mit einigen Widersprüchen irritieren. Die Regie will gleich zu Beginn mit Gehängten an einem Baum das düstere Bild einer Stadt zeichnen, die von religiösen Fanatikern und ihrem Rassismus beherrscht wird - vor allem die alten Völker und Abenteurer werden als Mörder diffamiert. Aber kaum kämpft man in diesen Gassen, wackeln selbst die Paladine des Bischofs im Kampf plötzlich mit ihrem Arsch, als würde es ganz lustig sein, gleich zu sterben. Auch Humor kann in so einem apokalyptischen Szenario funktionieren, aber hier erinnern manche Szenen und Gespräche eher an Monthy Pythons Ritter der Kokosnuss. Zumal es keinerlei Bewegung in der Stadt gibt - nahezu alles steht still, selbst nach Aufforderung einer Wache.
Widersprüche in Story und Artdesign
Atmosphäre fällt spät vom Himmel...
Zwar bleibt es unterm Strich bei vielen unfreiwillig komischen Szenen und schlimmer Statik, denn auch alle Dialoge laufen linear ohne jede Einflussmöglichkeit ab. Schade ist auch, dass die deutsche Übersetzung noch so lückenhaft ist, dass irgendwann nur noch englische Texte angezeigt werden. Aber die Erzählung wird zumindest interessanter, wenn sich nach dem fanatischen Bischof eine weitaus mächtigere Bedrohung offenbart. Ab hier wird man auch als Veteran wieder neugierig. Sehr schön ist übrigens, dass der Barde aus dem Einstieg die bisherigen Taten in den Ladephasen zusammenfasst. Und das Lied "Schnee im Sommer" wird nicht nur zum Ohrwurm, sondern zu einem der vielen Schlüssel, um die kommenden Stunden zu meistern. Dass ich darauf trotz der Defizite richtig Lust bekam, lag an zwei spielmechanischen Stärken: Der Vielfalt der Rätsel und dem taktischen Kampf.
Mir gefällt schon das grundsätzliche mysteriöse Flair in Skara Brae, das selbst wie ein Labyrinth aufgebaut ist. Man kann einfach viel Kleinkram sowie Geheimnisse entdecken, die sich nicht sofort erschließen. Wozu dienen diese Säulen da hinten? Was hat es mit den Graffiti auf sich? Was will diese Prüfungskommission in der Abenteurer-Gilde? Dazu gehört auch, dass man an bestimmten Stellen Kletterhaken einsetzen oder mechanische Schalttafeln bedienen kann, um an versteckte Truhen oder auf andere Ebenen zu gelangen - diese Vertikalität ist zwar nur eine Facette und erreicht natürlich nicht das Niveau eines reinen Schleichspiels wie Styx: Shards of Darkness, aber die zwei Ebenen der Stadt werden spürbar. Schade ist allerdings, dass so viele Türen geschlossen und manche Gassen künstlich gesperrt bleiben.
Aller Anfang ist Alguin
Abgesehen von typischen Hebeln, dem Ausweichen von schwingenden Beilen, dezent im Mauerwerk versteckten Schaltern oder fehlenden Teilen einer Statue gibt es z.B. kleine Logikspiele an Apparaturen, bei denen man mit dem richtigen Verschieben von Zahnrädern sowohl Türen öffnen als auch Fallen deaktivieren kann. Hinzu kommen große Hallen mit Speerfallen, in denen man Felsen auf Druckplatten schieben muss, wobei es zunächst sehr offensichtlich zugeht, aber man
bald auch auf Kratzspuren am Boden achten kann. Mal muss man sich in die richtige Position bringen, Geheimgänge betreten oder Notizen lesen, um Lösungen zu finden. Zwar wird die Umgebung automatisch mitgezeichnet, aber man kann sich in den weitläufigen Arealen durchaus mal verlaufen, zumal man den Kompass mit dem Norden als Anzeige erstmal kaufen muss. Trotzdem ist es ärgerlich, dass man die Karte nicht selbst beschriften kann!Wunderbare Rätselvielfalt
Es gibt Rätselmünder, die einem bei Farb- oder Runenaufgaben kleine Hilfen geben, es gibt speziell begehbare Druckplatten, musikalische Aufgaben oder Irrgärten voller Feen, die man mit drehbaren Symbolen korrekt ängstigen oder leiten muss, damit sie magische Ringe aktivieren. Auch wenn das alles keine Kopfnüsse à la The Witness sind, sorgen diese Aufgaben für angenehme Unterhaltung und Abwechslung. Zumal auch das Inventar dazu gehört: Manchmal findet man Artefakte, die man wie in The Room als 3D-Objekte untersuchen kann, bis man z.B. eine drehbare Inschrift oder eine Halterung für einen Edelstein findet - wer alles korrekt manipuliert, bekommt plötzlich eine Feenwaffe. All das sind zwar nur Kleinigkeiten, aber in der Summe wirkt dieses Abenteuer deutlich geheimnisvoller.
