Travis Strikes Again: No More Heroes - Test, Action-Adventure, PC, Switch, PlayStation4
Spiele von Goichi Suda, besser bekannt unter seinem Alias Suda 51 sind “speziell” – und genau aus diesem Grund mag ich seine Projekte eigentlich. Prinzipiell im Mainstream angesiedelt, sind es neben dem markanten Artdesign mal kleinere, mal größere Ungewöhnlichkeiten, die aus Titeln wie Killer is Dead, No More Heroes und selbst dem Sidescroller Sine Mora etwas Besonderes gemacht haben. Doch in den letzten Jahren ist es ruhig um ihn und seine Firma Grasshopper Manufacture geworden – was evtl. auch mit der Übernahme 2013 durch GungHo Online Entertrainment (Ragnarok Online, Puzzles & Dragons) zu tun hat. Seitdem ist Grasshopper eigentlich eher durch Auftragsarbeiten wie Neuauflagen der Visual Novel The Silver Case für Nippon Ichi sowie die Free-to-play-Action Let it Die auf PlayStation 4 in Erscheinung getreten. Doch jetzt scheint er wieder bereit zu sein, sich und seine ausgeflippte Kreativität wieder stärker einbringen zu wollen.
Suda ist nicht für alle
Das Ergebnis ist Travis Strikes Again, dessen Untertitel No More Heroes keinen Zweifel daran lässt, welcher Serie es zugeordnet werden muss. Und schon beim ersten Blick auf das nach wie vor markante Design mit seinen knalligen Pastellfarben, die den klar strukturierten Figuren sowie Hintergründen einen kernigen Comicstil verpassen, fühlt man sich an damals erinnert. Zumindest in dieser Hinsicht hat Grasshopper es immer noch drauf – die Unreal-Engine scheint hier eine
gute Wahl gewesen zu sein. Erzählerisch zeigen sich Suda 51 und Travis allerdings ebenso konfus und absurd wie vor zig Jahren. Der ehemalige Ranglistenerste der Auftragskiller hat sich aus dem Berufsleben zurückgezogen und widmet sich Videospielen, seinem Hobby Nummer 1. Doch die Idylle seines von virtuellen Abenteuern auf der fiktiven Prototypen-Konsole Death Drive Mk2 gefüllten Lebens wird jäh unterbrochen. Der maskierte „Bad Man“ taucht in seinem Trailer auf und möchte ihn töten, da er seine Tochter auf dem Gewissen hat – ein Erlebnis, das man in No More Heroes 2 nachspielen kann. Es kommt zu einem Kampf, in dessen Verlauf beide in die Konsole gesogen werden. Und damit beginnt ein höchst skurriles Abenteuer.
Und das nicht nur erzählerisch. Immerhin ergibt die Geschichte um das Death Drive Mk2 und die dafür entwickelten Prototyp-Spiele noch einigermaßen Sinn, wenn man sich darauf einlässt. Bewältigt man alle Titel, bekommt man einen Wunsch erfüllt. Und das würden sowohl Bad Man als auch Travis nur zu gerne umsetzen. Scheitert man, stirbt man auch in der Realität - ein Szenario, das leicht an die Traumsequenzen in Catherine von Atlus erinnert. Und das bleibt nicht der einzige Fingerzeig auf
Die Spielkonsole des Todes
Pop-Kultur. Mit haufenweise Anspielungen auf Filme, Serien und andere Videospiele, die sich teils im Artdesign, teils in der Levelgestaltung und nicht selten in kleinen Easter Eggs zeigen, erreicht Suda 51 fast die gleiche überbordende Kreativität wie zum Höhepunkt seines Schaffens, das für mich bei Shadows of the Damned sowie Lollipop Chainsaw liegt. So finden nicht nur haufenweise Spiele von unabhängigen Entwicklern eine kleine Erwähnung über die Fan-Shirts, mit denen man Travis ausrüsten kann. In den mit stilisiertem Gebrabbel umgesetzten Dialogen gibt es Anspielungen auf Filme und Software-Publisher, wie man den Untertiteln entnehmen kann.
Und natürlich nimmt Suda auch seine eigene Vergangenheit aufs Korn. Nicht nur, wenn man in einigen Abschnitten fliegenden Totenköpfen begegnet, die an das bereits erwähnte Shadows of the Damned erinnern, das auch Aufbau sowie Design einiger Levels inspiriert hat. Man findet Anspielungen auf The Legend of Zelda oder eine kurze Anerkennung des Survival Horrors aus dem Hause Capcom. Einige der Abschnitte sind überdeutlich eine respektvolle Verbeugung vor Yoko Taro, einem der wenigen Entwickler, der es hinsichtlich abgefahrener Kreativität mit Suda 51 aufnehmen kann, was er zuletzt mit dem hier zitierten Nier Automata unter Beweis gestellt hat. Da man die sechs Spiele des Death Drive weiterhin genutzt hat, um die jeweils etwa ein bis zwei Stunden dauernden Einzelabenteuer mit abwechslungsreichen Mechaniken wie z.B. Puzzle-Sequenzen, Plattform-Abschnitten (mit fragwürdiger Kollisionsabfrage bei Sprüngen) oder Drag-Rennen gefüllt hat, ist man bis zum Ende gespannt, was im nächsten Abschnitt entweder mechanisch oder beim Design auf einen wartet. Auf die grün-monochronen sowie mit Chipsounds unterlegten Zwischensequenzen, in denen erzählt wird, wie Travis an das nächste Spiel für seine Phantom-Konsole kommt, hätte ich in dieser Form allerdings verzichten können. Inhaltlich zwar gelungen und mit Überraschungen wie einem Gastauftritt von Mondo aus Killer is Dead ausgestattet, ist die Präsentation für mich eine Tortur.
