Anno 1800 - Test, Taktik & Strategie, PlayStation5, XboxSeriesX, PC
Nachdem Anno 2205 bei den "Annoholikern" aufgrund vieler gestrichener Elemente (Schiffbau, Seeschlachten in den Sektoren etc.) und der eingeschränkten Wiederspielbarkeit trotz toller Neuerungen wie den Sessions (parallel laufende Siedlungen) nicht besonders gut ankam, verfolgten Blue Byte und Ubisoft einen anderen Ansatz bei der Entwicklung von Anno 1800, der die Wünsche der Community besser berücksichtigen sollte. Das Ergebnis ist ein siebter Teil, der sich auf die Stärken früherer Teile wie Anno 1404 konzentriert und diese mit den Sessions aus Anno 2205 und weiteren Neuerungen ergänzt, zu denen Zoo, Museum, Zeitung, Stadtattraktivität, Elektrizität und die Weltausstellung zählen. Darüber hinaus wird ein Komplettprogramm aus Kampagne, Endlosmodus und Multiplayer geboten; nur Szenarien fehlen.
1404 + 2205 + x = 1800
Auch Anno 1800 entfaltet sehr schnell seine Qualitäten als Zeitfresser, denn wie in den Vorgängern geht es darum, in einer aus Inseln bestehenden Welt eine Siedlung aus dem Boden zu stampfen, die sich mit Rohstoffen und Waren selbst versorgt und stetig größer wird …
Anno bleibt Anno
Ohne allzu sehr auf die grundlegende Spielmechanik eingehen zu wollen, baut man Wohnhäuser, sorgt für Holznachschub und je mehr Einwohner einziehen, desto mehr Bedürfnisse wollen gedeckt werden. Anfänglich sind die "Bauern" auf der niedrigsten Bevölkerungsstufe schon mit Fisch, Schnaps aus Kartoffeln, einem Wirtshaus und Arbeitskleidung aus Wolle zufrieden. Diesmal sind die Bedürfnisse allerdings in zwei Kategorien unterteilt, einerseits als zwingende Voraussetzung für den Aufstieg auf die nächste Bevölkerungsstufe und andererseits für die Zufriedenheit. Letztere muss man nicht unbedingt erfüllen, jedoch zahlen zufriedene Bürger mehr Steuern und neigen weniger zu Aufständen.
Sind alle Bedürfnisse einer Bevölkerungsstufe erfüllt, können die Bauern zu Arbeitern "aufgestuft" werden. Die Arbeiter ermöglichen den Zugang zu neuen Gebäuden und haben anspruchsvollere Wünsche nach Brot, Bier und Würstchen, die aufwändiger zu produzieren sind.
Während der Anfang ziemlich leicht von der Hand geht, muss man auf der dritten Stufe komplexere Produktionsketten realisieren, die mehrere Inseln in der Alten Welt umspannen können. Zumal man sich ebenfalls in der Neuen Welt mit südamerikanischem Flair austoben kann, um exotische Waren zu produzieren und dort Dörfer mit zwei eigenständigen Bevölkerungsstufen und Bedürfnissen errichtet. Die spielerischen Unterschiede zwischen der Alten und der Neuen Welt sind nicht ganz so stark wie zwischen Arktis und gemäßigter Zone in Anno 2205. Zumindest erfordern die von vielen Flüssen durchzogenen Dschungelinseln eine andere Baustrategie, weil der Platz schon arg eingeschränkt ist.
Und bei den drei weiteren Bevölkerungsstufen, sprich Handwerker, Ingenieure und Investoren, geht es genauso weiter. Somit entsteht der typische Anno-Kreislauf aus dem Ausbau der Siedlung und dem darauf folgenden Ausbau der Produktion usw.
