FIFA 19 - Test, Sport, 360, XboxOneX, PC, PlayStation4, Switch, XboxOne, PlayStation4Pro, PlayStation3
...gehört noch nicht zu den etablierten Fußballfinten. Allerdings hatte sich Electronic Arts letztes Jahr dazu entschieden, FIFA 18 kurz nach der Veröffentlichung mit einem Patch so stark zu verändern, dass das Spielgefühl ein anderes war. Das war nicht nur sehr ärgerlich, weil mir die ursprüngliche Version hinsichtlich Tempo & Co deutlich besser gefiel. Sondern auch, weil einige Analysen in meinem Test nicht mehr dem tatsächlichen Zustand entsprachen. Oder anders: Ich hätte diesen Kick angesichts der Änderungen schlechter bewertet. Mal sehen, wie lange die folgenden Zeilen angesichts dieser wankelmütigen Politik Bestand haben.
Die Rolle rückwärts...
Wie spielt sich FIFA 19? Kann es auf dem Platz endlich mal große Fortschritte machen, außer dass man jetzt auch die offizielle Lizenzen der Champions und Europa League besitzt? Um es kurz zu machen: Nein. Und diese Stagnation erinnert an jene der Spielmodi sowie Präsentation bei Konami.
Hinsichtlich des Spielgefühls ist der Marktführer nämlich immer noch nicht in der Lage, den finanziell weit unterlegenen Wettbewerber zu schlagen. Aber warum soll EA auch mehr als nötig in die Entwicklung der Kernmechanik investieren, wenn man selbst mit den Mikrotransaktionen aus FIFA Ultimate Team (FUT) mehr Umsatz macht als Konami mit PES? Für die
Spielkultur und die Entwicklung des Genres ist all das kontraproduktiv. Der Fluch des enormen Verkaufserfolges und auch der steigenden Popularität des eSports, der große inhaltliche Veränderungen an der Spielmechanik naturgemäß ablehnt, weil die Teams ihre "Skills" (übrigens mit allen aktivierten Spielhilfen) so effizienter ausbilden können, ist, dass man den Wettbewerber rein qualitativ komplett ignorieren kann. Obwohl, Moment mal...Annäherung durch Abkupferung
...das heißt nicht, dass man für die erfolgreichen Kleinigkeiten blind ist, die man mal schnell aus PES übernehmen kann. Konami und EA kennen sich beide in gegenseitiger Befruchtung aka Feature-Klau aus, so dass man jedes Jahr die schleichende Anpassung in der DNA dieser ehemals so weit entferneten Sportspiele beobachten konnte. Das ist fast wie Ping-Pong: PES hat bekanntlich seine Variante des myClub von FUT kopiert und kürzlich die Schnelleinwechslungen übernommen. Diesmal bietet EA dieselben taktischen Finessen an, die wir in PES so gelobt haben, weil sie Justierungen der Breite und Tiefe sowie situative Reaktionen und Manöver im Raum ermöglichten. Man ist dabei so dreist, dass man die Menüs mit ihrer visuellen Darstellung nahezu identisch designt.
FIFA-Spielern kann das Vorbild egal sein, denn jetzt können sie viel komfortabler als bisher nicht nur in fünf Stufen von Defensive auf Offensive umschalten, sondern diesen Stufen auch andere Formationen sowie Spielverhalten und über Schieberegler exakte Abstände zischen Ketten zuweisen. Damit gewinnt FIFA 19 spieltaktische Finessen und Flexibilität. Sprich: Sorgte man bisher beim Umschalten auf die Offensive nur für weiter vorne agierende Spieler, kann man jetzt auf Knopfdruck vom 4-2-3-1 mit Ballbesitz und tiefer Vierkette auf ein 4-3-3 mit langen Bällen und Vollpressing schalten. So kann man auch für jeden Gegner einen anderen Matchplan mit fünf Verhaltensweisen erstellen - dazu gehört auch, wie viele Leute sich bei Standards in der Box tummeln. EA hat also nicht nur abgekupfert, sondern auch einiges Neues anzubieten.
