The Hong Kong Massacre - Test, Arcade-Action, PC, PlayStation4, Switch

The Hong Kong Massacre
22.01.2019, Jörg Luibl

Test: The Hong Kong Massacre

Elektrokiller

Ein Schuss, ein Treffer, Game Over! So schnell ist das Leben eines Killers in The Hong Kong Massacre (ab 17,55€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) beendet. Das in Malmö ansässige Zwei-Mann-Team von Vreski inszeniert einen gnadenlosen Twinstick-Shooter in der Draufsicht, der sich wie eine Hommage an den chinesischen Filmemacher John Woo anfühlt. Ob sich die Investition von knapp 20 Euro für PC oder PlayStation 4 lohnt, klärt der Test.

In einer blutigen Zeitlupe zerfetzt mein Schuss den letzten Gegner, der Level ist geschafft - und das fühlt sich richtig gut an! Denn den Weg hierher musste ich mit Leichen pflastern, ohne dass ich selbst einmal getroffen werde. Ich musste zig schwer bewaffnete Gangster in der Draufsicht eines verwinkelten Restaurants ausschalten, ohne dass mich ein einziges Projektil aus einer Uzi oder Schrotflinte erreicht. Es gibt für den Helden weder eine kugelsichere Weste noch andere Schutzmaßnahmen: Ein Treffer heißt immer Game Over!

Eine einfache Regel

Diese einfache Regel würde die morbide Faszination dieses Twinstick-Shooters noch nicht erklären, bei dem ich mein Fadenkreuz und meine Figur mit je einem Analogstick bewege. Hinzu kommt zum einen die stilsichere Inszenierung einer Spielwelt, die wie die Tabletop-Version des John-Woo-Films Hard Boiled anmutet: Ich tiger durch chinesische Bars und Hotels mit tückischen Schatten und greller Neonbeleuchtung, bevor in null Komma nichts Scheiben, Wände, Türen splittern und gleißende Projektile über den Bildschirm jagen; lediglich das gelegentliche Tearing stört die ansehnliche 3D-Kulisse.

Kugelhölle in Hong Kong: Immerhin kann man à la Max Payne eine Zeitlupe aktivieren.
Von coolen Elektro-Beats begleitet entsteht zum anderen ein martialischer Flow, der sich wohltuend von der rasanten Hektik klassischer Twinstick-Action abhebt. Der Spielrhythmus wird weder von der Masse der Gegner à la Dead Nation noch dem Tempo à la Nex Machina bestimmt. Ich werde also nicht in eine ständige Bewegung getrieben, sondern kann auch mal vorsichtig aus der Deckung ballern, mich langsam an Gegner heran pirschen oder behutsam Türen öffnen, bevor Feinde dahinter alarmiert sind. Die KI hat zwar nur zwei Zustände und agiert vorhersehbar, aber nutzt zumindest Deckungen und Hechtrolle. Außerdem können Feinde später in Rüstung zwei Treffer vertragen, was die Schwierigkeit nochmal stark erhöht.

Ein ganz spezieller Flow

Obwohl auch hier eine Kugelhölle entstehen kann, sorgen die relativ geringe Gegnerzahl, ihr realistisches Tempo sowie zwei spezielle Fähigkeiten des Helden für eine gewisse taktische Kontrolle: Ähnlich wie in Max Payne kann ich auf Knopfdruck eine begrenzte Zeitlupe einleiten, um einen Vorteil beim Anvisieren sowie beim Ausweichen zu bekommen. Zwar kann man das sehr lange ausnutzen, aber ohne diese Hilfe hätte man kaum eine Chance. Außerdem kann ich eine Hechtrolle ausführen, die ebenso wie finalen Kills alles andere als elegant animiert wurde, aber mich kurzfristig unverwundbar macht. Diese beiden Manöver lassen sich kombinieren, zumal man beim verlangsamten Sprung über die Theke auch noch feuern kann.

Auch wenn diese Arcade-Action richtig Laune macht, sind die Schweden noch ein gutes Stück von der Klasse eines Housemarque entfernt. Abgesehen von den Schwächen in der Inszenierung, was das Zerreißen von Bildern oder einige unbeholfen wirkende Bewegungen betrifft, gibt es mit Pistole, Schrotflinte, Uzi und Gewehr von Anfang an nur vier Waffen. Die kann man zwar aufrüsten, so dass man vollere Magazine, eine bessere Feuerrate oder ein erhöhtes Lauftempo bekommt, aber auf lange Sicht vermisst man die Abwechslung im stets identischen Ablauf, in dem es keinerlei Explosionen von Granaten oder Autos gibt. Das Leveldesign wiederholt sich auf Dauer, man bleibt stets auf einer Ebene und kann lediglich mal von Dach zu Dach springen. Immerhin gibt es trotz frühem Game Over und fehlender manueller Speicherung keinen all zu großen Wiederholungsfrust, denn die kompakten Missionen bieten überschaubare Areale. Immerhin gibt es ausführliche Statistiken mit weltweiter Rangliste und zusätzliche Belohnungen in Form von Sternen, wenn man einen Durchlauf besonders schnell, ohne Zeitlupe oder gar nur mit Treffern gegen Feinde meistert.