Schnell wird es komplexer
Die Alte und die Neue Welt werden wie in Anno 2205 parallel simuliert. Man kann jederzeit und ohne Ladepausen zwischen den so genannten Sessions hin- und herspringen, was eine große Verbesserung gegenüber dem jüngsten Zukunftsableger darstellt. Zwischen der Neuen und der Alten Welt können und müssen Handelsrouten realisiert werden. Spätestens wenn man die Alte Welt mit Öl in Überfluss, Kaffee, Kautschuk, Schokolade und anderem exotischen Zeug versorgen muss, wird auf dem großen Teich zwischen den Kontinenten viel los sein - wobei man die exotischen Waren auch teuer bei Nicht-Spieler-Charakteren oder anderen Spielern im Multiplayer erstehen kann.
Gleichzeitig in der Neuen und der Alten Welt
Auf der vierten Bevölkerungsstufe wird die ganze Sache weitaus komplexer. Ich hatte mir mehrfach verwundert die Augen gerieben, was alles für die Produktion von Brillen, Hochrädern und Glühbirnen erforderlich ist: manchmal sind sogar Zwischenproduktionen nötig, die in anderen Produktionsketten involviert sind - und damit wird alles geschickt durcheinander gebracht. Zum Glück sind die Abläufe ansprechend illustriert und mit klar präsentierten Produktionszeiten lässt sich errechnen, wie die optimale Versorgung aussieht.
Komplexer als gedacht
Ab den Ingenieuren kommt mit der Elektrizität, die aus Öl verstromt wird, das wiederum mit Eisenbahnen transportiert wird, ein weiteres Element ins Spiel, das die Produktion bestimmter Industrieanlagen auf 200 Prozent anheben kann - wenn genug Storm vorhanden ist, aber nur in einem kleinen Umkreis, um das Kraftwerk herum. Da auf den Bahngleisen jeweils nur in eine Richtung gefahren werden kann und später die Wohnhäuser mit Strom versorgt werden wollen, geht das nur mit einem Kraftwerk im Herzen der Stadt - und einigen nötigen Anpassungen.
Darüber hinaus wird es belohnt, die Logistik clever zu planen und die Wege für Transportkarren zwischen Produktion und Lager oder Produktionsort und Weiterverarbeitungsgebäude möglichst kurz zu halten, was auf manchen Inselkarten durch die platzierten Rohstoffquellen bewusst kniffelig gestaltet wurde.
Aber es kommt noch besser bzw. schlimmer - je nachdem wie sehr man an der Optimierung der Abläufe interessiert ist. Hier kommen die "Buff"-Gebäude ins Spiel: Die Handelskammer hat einen festgelegten Wirkungsradius, der im Umkreis liegende Gebäude verbessern kann, allerdings nur, wenn man entsprechende Gegenstände oder Personen in diese Handelskammer setzt. Dadurch können Produktionsgeschwindigkeit angefeuert, nötige Arbeitskraft gesenkt etc. werden.
Gegenstände und Personen als Buff
Solche "Items" bekommt man durch optionale Mini-Aufgaben der Einwohner, die Expeditionen oder gegen Geld bei Nicht-Spieler-Charakteren. Ähnliche Verbesserungsgebäude gibt es ebenso für Wohngebäude und Hafenanlagen. Spätestens wenn man mehrere Siedlungen und Lager für Items hat, wünscht man sich eine sektorübergreifende Übersicht oder gar ein Inventar. Mit manchem Items können wie gewohnt bestimmte Fruchtbarkeiten auf Inseln, wo zum Beispiel kein Wein angebaut werden kann, erzeugt werden.
Sehr gelungen ist das Konzept der Arbeitskraft pro Bevölkerungsschicht, das mit Anno 2205 eingeführt wurde. Für den Betrieb der Gebäude sind jeweils unterschiedliche Beschäftigte erforderlich: So können nur Arbeiter in den Bergwerken und nur Bauern auf Feldern arbeiten, während in der Dampfschiffwerft nur Ingenieure ihren Dienst verrichten können. Man muss also immer ein bestimmtes Kontingent an Arbeitern von allen Klassen haben, damit die Wirtschaft brummt.
