Lamplight City - Test, Adventure, Mac, PC, Linux
Der Alltag des ehemaligen Polizisten Miles Fordhams ist ein ständiger Balanceakt. Nachdem bei einer dramatischen Verfolgungsjagd sein Partner Bill umkommt, fristet er ein unstetes Leben als Privatdetektiv. Nicht nur einige Ex-Kollegen gehen auf Distanz – auch er fühlt sich offensichtlich nicht ganz unschuldig am Unglück. Der Alltag ist geprägt von Psychopharmaka, Alkohol-Eskapaden, Grundsatzdiskussionen mit der genervten Ehefrau und komplizierten Ermittlungen, bei denen alte Freunde aus dem Revier nur verdeckt Kontakt zum Nestbeschmutzer aufnehmen. Zu allem Überfluss spukt der eigentlich verstorbene Partner auch noch ununterbrochen in seinem Kopf herum. Da dieser ständig flapsige Kommentare aus dem Off ablässt, macht das den Umgang mit seinen Mitmenschen nicht gerade leichter. Wie weit öffnet er sich gegenüber der genervten Ehefrau oder esoterischen Informanten? Wie mogelt er sich am Tatort an ungeliebten Ex-Kollegen vorbei – und wie kann er dazu am besten deren Gegenspieler für sich gewinnen?
Nicht mehr Derselbe
Der Bau eines riesigen Luftschiffs etwa sorgt für Unmut unter Technikfeinden, die nach tragischen Unfällen mit über 50 Todesopfern natürlich einen gewichtigen Anlass für ihre Demonstrationen haben. Steckt ein Mitglied der Bewegung auch hinter dem Kidnapping des jungen Sprösslings eines wohlhabenden Industriemoguls? Mit diesem Fall muss sich Miles in einer frühen Phase des Spiels beschäftigen. Später gibt es u.a. einen Mord aufzuklären, bei dem eine „Grand Dame“ in ihrem Domizil fast komplett verbrannt ist und ihn eine der Spuren zu einer übersinnlichen Gesellschaft führt. Die Polizei will es zwar nicht zugeben, doch die Presse wittert schon früh einen Serienmord mit Verbindungen zu weiteren Opfern. Zusätzlich versucht Miles im Rahmen der lose miteinander verknüpften Verbrechen, auch sein privates Unglück um den toten Partner aufzuklären.
Die Zukunft der Dampftechnik?
In einem anderen Fall dagegen schmeißt mich die Mutter eines vermutlich unschuldigen Angeklagten achtkantig raus, wenn ich nachbohre, was sich hinter dem Vorhang neben ihren Voodoo-Utensilien befindet. Der Einfluss der Religion und die gezeichneten Dialog-Porträts vor schwarzem Hintergrund sind eine klare Hommage an Sierra Onlines Gabriel Knight – wie Gonzales auch in einem Trailer bestätigt. Insgesamt gibt es fünf Fälle zu lösen - mit mehreren Verdächtigen, falschen Hinweisen und unterschiedlichen Enden der Geschichte. Durch die empfindlichen Gesprächspartner fühlten sich meine Ermittlungen oft wie ein Balanceakt auf rohen Eiern an, bei denen ich nicht wusste, wie weit ich gehen konnte. Einfaches Abklappern aller Dialogoptionen ist daher natürlich nicht sinnvoll. Oft blieb mir aus Mangel an Möglichkeiten aber gar keine andere Wahl, als z.B. der freundlich gesinnten „Voodo-Mutti“ auf die Füße zu treten oder eine schlecht begründete Beschuldigung abzugeben.
Jetzt nur kein falsches Wort!
Auch der seltsame Umgang mit gefundenen Gegenständen sorgte dafür, dass ich mich nur selten souverän fühlte: Wie bereits erwähnt, gibt es kein Inventar. Stattdessen nimmt Miles einfach alles Wichtige mit und setzt es automatisch ein, wenn man am entsprechenden Ort auf eine Person oder ein anderes Objekt klickt. Gesteuert wird übrigens ausschließlich mit der Maus, statt auch die Tastatur zu nutzen. Enttäuschend wirkte auch die Untersuchung einer verdächtigen Substanz in der Gerichtsmedizin. Statt einer komplexeren Analyse wie bei Sherlock Holmes musste ich lediglich einige Schauplätze abklappern und kam letztendlich automatisch auf die passende Substanz.
Inventar vermisst!
Schade, dass die praktisch nicht vorhandene Mimik nur wenig Aufschluss über Gefühlsregungen gibt. Das Problem wird immerhin ein wenig von Miles Stimme im Kopf kompensiert: Bills Kommentare aus dem Off weisen ab und zu darauf hin, wenn man sich nicht weiter in eine Richtung vorwagen sollte. Er hatte schließlich schon zu Lebzeiten mehr Menschenkenntnis sowie ein Gefühl für Körpersprache. Zusätzlich gibt er oft flapsige Kommentare ab oder startet schlechte Wortspiele, die einen schönen Gegenpol zur etwas zu schwermütigen Geschichte bieten.
Stimmen im Kopf
Fazit
Grundsätzlich begrüße ich es, wenn Entwickler eigenwillige Spielmechaniken austüfteln – im Fall von Lamplight City geht das Experiment aber nur sehr bedingt auf. Manchmal fühlte es sich tatsächlich authentischer an, ohne manuelles Inventar und fast ausschließlich mit Dialog-Rätseln zu ermitteln. Doch oft führten mich falsche Entscheidungen (die ich oft nicht einmal mitbekam) geradewegs in eine Sackgasse, in der ich kaum noch so reden oder handeln konnte, wie ich es für sinnvoll erachtete. Dann bleibt nur noch die Möglichkeit, einen offensichtlich falschen Angeklagten der Polizei auszuliefern oder den Fall als unlösbar zu erklären, um zum nächsten zu wechseln. Trotz Bills lustiger Einwürfe aus dem Off mangelt es an subtilen Hinweisen in den Dialogen und der Welt. Legt euch am besten viele passend beschriftete Spielstände an, um verschiedene Abzweigungen abzuklopfen und euch nicht zu sehr zu verrennen. Eine klare Stärke ist erneut die lebendige Welt mit ihren technologischen Umwälzungen, politischen Verstrickungen und sympathischen Charakteren – auch wenn die schwermütige Geschichte mitunter das Spieltempo ausbremst. Unterm Strich also ein nicht wirklich ausgefeiltes Adventure in klassischem Retro-Design, das aber immerhin einige unterhaltsame Elemente mitbringt.
Pro
- erfrischend eigenwilliger Schwerpunkt auf behutsame Befragungen und alternative Ausgänge
- übersichtliches Journal fasst Hinweise und Aufgaben gelungen zusammen
- sympathische Figuren
- zahlreiche Anekdoten und politische Verflechtungen lassen die Spielwelt lebendig werden
- die Fälle wurden schön miteinander verknüpft
- Bills alberne Kommentare aus dem Off erklären verräterische Gefühlsregungen der Gesprächspartner
Kontra
- Mangel an Hinweisen zu guten Fährten oder fatalen Antworten führt oft in die Sackgasse
- Knobeln ohne Inventar wirkt unbefriedigend
- Vielzahl unwichtiger Hotspots machen die Suche mühsam, zumal man nichts davon per Hotspot-Taste sichtbar machen kann
- trotzdem lassen sich Stimmungen auf den kaum animierten Retro-Gesichtern schwer einschätzen
- Deduktion und Labor-Analyse deutlich seichter als bei Sherlock Holmes
- schwermütige Story lässt dem Spieler in wichtigen privaten Entscheidungen oft keine Wahl
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