Neue Taktiken und Ballakrobatik
Einerseits ist es gut, wenn man "keinen Zirkus" am Fließband veranstalten kann, andererseits würde man sich diese Trennung von Ball und Körper auch bei einfacheren Aktionen so konsequent umgesetzt wünschen, dass sich dadaurch mal das Spiel beim Passen und Schießen realistischer anfühlt! So ist das mal wieder kosmetischer Schnickschnack, der ja nicht mal in den Skill Trainings einzeln geübt werden kann. Apropos: Warum kann ich mir im freien Training nicht alle Befehle für Finten, Flicks
& Co anzeigen lassen, um sie dann zu üben? Oder zumindest alle neuen? Das geht immerhin im Skill-Training mit dem ebenso neuen wie überflüssigen Schießen, dem "Timed Finish", das für noch präzisere Abschlüsse sorgen soll, wenn man ein zweites mal kurz vor dem Abziehen die Schusstaste drückt.Präziseres Schießen als Option?
Dafür hat EA sogar ein neues Icon und eine Timing-Leiste in den Skill-Trainings petto, die den optimalen grünen Punkt anzeigt: Trifft man ihn, landet der Ball im Winkel. Wer den "Trainer" im Spiel aktiviert, bekommt diese visuellen Hilfen auch im Spiel. Auch das klingt gut, aber es ist komplett überflüssig bis nervig. Ganz einfach, weil es nicht praxistauglich ist, dass ich kurz vor einem Volley im Strafraum, den ich manchmal vielleicht nur ein, zwei Sekunden antizipieren kann, auch noch zweimal im richtigen Rhythmus die Schusstaste antippen soll. Und wenn man mal mehr Zeit, wie z.B. bei Distanzschüssen, ist das Ergebnis einfach nicht befriedigend genug, zumal man im Match lediglich ein kleines Dreieck als Icon aufflackern sieht, wenn man den Punkt trifft. Hinzu kommt, dass man zwar "pefektes Timing" attestiert bekommt, weil man genau im grünen Bereich ein zweites mal drückt, aber der Ball dann doch nicht im Netz landet. Was soll das dann? Es hat schon seinen Grund, warum man dieses "präzise Schießen" in den Menüs abschalten kann.
Diese speziellen Zusätze sorgen für kein neues Spielgefühl. FIFA fühlt sich im direkten Vergleich mit PES weiter zu schwammig und eingeschränkt an, ist in der Ballphysik immer noch unterlegen, obwohl es en detail im Spielaufbau sowie der Spielintelligenz einige im Ansatz lobenswerte Änderungen gibt und EA Vancouver durchaus versucht, für mehr Unberechenbarkeit zu sorgen. Wer FIFA 18 kennt, wird sich z.B. wundern, warum die flachen Pässe in die Tiefe nicht mehr so effizient sind - wer in die Schnittstellen passen will, um seine Stürmer zu füttern, muss geduldiger sein, zumal die gegnerische KI defensiv besser steht und Lücken schließt. Bei aktivierter "Balleroberung" geht das so weit, dass Verteidiger einen Schritt nach vorne machen und das Zuspiel antizipieren.
Hallo, altes Spielgefühl...
Das führt jedoch auch zu einem sehr zähen Aufbau im Mittelfeld, zu einem ständigen Hin und Her, vor allem wenn man auf den höheren Stufen gegen die aufmerksame KI spielt - die übrigens nahezu vorhersehbar in den letzten Minuten trifft: Im Champions-League-Finale habe ich mit Liverpool gegen Arsenal sowie Real Madrid gegen Dortmund jeweils vor dem Ende der Halbzeiten den Ausgleich bekommen, so dass es in die Verlängerung ging. Die Tore waren plausibel rausgespielt, aber irgendwie fühlte man sich doch etwas ohnmächtig.
Unberechenbar und doch vorhersehbar
Was hat sich sonst getan? Vorsicht vor dem Touchpad: Wenn ihr das auf dem PS4-Gamepad drückt, wechselt die Perspektive in eine erhöhte Ansicht und ihr könnt den Torwart komplett steuern, inklusive rauslaufen und Paraden - was gerade bei
Kontern gegen einen Stürmer durchaus Laune macht, ist bei Ecken oder anderen chaotischen Situationen eher weniger befriedigend. Ein erneuter Druck bringt euch zurück zur Steuerung der Mannschaft. Neben dem manuellen Spielerwechsel auf Knopfdruck darf man neuerdings bei der Verteidigung mit dem rechten Analogstick den gewünschten Profi gezielter auswählen, der auch schon mit einem zweiten braunen Icon angezeigt wird. Außerdem gibt es neben übertragbaren Statistiken, die z.B. alle Matches mit euren Freunden inklusive Gruppen aufzeichnen, neue Spielarten mit Arcade-Regeln: Da kann man z.B. festlegen, dass nur spezielle Techniken zu Toren führen oder dass im Survival immer mehr Profis den Platz verlassen müssen. Ist vielleicht ganz lustig zwischendurch, aber nicht mehr als ein netter Zusatz.Frostbite mit deutschen Defiziten
Champions League hui, Derby pfui
Trotzdem gibt es sie noch: Man kann die neu integrierte Champions League in verschieden Stufen erleben, wobei es zwischen Gruppenphase, Halbfinale und Finale andere Kommentare sowie Stimmungen und Inszenierungen gibt. Spielt man z.B. in der Allianz Arena, erscheint bei der Einführung eine übergroße Standfigur von Lothar Matthäus im virtuellen Stadion. Auch in das finale Kapitel der Story-Kampagne The Journey ist der Wettbewerb neben der Europa League eingebettet. Und wie präsentiert sich der Modus im dritten Jahr?