Tüchtige Arbeitskraft
Ab der vierten Bevölkerungsstufe kann man Pendlerkais bauen, mit denen sich die Arbeitskraft zwischen den verbundenen Inseln (vollkommen automatisch) zusammenfassen lässt, wodurch es möglich ist, eine gigantische Siedlung mit hochstufigen Einwohnern zu bauen und alle anderen Betriebe auf andere Inseln auszulagern - und schon fühlt sich die Anno-Welt ganz anders an.
Die Auslagerung von Produktionen ist nicht nur sinnvoll, um Platz auf der Hauptinsel zu sparen. Sowohl die Umweltverschmutzung durch Industrien als auch die Anzahl der Unorte (eher dreckige Produktionsstätten), die sich negativ auf die Zufriedenheit der Einwohner und die Attraktivität der Stadt auswirken, können so reduziert werden. Das Konzept mit der Stadtattraktivität geht noch weiter, denn erstmals wird man dafür belohnt, eine schöne Stadt zu bauen. Umso schöner die Stadt und umso höher die Attraktivitätsbewertung ausfällt, desto mehr Touristen kommen vorbei und zahlen am Besucherkai eine "Eintrittsgebühr".
"Unsere Stadt soll schöner werden"
Die Attraktivität steigert man durch die Verbannung von schmutzigen Industrien, den Bau von Ornamenten oder durch den Zoo oder das Museum. Beide sind modular erweiterbare Riesengebäude: In Zoos präsentiert man gefangene oder gekaufte Tiere (Items) und im Museum werden archäologische Objekte ausgestellt, die je nach Seltenheitsgrad mehr Attraktivität versprechen. Wobei der Zoo rein optisch die hübschere Variante ist, da viele Ausstellungsstücke des Museums in kleinen Gebäuden versteckt sind, während viele Tiere tatsächlich in ihren Gehegen zu sehen sind.
Neu sind ebenfalls die Expeditionen, mit denen die südamerikanische Session erstmalig freigeschaltet wird und mit denen man Items für Zoo, Museum und Buff-Gebäude bekommen kann. Expeditionen kann man sich als kleine Textbook-Adventures vorstellen. Für solch eine Expedition muss man zunächst ein Schiff aussuchen, das sich auf die Mission begeben soll. Danach werden Waren und "Items" (Crew und Co.) eingepackt, die bestimme Herausforderungen erfüllen bzw. kontern können. Schnaps eignet sich zum Beispiel als Medizin oder Proviant. Ist das Schiff vollgeladen, wird eine Erfolgsaussicht gegeben und wenn man zufrieden ist, kann die Fahrt losgehen.
Expeditionen ins Unbekannte
Während der Expeditionen geschehen oft kleinere Ereignisse, auf die man reagieren und zwischen mehreren Optionen wählen muss, ggf. mit den Konsequenzen der Wahl leben. Hat man Glück und kompetente Leute bzw. die richtigen Waren mitgeschickt, erhält man schicke Artefakte wie Maya-Ruinen oder ein Dinosaurier-Skelett für das Museum oder besondere Delphine für den Zoo. Allerdings kann die Expedition auch scheitern oder ergebnislos verlaufen. Obacht: Bei solchen Ereignissen läuft das normale Spiel in der bisherigen Spielgeschwindigkeit weiter.
Die Texte werden leider nicht von einem Sprecher vorgelesen. Sollten sie irgendwann nerven, obwohl sie sich gut in das Gesamtbild fügen, kann man sie links liegen lassen und sich auf andere Sachen konzentrieren. An Tiere, Artefakte und Co. gelangt man auch auf anderen Wegen.
Spätestens in diesem Bereich fallen gewisse Balance-Macken bei der Ausbalancierung der Items auf, wenn man z.B. für die Erstellung eines Fotos als Aufgabe eines Bürgers ein richtig gutes episches Item erhält und für eine Expedition, die viel mehr Aufwand und Zeit erfordert, nur öder Kram rauskommt.
