PlayStation Classic - Test, Hardware, PlayStation

PlayStation Classic
12.12.2018, Michael Krosta

Test: PlayStation Classic

Enttäuschende Mini-Konsole

Mit dem NES und SNES Mini hat Nintendo eine neue Retro-Welle ausgelöst, auf der mittlerweile auch viele andere Hersteller mitreiten wollen. So auch Sony, wo man mit der PlayStation Classic (ab 115,65€ bei kaufen) die erste Konsole würdigen und deren prägende Spiele wieder aufleben lassen will. Wir haben die PlayStation im Mini-Format ausprobiert und schildern im Test unsere Eindrücke von der Verarbeitung, der Spieleauswahl und der Qualität der Emulation...

Keine Frage: Schick sieht sie aus, die PlayStation Classic. Das geschrumpfte Modell, das satte 45 Prozent kleiner ausfällt als das Original aus dem Jahr 1994, wurde mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Während sich auf der Oberseite wie gewohnt Power-, Open- sowie Reset-Knopf und sogar die funktionierende Leucht-Diode finden, haben sich manche Dinge auch verändert: Auf der Rückseite ist der klassische AV-Ausgang einem modernen HDMI-Anschluss gewichen und statt des ursprünglichen Netzsteckers kommt jetzt ein USB-Kabel zum Einsatz, das die Mini-Konsole mit Strom versorgt. Genau wie Nintendo spart man sich auch bei Sony die Beilage eines Adapters, um das Gerät mit einer Steckdose zu verbinden. Das ist besonders deshalb ärgerlich, weil die PlayStation Classic energiehungriger zu sein scheint als die Neuauflagen von Nintendo. Ließen sich Mini NES und Mini SNES problemlos an allen möglichen USB-Anschlüssen vom Fernseher über den AV-Receiver bis hin zum PC oder sogar der Xbox One betreiben, ist die PS Classic deutlich wählerischer und ließ sich lediglich beim Anschluss an die PS4 einschalten, die zum Glück auch im Ruhemodus noch genügend Strom liefert. Alternativ kann man aber auch hier einen optional erhältlichen Netzadapter zum Anschluss an die Steckdose verwenden, sofern er fünf Volt und den USB-Typ A (1.0 A) unterstützt. Ebenfalls weggefallen ist der Anschluss für das Link-Kabel, mit dem man früher zwei Konsolen in einem Mini-LAN miteinander verbinden konnte. Zwar findet sich in manchen der enthaltenen Spiele wie Destruction Derby noch eine entsprechende Option im Menü, doch sind Link-Sessions mit der Mini-Variante nicht mehr möglich. Schön dagegen, dass die Knöpfe auch im Mini-Format ihre ursprünglichen Funktionen erfüllen – abgesehen von der Open-Taste, mit der man hier die

So ändern sich die Zeiten...
virtuellen Disks bei Titeln wie Metal Gear Solid oder Final Fantasy VII wechselt anstatt die nicht mehr vorhandene CD-Klappe zu öffnen.

Außen hui

Auch an der Front gibt es eine Veränderung: Die Original-Anschlüsse für die beiden Controller-Ports wurden durch USB-Eingänge ersetzt. Die darüber liegenden Einschübe für Speicherkarten sind außerdem nur noch kosmetischer Natur, da die Spieldaten jetzt intern gesichert und sogar unabhängig von Speicheroptionen im Spiel automatische Rücksetzpunkte gesichert werden. Im Gegensatz zur Konsole hat man die Controller bei ihrer ursprünglichen Größe belassen, dabei aber das Design des ersten PlayStation-Controllers übernommen. Hier gibt es also weder die beiden Analogsticks noch eingebaute Vibrationsmotoren, wodurch sich die Pads ungewöhnlich leicht anfühlen. Mit einer Länge von 1,5 Metern fällt das Kabel zwar kürzer aus als beim Original, doch wiederholt sich damit nicht das Fiasko, das Nintendo in dieser Hinsicht beim Mini NES verbrochen hat. Schön zudem, dass Sony neben dem USB- und einem zwei Meter langen HDMI-Kabel gleich zwei Controller für lokale Mehrspieler-Duelle mitliefert, die von der Verarbeitung her eine ähnlich hohe Qualität aufweisen wie die Konsole. Wer allerdings andere Eingabegeräte verwenden will, schaut in die Röhre: Während man mit einem USB-NES-Pad oder einem Competition Pro USB immerhin noch durch Menüs navigieren kann, verweigert die Konsole beim Anschluss eines PS4-, PS3- oder Xbox-Controllers komplett die Zusammenarbeit. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil manche Titel von den DualShock-Funktionen profitieren würden – allen voran Metal Gear Solid, wo durch die Einschränkungen einer der coolsten Momente in der

Controller werden per USB angeschlossen. Leider funktionieren nur die mitgelieferten Pads.
Videospielgeschichte verpufft. Aber auch bei anderen Titeln wie etwa Rainbow Six hätte eine alternative Steuerung mit Analogsticks nicht geschadet – zumal besagte Sticks in den Menüs sogar erwähnt werden.