Hinsichtlich der Action reißt mich Travis Touchdown jedoch in einen Zwiespalt der Gefühle. Einerseits ist die Kontrolle über den Meister-Assassinen, der mit einem Elektroschwert seine Gegner in den virtuellen Welten dezumiert so eingängig und unkompliziert wie nie zuvor. Alternativ kann man auch Bad Man übernehmen, der über mehr Gesundheitspunkte verfügt, dessen Baseball-Schläger aber weniger Schaden anrichtet. Den schwachen Angriff kann man über den gehaltenen Knopf sogar während der Bewegung in einer Dauerschleife nutzen und muss nicht in einem Stakkato auf die Taste hämmern. Der starke Angriff wiederum sollte ebenso wie die Ausweichrolle oder der Sprung eher taktisch eingesetzt werden. Zusätzlich kann man sich über Prozessor-Chips (ebenfalls eine Anspielung auf Nier Automata) vier weitere Aktionen mit Abkühlzeit verpassen - das Repertoire reicht hier von Einzel- bis hin zu Gruppenangriffen oder kurzzeitigen Betäubungen bis hin zu Schutzmauern oder Zonen, in denen man Energie einheimsen kann. Diese wird in bis zu drei Stufen aufgeladen, um Sonderangriffe vom Stapel zu lassen. So weit, so gut.
Zwiespältiges Vergnügen
Das Problem ist jedoch, dass zwar immer wieder neue Gegnertypen eingeworfen werden, es sich dabei aber abseits der Bosse meist nur um Varianten bereits bekannter Feinde handelt. Zudem hat man die Angriffs-Schemata schnell durchschaut und kann entsprechend reagieren. So kommt es in erster Linie nur bei Gegnergruppen zu Problemen, wenn sich darunter auch Explosive befinden, die nicht nur Travis, sondern auch ihre Kollegen mit ins Verderben ziehen, wenn man die Detonation nicht verhindern kann. Doch auch die hat man schließlich im Griff, so dass nur noch die mehrstufigen Bosse Spannung versprechen. Allerdings auch nur, bis man feststellt, dass die Mehrheit von Ihnen mit Geduld und dem Einsatz der aufladbaren Sonderfähigkeiten erledigt werden kann, sobald man ihre Muster erkannt hat. Nur in wenigen Fällen muss man sich in ihre Nähe und damit in ernsthafte Gefahr begeben. Dass damit der Kampf auf lange Sicht zu wenig Abwechslung bietet, versteht sich von selbst und steht in deutlichem Gegensatz zur Kreativität, die Suda 51 bei Story und Design zeigt.
Fazit
Ich habe mich gefreut, dass sich Suda 51 nach längerer Schaffenspause wieder zurückmeldet. Ich bin zwar nicht sicher, ob Travis Touchdown die richtige Figur für sein Comeback ist, zumal man in manchen Designfragen merkt, dass der exzentrische Entwickler etwas Staub angesetzt hat, den er nicht so einfach abschütteln kann. Doch auch wenn Travis Strikes Again nicht an Höhepunkte seines Schaffens wie Lollipop Chainsaw oder Shadows of the Damned herankommt, obwohl Letzteres hier ebenso wie Nier Automata in einigen Abschnitten zitiert wird, tut das neue No More Heroes mit seiner Exzentrik der Spielelandschaft im Allgemeinen und der auf Switch im Besonderen gut. Ja: Der Kampf bietet trotz interessanter Dynamik auf Dauer zu wenig Abwechslung, vor allem auch wenn man die interessanten Bosse betrachtet, die ihr Potenzial zu selten ausschöpfen. Und auf die bereits mittelfristig auf den Nerv gehenden monochromen Erzählsequenzen mit ihren Textwüsten hätte ich verzichten können. Doch mit seiner schlichten Kernmechanik lockt es immer wieder an die JoyCons oder den Controller, während in den darunter liegenden Ebenen Sudas Gespür für das Absurde sowie die Einbindung von Popkultur-Anspielungen für überraschende Moment sorgt.
Pro
- gut in das Universum von No More Heroes eingebunden
- saubere Steuerung
- erzählerisch interessant
- viele Anspielungen auf Pop-Kultur, insbesondere Spiele
- markantes Artdesign
- dynamische Kämpfe
- neben der Action abwechslungsreiches Anforderungsprofil (Puzzle, Plattform u.v.m.)
- Upgrades mit Abkühltimer frei wählbar
- kooperativ spielbar
Kontra
- zu wenig Abwechslung im Kampf, da zu wenige Gegnertypen
- Bosse häufig mit purem Einsatz der aufladbaren Fähigkeiten zu besiegen
- zweifelhafte Kollisionsabfrage bei Plattform-Sequenzen
- monochrome Textsequenzen sind anstrengend
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.