Einfluss und alternative Fakten
Die Investoren (fünfte Bevölkerungsstufe) generieren neben Steuern ebenfalls Einfluss und sind zugleich die Grundvoraussetzung für das Endgame-Großbauprojekt, nämlich die mehrstufige Weltausstellung, die mit Verlaub gesagt, sauteuer ist, aber die Attraktivität immens steigert und wertvolle Items einbringt.
Der typische Spielablauf aus Aufbau, Ausbau und Optimierung wird durch optionale Mini-Aufgaben (Dinge suchen, Waren liefern, Geleitschutz etc.) von der Bevölkerung oder von Nicht-Spieler-Charakteren aufgelockert. Manchmal breiten sich auch Feuer, Aufstände oder Krankheiten aus, die sich mit gewissen Gebäuden in den Griff bekommen lassen - und irgendwie ähnlich funktionieren. Diese Ereignisse können nicht abgeschaltet werden.
Insgesamt greifen die (eher) neuen Elemente wie Arbeitskraft, Stadtattraktivität, Produktionsbuffs, Einfluss, Elektrizität, Expeditionen und Zeitung erstaunlich harmonisch und gut ineinander, ohne den Spieler zu sehr in eine gewollte Richtung zu drängen. Man hat mehr als genug Freiraum und Möglichkeiten, um sich in Anno auszutoben und eigene Schwerpunkte beim Aufbau zu setzen - schließlich kann man die Einflüsse der Schwerindustrie auch direkt mit Ornamenten "bekämpfen". Oder man erhöht die Zufriedenheit der Bevölkerungsschichten, indem man gezielt die Produktivität der Betriebe reduziert, wodurch weniger gearbeitet wird, aber die Leute zufriedener sind. Oder man schert sich nicht um die Schönheit. Es gibt viele Stellschrauben in Anno 1800, von denen manche ziemlich gut in den Menüs versteckt sind und von der Tutorial-Kampagne nur unzureichend erläutert werden.
Ein harmonisches Gesamtbild
Seekämpfe und Diplomatie
Kriegerische Konflikte mit Piraten oder anderen Mitspielern werden ausschließlich mit direkt steuerbaren Schiffen ausgetragen, die sich mit Items verbessern und modifizieren lassen. Die Kämpfe finden auf den normalen Karten statt und nicht auf separaten Schlachtfeldern wie in Anno 2205. Zunächst kämpft man mit Segelschiffen, die auf den Wind reagieren und dadurch stark angeschoben oder zurückgehalten werden können, und später mit dampfbetriebenen Kriegsschiffen. Die eigenen Schiffchen verfolgen gerne Piraten heroisch bis in den eigenen Tod in der Nähe der Piratenbasis. Es gibt zwar mehrere Verhaltensmodi der Schiffe, die aber verhindern nicht, dass sich die eigenen Schiffe ineinander verkeilen, störrisch zeigen oder heroisch ins Verderben manövrieren. Generell verhalten sich die KI-Mitspieler zu passiv und selbst eine von sechs Schiffen belagerte Piratin wagte es nicht, ihre zwölf Schiffe aus der Festung zu ziehen.
Gefechte an Land gibt es nicht, stattdessen bombardieren die Schiffe so lange den Hafen und zerschießen die Verteidigungskanonen, bis die Insel ihre Moral verliert und sich "ergibt". Erringt man den Sieg, darf man sie als eigenständige Kolonie behalten (Abgabenzahlungen) oder man siedelt selbst auf der Insel, wobei vorher alles niedergebrannt und der natürliche Ursprungszustand wiederhergestellt wird.
Abseits der KI-Macken bleiben die Seeschlachten eher oberflächlich und gehören mit zu den Schwachpunkten - auch hier bleibt sich die Anno-Reihe treu. Ähnlich sieht es bei der Diplomatie aus: Die Möglichkeiten sind mit Handelsverträgen, Kriegserklärungen, Geschenken, Schmeicheln/Beleidigen, Aufgaben lösen etc. eher übersichtlich als komplex. Zumal manche Verhaltensweisen für Verwunderung sorgen, wenn man zum Beispiel die gesamte Flotte der Piratenfrau versenkt, sie aber trotzdem 100.000 Geld für einen Waffenstillstand verlangt. Kampfsystem und Diplomatie gehen in Ordnung, mehr aber nicht. Schön ist, dass man nach ausgehandelten Handelsverträgen bis zu sechs Anteile an den Inseln von anderen Spielern kaufen kann, die nach langer Zeit eine friedliche Komplettübernahme erlauben, sofern die Anteile vorher nicht zurückgekauft werden.