Schaltet man die PS Classic zum ersten Mal ein, badet man aufgrund des Original-Sounds der Bootsequenz zunächst in einem Meer voller Nostalgie und schwelgt auch beim Durchblättern der 20 enthaltenen Spiele immer wieder in schönen Erinnerungen an die gute, alte Zeit. Die anfängliche Euphorie weicht jedoch schnell einer zunehmenden Ernüchterung – und das aus mehreren Gründen. Zum einen lässt die Qualität der Emulation oft zu wünschen übrig, was auch die detaillierten Analysen der Kollegen von Digital Foundry belegen. Das ist vor allem deshalb verwunderlich, weil die PS1-Klassiker mit Sonys eigens entwickelten Lösungen für die Emulation auf PSP, PS3 und Vita immer eine gute Figur abgegeben haben. Ausgerechnet für das Classic-Modell scheint man sich mit einer mobilen Version des PCSX-Emulators aber für die denkbar schlechteste Alternative entschieden zu haben, dessen Funktionen auch noch künstlich beschnitten wurden. Angeblich bekommt man zwar durch den Anschluss einer Tastatur und das Drücken der Escape-Taste Zugriff auf ein verstecktes Einstellungsmenü, doch funktionierte der Trick bei keiner der von uns angeschlossenen Tastaturen verschiedener Hersteller.

Innen pfui

Es geht schon damit los, dass es keinerlei Bildoptionen gibt. Man findet weder optionale Texturfilter noch Scanlines oder mögliche Anpassungen beim Bildformat. Stattdessen muss man mit der vorgefertigten Bildausgabe leben. Dort kommt zwar bei einer festgelegten Auflösung von 720p ebenfalls eine voreingestellte Filter-Methode zum Einsatz, aber letztlich ist die Darstellung aufgrund von ausgewaschenen Farben, fehlender Schärfe und dem stark ausgeprägten Dithering-Effekt enttäuschend. Hinzu gesellen sich Performance-Probleme in manchen Spielen, obwohl dem System mit dem Vierkern-Prozessor von ARM in Kombination mit der PowerVR GE8300 GPU und einem Hauptspeicher von 1GB RAM eigentlich mehr als genug Leistung zur Verfügung stehen sollte, um eine perfekte Emulation zu ermöglichen.

Keine Einstellungsoptionen

Leider ist teilweise das Gegenteil der Fall: Neben fehlerhaften Sounds bewegt sich z.B. Ridge Racer Type 4 hinsichtlich der Bildrate hart am Limit, während Grand Theft Auto zu einer einzigen Ruckelorgie verkommt, die man sogar schon als unspielbar bezeichnen darf. Nicht nachvollziehbar erscheint außerdem die Entscheidung, bei neun der 20 Spiele die häufig stiefmütterlich angepassten PAL-Versionen unter die Spielauswahl zu mischen und sie auch noch ausgerechnet dort vorzuziehen, wo die NTSC-Versionen in besonderem Maße sinnvoller gewesen wäre. So z.B. beim Fighting Game Tekken 3, bei dem man sich hier mit der PAL-Version abfinden muss, bei der das Spieltempo spürbar gedrosselt wird. Der negative Einfluss

Die Spieleauswahl beinhaltet zwar auch Highlights, aber viele Meilensteine aus der PlayStation-Ära glänzen mit Abwesenheit.
des Input-Lags schwankt je nach Titel: Bei manchen ist es etwas ausgeprägter und fast schon störend, bei anderen fällt es dagegen kaum auf oder ins Gewicht.    

Sony wollte seiner ersten Konsole mit der PlayStation Classic ein Denkmal setzen und die Spieleauswahl sollte widerspiegeln, welche außergewöhnlichen Titel diese Ära geprägt haben. Tatsächlich finden sich einige Highlights in der Sammlung – allen voran die bereits erwähnten Klassiker Tekken 3 und Metal Gear Solid, aber auch spielkulturelle Schwergewichte wie Resident Evil oder Final Fantasy VII. Gleichzeitig vermisst man eine Vielzahl an Spielen und Marken, die man teilweise noch viel stärker mit dem Namen PlayStation in Verbindung bringen würde und die wesentlich zum Erfolg der Konsole beigetragen oder sogar Genres revolutioniert haben. Wo sind z.B. WipEout, Crash Bandicoot, Tomb Raider, Silent Hill, Ehrgeiz oder Gran Turismo – immerhin eine der bis heute erfolgreichsten PlayStation-Marken?