Die Geschichte des britischen Fußball-Talents Alex Hunter wird mit längeren Rollenwechseln zuende geführt. Nachdem man bereits in FIFA 18 in ein paar Situationen sowohl mit seinem besten Freund Danny Williams sowie seiner Schwester Kim erleben durfte, bekommt man jetzt mehr Zeit mit den beiden. Dabei darf man nach dem überraschend langen Einstieg, der mit dem erwähnten Match von Alex Großvater beginnt und schließlich zu jeder der drei Geschichten überleitet, jederzeit zwischen den Figuren wechseln und ihrem jeweiligen Weg folgen, der sich gelegentlich überschneidet. Um die Dramatik und das passable Drehbuch in vollem Umfang erleben zu können, rät EA allerdings zu einer "kurierten" Wahl, sprich: Man bekommt immer Hinweise, wann man die Figur wechseln sollte. Obwohl man vermehrt durchaus gravierende Entscheidungen treffen darf und die Ergebnisse bzw. Konsequenzen der letzten Ausgaben auch hier Wirkung zeigen, tritt man mechanisch allerdings weitgehend auf der Stelle.
Das Finale mit Alex Hunter in "The Journey"
Zwar muss man EA zugute halten, dass sie Ultimate Team wirklich vom Rest der Spielmodi trennen und nicht wie 2K Games in die Karriere einfließen lassen. Aber mich langweilt dieser Sammelkarten-Modus seit Jahren, weil die Teamchemie wie ein
künstliches Korsett die Spiele beeinflusst. Das ist wie eine unsichtbare Regie, die die eigenen Skills konterkariert. Hinzu kommen die Echtgeldtransaktionen und der Pay-to-win-Fokus, der hier noch stärker ist als jener von myClub in PES 2019. Auch wenn Konamis Angriff auf EA letztlich ein heuchlerisches Eigentor war, weil sie natürlich selbst mit diesem Modus auf Umsätze schielen, lag Lingaard im Kern richtig.Ultimate Pay-to-win
In Ultimate Team dauert es einfach deutlich länger, ohne zusätzliche Investitionen sein Traumteam aufzubauen. Und wer hinsichtlich eSports irgendwelche Ambitionen hat, kommt um das eigene Portemonnaie nicht herum. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Leute freiwillig für ein Vollpreisspiel bezahlen - und dann noch oben drauf. Um mit Spielern zu kicken, die man auch umsonst in den vorhandenen Clubs bewegen kann. Es gibt doch schon Real Madrid, FC Barcelona, Manchester City, Liverpool, Paris, Juventus Turin - sind das nicht alles "Ultimate Teams"?