Anno 1800 bietet zum Verkaufsstart drei Spielmodi: Kampagne, Endlosmodus und Multiplayer. Die Kampagne ist der schwächste Teil des Trios, obwohl die familiäre Geschichte einer Händlerdynastie überraschend stark und persönlich beginnt. Ab dem dritten Kapitel verläuft sich die Story in der Neuen Welt bevor sie dann überhastet und zu schnell endet. Mehr als fünfzehn Stunden (je nach Spielertyp und Nutzung der Zeitbeschleunigung) sollte man nicht einplanen.
Die Krux mit der Kampagne
Schön anzusehen sind die aufwändigen Kameraflüge als Zwischensequenzen, obgleich sie stark an der Performance zerren. Auch die Sprengung eines Berges, Mini-Entscheidungen und mehrere kleinere Nebenmissionen sind gelungen, nur irgendwie kommt die Kampagne zu einem Ende, bevor die industrielle Revolution und das Endgame mit seinen ganzen Herausforderungen ausbricht, wodurch zugleich nur einen Bruchteil der neuen Spielsysteme vorgestellt wird. Dafür darf man die Kampagnenkarte nach dem Ende (endlos) weiterspielen. Apropos Tutorial: Anno-Neulinge können vor jeder Partie eine umfassendere Hilfefunktion aktivieren; Veteranen können diese Option deaktiveren.
Irgendwie ist es bedauerlich, dass man die industrielle Revolution in der Kampagne nicht erlebt, denn sowohl Inszenierung als auch die persönliche Story sind stellenweise überragend in dem Genre. Im Prinzip sind solche kleinen Geschichten ja gar nicht verkehrt, aber vielleicht wäre es besser gewesen, mehrere Mini-Kampagnen oder alternativ Szenarien mit Kurzgeschichten zu liefern. So hätte man spätere Spielstufen mit dem Bau eines Zoos oder der Elektrifizierung einer Stadt als Ziele einplanen können. Im Vergleich zu den guten Kampagnen aus Anno 1404 mit dem "imperialen" Kardinal Lucius oder der Tiefsee-Erweiterung aus Anno 2070 zieht man klar den Kürzeren.
Zum Glück ist die Kampagne nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets, das natürlich zu Anno dazugehört, jedoch kein essentielles KO-Kriterium ist. Viel wichtiger ist der Endlosmodus sowie der Multiplayer - und hier trumpft Anno 1800 richtig auf.
Im Gegensatz zu Anno 2205 gibt es wieder ein echtes Endlosspiel, das mit zahlreichen Optionen angepasst werden kann. Auswählen kann man von Kartenbeschaffenheit über Inselgröße, Ressourcenvorkommen, der Häufigkeit der Stadtereignisse, Inselschwierigkeit bis hin zu drei weiteren Gegner-Persönlichkeiten, Piraten, Händlern und Siegbedingungen. Aus den Einstellungen ergibt sich ein individueller Schwierigkeitsgrad, sofern man sich nicht mit den Voreinstellungen zufriedengeben möchte. Zudem kann man festlegen, ob man die kostenlose Versetzung von Gebäuden erlaubt, einschränkt oder verbietet.
Endlosspiel
Insgesamt wird ein deutlich höherer Wiederspielwert im Vergleich zu Anno 2205 geboten und die zahlreichen neuen Spielsysteme, die komplexen Produktionsketten sowie das ausgeweitete Endgame untermauern dies zusätzlich. Mehrere Fraktionen mit unterschiedlichen Spielweisen gibt es nicht, das bot lediglich Anno 2070, wenn auch nur im Ansatz.