Rundenbasiertes Kampfsystem
Apropos: Feuer, Säure & Co wirken sich aus und es gibt einige spektakuläre Kettenreaktionen, so dass ein Blitz zur rechten Zeit für Detonationen sorgen kann, die auf mehrere Felder überspringen. Hinzu kommt, dass man nicht nur Bomben oder
Fallen, sondern auch Barrieren aufstellen kann. Gerade die Verteidigung ist aufgrund der eigenwilligen Integration der Rüstungsklasse zunächst knifflig, da sie eben nicht mit jedem ausgerüsteten Helm, Kettenhemd, Schild und Stiefel steigt - Letztere geben z.B. lediglich mehr Bewegungsfreiheit. Und sobald feindliche Paladine mit hohem Rüstungswert auftauchen, prallen normale Schläge einfach ab. Wie kann man sie durchbrechen?Viele martialische Interaktionen
Spätestens vor dem ersten Boss musss man sich intensiver mit der eigenen Ausrüstung, der Charakterentwicklung und den darin freischaltbaren passiven sowie aktiven Fähigkeiten beschäftigen. Ich habe länger gebraucht, um auch defensiv mit meinem Krieger stärker zu werden, denn es gibt neben der Rüstungsklasse wichtige Schildkonter und Bollwerkaktionen, aber eben auch offensive Schläge gegen die Rüstungsklasse. Zwar gibt es nur vier Klassen mit Magier, Barde, Gauner und Kämpfer, aber man kann sie nochmal zu Spezialisten entwickeln, sowohl hinsichtlich der Waffen als auch Fähigkeiten. Hinzu kommt, dass man nur einen "Schmuck" ausrüsten darf, der aber enorm wichtig ist, weil es sich dabei auch um Zaubertränke, Fallen oder Verstärkungen handeln kann. Leider ist man auch im Kampf nicht vor frustrierenden Bugs gefeit, denn es kann passieren, dass so mancher Zauber trotz manueller Aktivierung nicht im Slot bleibt, und damit im Kampf fehlt, oder dass es plötzlich nicht mehr weitergeht, weil das Spiel den Zug der KI einfach nicht korrekt beendet.
Fazit
Wenn man mit The Bard's Tale so viel verbindet wie ich, fällt einem diese Einschätzung schwer. Als ich zwölf Jahre alt war, hat dieses Abenteuer meine Liebe zu Rollenspielen geweckt - und die hält bis heute an. Aber als Backer der ersten Stunde bin ich von der Produktionsqualität und Regie dieses The Bard's Tale 4: Barrows Deep enttäuscht. Nachdem ich das Spiel endlich zum Laufen brachte, gab es neben technischen Problemen auch ärgerliche Bugs. Hinzu kamen einige Brüche innerhalb des wankelmütigen Artdesigns, überflüssiger Sammel- und Craftingkram sowie Widersprüche zwischen einer ernsten Story und einer unfreiwillig komischen Spielwelt. Gerade weil sich dieses Rollenspiel an der Oberfläche so an modernen Inszenierungen orientiert, anstatt sich wie Legend of Grimrock werktreuer an den Klassikern zu orientieren, wirken die Anbiederungen als auch Defizite im direkten Vergleich umso stärker. Aber als ich den ernüchternden Einstieg hinter mir hatte, offenbarte dieses Rollenspiel für viele Stunden seine Stärken. Auch wenn die Bewohner und Dialoge statisch bleiben, gibt es einige stimmungsvolle Abschnitte, putzige Animationen und selbst der Humor kann gelegentlich zünden. Brian Fargo und sein Team können im anspruchsvollen Rundenkampf und vor allem im Bereich der Rätsel gut unterhalten. Man muss seine Party clever in den Gefechten agieren lassen und erkundet endlich mal wieder verwunschene Dungeons voller Geheimnisse, in denen es vor Aufgaben nur so wimmelt. Auch die Bardenlieder wurden sehr gut integriert, so dass auch in der Landschaft angenehmes Erkundungsflair entsteht. Mit einer klaren Regie, stringentem Artdesign und strenger Qualitätssicherung wäre eine gute Wertung möglich gewesen.
Pro
- taktisch anspruchsvolle Kämpfe
- sehr viele und lobenswert kreative Rätsel
- einige frische Abweichungen von typischer Fantasy
- Skara Brae mit Ober- und Unterwelt
- stimmungsvoll beleuchtete Areale und Labyrinthe
- Dungeons, Türme und Landschaft erkunden
- Bardenlieder für Kampf und Erkundung relevant
- einige tolle Geheimnisse, Abkürzungen etc.
- gut animierte Rundengefechte
- ansehnliche Kettenreaktionen im Kampf
- Charakterentwicklung mit coolen Fähigkeiten
- Artefakt-Rätsel à la The Room in 3D
- lebendige Party-Kommentare
- direkter Waffen- und Rüstungsvergleich
- Barde fasst in Ladephasen die Story zusammen
- einige Lieder mit Ohrwurmcharakter
- viele Bezüge zur originalen Trilogie
- nach Speichern kein Respawn der Gegner
- deutsche Übersetzung der Texte
Kontra
- technische Probleme (Bildrate etc.)
- Widersprüche zwischen Story und Spielwelt
- ärgerliche Bugs (Abstürze, Darstellungsfehler etc.)
- statische Spielwelt und grobe Figuren
- schwache Mimik und Gestik
- inkonsequentes Artdesign mit vielen Brüchen
- Humor wirkt zu oft aufgesetzt
- keinerlei Entscheidungen in linearen Dialogen
- zu Beginn keine eigene Party erstellen
- sehr reduzierte Charakterwerte, nur vier Klassen
- keine Sortierfunktion
- teilweise grob designte Ausrüstung
- Karte nicht beschriftbar
- plumpes Kisten zerdeppern
- überflüssige Sammelei & Crafting
- deutsche Version mit vielen englischen Texten
- kein manuelles Speichern
- keine Gamepad-Unterstützung
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.