Karriere ohne Regie
Fazit
Der digitale Fußball steckt in einer Endlosschleife. Warum soll sich ein Marktführer großartig entwickeln, wenn ihm der wirtschaftliche Erfolg, auch dank der Echtgeldtransaktionen mit Ultimate Team, jedes Jahr recht gibt? Man muss EA in Vancouver zugute halten, dass es hinsichtlich der filmisch inszenierten Karriere als auch des Online-Komforts, richtig gute Arbeit abliefert und den ganzen Zirkus voller Lizenzen weitgehend authentisch veranstaltet. Dieses Jahr sind auch die Champions und Europa League sowie Borussia Dortmund offiziell dabei. Aber je genauer man hinschaut, desto klarer zeigt sich der Stillstand. Enttäuschend ist nicht nur, dass man die Hälfte des Kaders vom BVB oder anderer deutscher Clubs trotz "Frostbite-Power" kaum erkennt, weil sich EA lieber auf die Premier League konzentriert. Sondern auch, dass sie immer noch nicht in der Lage sind, den finanziell weit unterlegenen Wettbewerber qualitativ zu schlagen. Ja, man kann die von PES kopierten Taktiken jetzt auch in FIFA anpassen, es gibt ein paar neue Finessen bei Finten und Schüssen, die aber alle optional sind, und tatsächlich mehr Unberechenbarkeit durch den Kampf um freie Bälle. Aber auch da ist viel Luft nach oben. Obwohl sich FIFA über die Jahre immer mehr zu einer Fußballsimulation entwickelte, obwohl man rein spielmechanisch - also hinsichtlich Steuerung sowie Pass- und Schussoptionen - nahezu dasselbe anbietet, sind die Unterschiede hinsichtlich des Spielaufbaus sowie der Ballphysik immer noch so deutlich wie in unserem Fußballvergleich anno 2016. FIFA spielt sich im Vergleich zu PES schwammiger und automatisierter. Ist es wenigstens deutlich besser als FIFA 18? Nein. So sehr die Konkurrenz von Konami in den Bereichen der Spielmodi stagniert, so sehr stagniert dieses Spiel auf dem Platz. Aber nicht nur da, denn abseits vom Vorzeigemodus The Journey stehen die Karriere als Trainer oder Profi still. Awards bekommen beide Fußballspiele bei uns seit Jahren nicht mehr, jetzt sinken beide zum ersten Mal auf "befriedigend" ab. Die schleichende Ernüchterung ist zu einem großen Teil hausgemacht, zumal dieses Vertriebsmodell in Zeiten von Season Pass, DLC, Games as a Service & Co komplett anachronistisch ist. Sowohl FIFA als auch PES sind noch viel deutlicher als vor einem Jahrzehnt Updates zum unverschämten Vollpreis. Vielleicht hat diese Ernüchterung im digitalen ja auch etwas mit jener im realen Fußball zu tun, der sich ebenfalls im Kreis dreht und viele Fans nicht mehr abholt - mehr dazu im Video-Epilog.
Pro
- Champions League als Turnier
- neue Schussfunktionen, aber...
- inkl. BVB und Signal Iduna Park, aber...
- neu: Ball hochhalten plus Kopfballvorlage
- neu: mehr taktische Optionen in fünf Stufen
- neue übertragbare Versus-Statistiken
- neue Arcade-Regeln wie Survival etc.
- ansehnlicher Fußball mit Spektakel
- Defensiv-KI schließt Lücken besser
- Flanken über R2 sind effizienter
- tolle Fanreaktionen mit Jubel am Zaun
- Karriere The Journey gut fortgesetzt
- dritte Liga und DFB-Pokal
- Trainer wie Klopp, Mourinho & Co sichtbar
- normaler Karrieremodus als Spieler oder Manager
- erweiterter Ultimate-Team-Modus
- deutsche Kommentare, englische wählbar
- sehr gute Torwart-KI, tolle Glanzparaden
- Schiedsrichter im Ganzen solide
- Platzabnutzung, Freistoßspray, Torlinientechnik
- Skill-Spiele mit Freunde-Vergleich
- MatchDay mit vereinsbezogenen Fußballnews
- klasse Stadien-Inszenierung & Auswahl
- eigenen Club gründen, 11 gegen 11 spielen
- sehr gute Online-Technik/Modi, auch kooperativ
- virtuelle Bundesliga, aktuelle Werte und News
- zig offizielle Lizenzen, über 700 Teams in 30 Ligen
Kontra
- Spielgefühl zu nah an FIFA 18
- ...viel zu umständlich integriert, nahezu überflüssig
- ...viele BVB-Profis ohne Wiedererkennungswert
- einige Klon-Jubler in Nahaufnahmen
- Ruhrpott-Derby fühlt sich an wie normales Match
- Ballphysik weiter mit Defiziten
- normale hoge Flanken viel zu harmlos
- extrem schnelle Stürmer kaum zu stoppen
- abseits der Premier League viele unrealistische Gesichter in anderen Ligen
- Karriere-Modus (Spieler/Traimner) steht still
- kein Kombo-/Dribbelanzeige in der Arena möglich
- No-Touch-Finten nicht in Ruhe situativ trainierbar
- wenig neue Fangesänge, keine Ultras/Vorsänger
- schwache Ballakustik beim Vollspann
- magerer Editor, kein Mod-Support
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
- Man kann die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.
- Man kann sich Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, Pay-to-win.
- Käufe können durch Zufallsfaktoren zum Glücksspiel werden.
- Käufe wirken sich nur in speziellen Spielmodi wie Ultimate Team oder GTA Online aus.