Der Mehrspieler-Modus für bis zu vier Mitspieler wird über Uplay realisiert und zeigt sich in deutlich besserer Form als in der Closed Beta, in der es mehrfach Synchronisationsprobleme gab. In der aktuellen Version lief das Spiel mit zwei Personen in der über 18 Stunden langen Partie völlig problemlos. Nur fehlt mir die Funktion zur Beschleunigung der Spielzeit, vor allem zu Beginn einer Partie. Später ist genug zu tun. Die Mitspieler können sich in der Lobby vorab in Teams einteilen und somit gleich Allianzen schmieden oder dies in den Partien tun. Ein Koop-Modus, bei dem zwei Spieler an einer Siedlung arbeiten, soll mit einem späteren Inhaltsupdate folgen.
Trotz vieler Neuerungen und Ideen, die sich harmonisch einfügen, verweigert sich die Anno-Welt den Jahreszeiten, die unter Umständen die Produktivität der Ernte beeinflussen können. Auch Ereignisse mit Katastrophen-Charakter wie Dürren, Stürme etc. fehlen. Es hätten außerdem mehr Aspekte aus der industriellen Revolution eingebaut werden können, so kann die Eisenbahn zum Beispiel nur Öl transportieren. Die teils katastrophalen Arbeitsbedingungen in dieser Zeit schneidet Anno nur kurz an, da unzufriedene Arbeiter streiken können, was sich mit einer Anpassung der Arbeitszeit für alle Mitarbeiter einer Arbeitskraftschicht regulieren lässt. Moralische Entscheidungen wie bei Frostpunk gibt es nicht, obwohl diese in der Friede-Freude-Eierkuchen-Welt nicht so richtig passen würden. Mehr Zahlen und Statistiken zu der Produktion und der Effektivität sowie einen Überblick über die gebauten Gebäude pro Insel fehlen mir trotzdem. Ein entsprechendes "Statistik-Zentrum" soll später via Update nachgeliefert werden.
Vertane Chancen
Anno 1800 zaubert eine bildhübsche Welt auf den Monitor - voll mit liebevollen Details und hohem Wuselfaktor, der zum Zuschauen einlädt. Das Spiel fordert auf den Grafikeinstellungen "Sehr Hoch" und "Ultra Hoch" viel Rechenleistung, vor allem vom Prozessor (CPU), was den Grafikprozessor mit in die Knie zwingen kann. Auf höheren Auflösungen sollte man zudem MSAA zur Kantenglättung einsetzen, da die Häuserecken und Dächer zum Flimmern neigen. Wobei das Spiel auf Hoch immer noch richtig schick aussieht. Für weitere Details wird auf die Analyse von PC Games Hardware verwiesen. In unserem Testbetrieb (>über 60 Stunden) ist das Spiel mehrfach, aber nicht übermäßig oft oder an kritischen Stellen abgestürzt; meistens beim "Entladen der Daten". Die automatische Speicherfunktion hilft auf jeden Fall. Gespeichert werden kann übrigens frei.
Technik und Performance
Anno 1800 ist an die digitale Vertriebsplattform Uplay von Ubisoft gebunden. Der Keycode der Box-Version aus dem Einzelhandel muss via Uplay registriert werden. Die im Epic Games Store verfügbare Fassung sowie die bis zum 16. April auf Steam erhältliche Version benötigen ebenfalls Uplay. Das Aufbauspiel benötigt keine permanente Internet-Verbindung und kann bei Uplay in einem Offline-Modus gestartet werden, in dem der Mehrspieler-Modus nicht verfügbar ist. Denuvo Anti-Tamper wird als Kopierschutz eingesetzt.