Zu wenig Abwechslung

Von Dach zu Dach: Die Hechtrolle ermöglicht auch Sprünge auf andere Häuser.
Leider sind die Bosskämpfe zu statisch designt: Man wird auf die linke Seite eines Levels gezwungen, während rechts der Boss mit erhöhter Lebensenergie agiert. Man muss ihn also mehrmals treffen, während einem links noch gewöhnliche Schergen auflauern, die als Munitionsspender dienen. Diese Grenze ist auch deshalb unglücklich, weil man ja Durchgänge auf die andere Seite klar erkennt. Außerdem kann man den Boss durch ständiges Ausnutzen der Zeitlupe sowie ein Hin und Her aus der Deckung heraus recht frühzeitig aus einer Position heraus dezimieren - das ist trotzdem nicht leicht, aber recht monoton.

Dass die als spielbarer Rückblick inszenierte "Story" bis hierher nicht erwähnt wurde, hat natürlich einen Grund. Obwohl die Schweden auf trashige Art den Ton des "Heroic Bloodshed" treffen, in dem meist Motive der Rache in eine Oper der Gewalt münden, können die ständigen Einblendungen des blutigen Gesichts des stoisch blickenden Helden sowie die englischsprachigen Textdialoge an Bars oder im Polizeirevier nur knapp an der totalen Belanglosigkeit vorbei schrammen. Schade auch, dass es keinen Multiplayer-Modus gibt, der sich aufgrund des Arena-Flairs durchaus anbieten würde.

Fazit

Ich mag diesen Nervenkitzel in kompakten Arealen, denn ein Treffer bedeutet Game Over. Und es ist schön, dass die Arcade-Action nach dem Wegfall von Housemarque wieder ein talentiertes Team gewonnen hat. Vor allem, weil die Schweden mit ihrer Hommage an John Woo eigene Zeichen setzen können: Von coolen Elektro-Beats begleitet entsteht ein martialischer Flow, der sich wohltuend von der rasanten Hektik klassischer Twinstick-Action abhebt. Obwohl auch hier eine Kugelhölle entstehen kann, sorgen die relativ geringe Gegnerzahl, ihr realistisches Tempo sowie Zeitlupe und Hechtrolle des Helden für eine gewisse taktische Kontrolle à la Max Payne. Allerdings geht The Hong Kong Massacre irgendwann die Puste aus. Dabei ist die rudimentäre Story im Stile des "Heroic Bloodshed" nicht das Problem, aber Waffen, Leveldesign und Bosskämpfe sind auf lange Sicht zu monoton - was bei einem Zwei-Mann-Team allerdings nicht verwundert. Ich hatte jedenfalls meinen Spaß in den von Leichen gepflasterten Fluren und wünsche mir von Vreski weitere Spiele dieser Art. Oder erstmal einen Multiplayer-Modus, denn der bietet sich aufgrund des Arena-Flairs an.

Pro

  • Twinstick-Shooter als Hommage an John Woo
  • Nervenkitzel: ein Treffer bedeutet Game Over
  • kompakte Areale verhindern Wiederholungsfrust
  • angenehmer Flow mit taktischer Kontrolle
  • Zeitlupe und Hechtrolle à la Max Payne
  • Waffen aufrüsten für mehr Mun, Tempo etc.
  • normale Feinde werden mit Rüstung stärker
  • tolle Beleuchtungseffekte, anesehnliche Kulisse
  • ausführliche Statistiken und weltweite Rangliste

Kontra

  • immer wieder Tearing
  • nur vier Waffen, keine Granaten
  • plump animierte Hechtrolle und finale Kills
  • statische Bosskämpfe
  • auf Dauer etwas monotone Abläufe
  • schwache Story, nur englische Texte

Wertung

PlayStation4

Ein guter Twinstick-Shooter! Von coolen Elektro-Beats begleitet entsteht ein martialischer Flow, aber auf lange Sicht vermisst man mehr Abwechslung.

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