Diskussionswürdige Spielauswahl

Einige dieser großen Namen spuken zumindest angeblich im Quellcode innerhalb der Classic-Konsole herum und waren offenbar mögliche Kandidaten, doch hat man sich – warum auch immer - doch gegen die Veröffentlichung entschieden. Und was bekommt man stattdessen? Ein Battle Arena Toshinden, das neben einem Tekken 3 verblassen und völlig überflüssig erscheint. Oder ein Jumping Flash!, das schon als Launch-Titel einen eher durchwachsenen Eindruck hinterließ. Selbst bei vermeintlichen Highlights wie dem Director's Cut hat man einen Bock geschossen und sich für die englische Fassung mit dem geschnittenen Schwarzweiß-Intro entschieden – was soll das? Generell finden sich bis auf wenige Ausnahmen lediglich die internationalen Versionen – dabei wird man zwar von holprigen Übersetzungen wie bei Final Fantasy VII oder der miserablen deutschen Lokalisierung von Metal Gear Solid verschont, aber es wäre z.B. ein schöner Service gewesen, mehrere Versionen

Neben der Konsole finden sich auch zwei Controller sowie ein USB- und HDMI-Kabel im Lieferumfang. Ein AC-Adapter fehlt allerdings.
anzubieten – und sei es nur für ein paar Lacher. Manche Spiele bieten allerdings von Haus aus eine Sprachauswahl – so z.B. GTA, wo auch deutsche Untertitel und übersetzte Menüs geboten werden. Immerhin: Mittlerweile hat man schon Möglichkeiten entdeckt, wie man andere Spiele mit einer Sideload-Funktion via USB-Stick auf der Mini-Konsole zum Laufen bringen kann, auch wenn man sich beim Abspielen von Sicherheitskopien in eine rechtliche Grauzone begibt.    

Allerdings macht nicht nur die schlechte Emulation vielen Spielen zu schaffen. Es ist auch der Zahn der Zeit, der an ihnen nagt. Während viele 2D-Spiele aus den Achtzigern und Neunzigern auch heute noch eine passable Figur abgeben, altern gerade die frühen 3D-Erlebnisse im Vergleich deutlich schlechter. Das merkt man auch hier: Während man ein Destruction Derby, Toshinden und selbst Syphon Filtern grafisch nur noch in kurzen Dosen erträgt, können die 2D-Ausflüge in Rayman oder Oddworld: Abe's Oddysee selbst heute noch stundenlang vor den Bildschirm fesseln. Gleiches gilt für zeitlose Kult-Klassiker wie Metal Gear Solid, das trotz der grafischen Einbußen immer noch die Magie ausstrahlt wie damals – zumindest bis zu dem Punkt, an dem man Psycho Mantis trifft und den DualShock-Controller schmerzlich vermisst.

Der Zahn der Zeit

Fazit

Bei der PlayStation Classic hat man nicht selten das Gefühl, als hätte man bei Sony zusammengesessen, um die dümmsten Entscheidungen in einem einzigen Gerät zu vereinen. Angefangen bei der Wahl des Open-Source-Emulators über fehlende Einstellungsoptionen bis hin zur fragwürdigen Spielauswahl mit ihrer unsinnigen Mischung aus PAL- und NTSC-Versionen hat man so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Anstatt eine der besten Konsolen der Videospielgeschichte mit einer Mini-Variante zu ehren, wird dieses beeindruckende Vermächtnis durch eine lieblose Aufbereitung und unfassbare Schlampigkeit mit Füßen getreten. Während bei Nintendo immer noch eine gute Emulation im Mittelpunkt stand, scheint man bei Sony nur die Dollarzeichen in den Augen gehabt zu haben. Klar ist die PS Classic keine Vollkatastrophe: Manche der Spiele laufen sogar ganz ordentlich und bringen die alten Zeiten mehr oder weniger ansehnlich zurück auf den Bildschirm. Auch am liebevoll gestalteten Gehäuse und den gut verarbeiteten Controllern gibt es nichts zu meckern, obwohl ein DualShock-Replikat vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre – vor allem, weil man trotz USB-Anschluss alternativ keine PS3- oder PS4-Controller verwenden darf. Unterm Strich bleibt die PlayStation Classic aber eine herbe Enttäuschung, denn es gelingt ihr nicht, das spielhistorische Erbe von Sonys erster Konsole in einem würdevollen Rahmen aufleben zu lassen. Wobei nicht nur die enttäuschende Technik, sondern auch die fragwürdige Titelauswahl ihren Teil zu dieser traurigen Erkenntnis beiträgt.
       
Wertung: ausreichend

Wertung

PlayStation

Die Mini-Konsole sieht zwar klasse aus, enttäuscht aber hinsichtlich Emulation und Spieleauswahl.