Vertrieb via Uplay
(Hinweis: Zukünftige Inhalte oder Update-Versprechen haben keinen Einfluss auf den aktuellen Test.) Drei Erweiterungen sind vorgesehen. Sie sind separat oder in einem Season Pass für 24,99 Euro erhältlich. Die erste Erweiterung "Gesunkene Schätze" umfasst eine neue Session mit einer großen Kontinentalinsel und dreht sich um einen exzentrischen Erfinder auf einer Schatzsuche (mit seiner Taucherglocke). Die zweite Erweiterung "Botanica" wird ein weiteres modulares Gebäude einführen, und zwar den botanischen Garten, der ähnlich wie der Zoo oder das Museum funktionieren wird. Mit dem modularen Botanischen Garten wird man die Attraktivität seiner Stadt steigern und neue Items sowie Belohnungen verdienen können. Außerdem kann man einen Musikpavillon errichten, in dem Musik aus früheren Anno-Spielen aufgeführt wird. In der dritten Erweiterung "Die Passage" reist man zum Polarkreis und versucht in dem erbarmungslosen Klima zu überleben. Dort wird man in einer weiteren Session einen neuen Stützpunkt in der Arktis errichten. Neue Produktionsketten und Waren sind geplant.
Ausblick auf die drei geplanten Erweiterungen
Fazit
Anno 1800 inszeniert nicht nur traumhaft schöne Aufbau-Strategie, sondern auch überaus komplexe. Nach den ersten überschaubaren Bevölkerungsstufen steigt der Anspruch: Die Arbeitskräfte und die Elektrifizierung von Produktion sowie Wohngebäuden erfordern ein größeres Umdenken im rechteckigen Raster. Das altbekannte Muster rund um Bedürfnisse, Zufriedenheit und Effizienz wird von Neuerungen wie modulare Anlagen, Expeditionen, Zeitung, Einfluss zur Spezialisierung, Attraktivität und Buff-Gebäude wie die Handelskammer ergänzt. Gerade im Endlos-Modus erweist sich Anno 1800 als ein regelrechter Zeitfresser mit viel Tiefe, der das Beste aus Anno 1404 und Anno 2205 vereint. Auch der im gemächlichen Tempo dahin plätschernde Mehrspieler-Modus zeigte in einer 20 Stunden-Partie keinerlei Macken. Eher mittelprächtig ist leider die Kampagne, die zunächst mit einer persönlichen Geschichte beginnt, dann aber endet, bevor es richtig losgeht. Trotz der Komplexität und der fantastischen Spielwelt reicht es aber aus anderen Gründen nicht ganz für Platin: Es gab einige Abstürze im Testbetrieb, hinzu kommen KI-Probleme, einige unzureichend erklärte Funktionen sowie eher zweckmäßige als unterhaltsame Seekämpfe. Aber selbst mit diesen kleinen Defiziten entfaltet Anno 1800 sehr viel Spaß.
Zweites Fazit von Eike Cramer:
Anno 1800 ist ein fast perfektes Aufbau-Meisterstück. Die wunderschöne Kulisse mit ihren zahllosen Bewohnern, animierten Produktionsabläufen und tollen Aussichten, der schnell an Komplexität zulegende Siedlungsbau in zwei Regionen sowie die frischen Impulse durch Schönbau-Belohnungen, Tourismus, Zoo und Museum sorgen für viel Abwechslung. Und Blue Byte gelingt das Kunststück, im allerletzten Endgame die komplette Spielwelt auf links zu ziehen – der gesellschaftliche Umbruch der Industrialisierung mit ihren Dampfmaschinen, Zügen, Ölförderung und Großfabriken sorgt für eine völlige Neustrukturierung der zu diesem Zeitpunkt dicht besiedelten Inseln. Doch für Platin gibt es noch zu viele Kritikpunkte: eine schwache Diplomatie, fehlende Produktivitätsübersichten, merkwürdige KI-Entscheidungen sowie oberflächliche See-Kämpfe. Dennoch: Anno 1800 inszeniert sehr gute Aufbaustrategie. Und jetzt muss ich aufhören, meine Ingenieure brauchen dringend neue Brillen.
Pro
- Komplettpaket: Kampagne, Endlosmodus und Multiplayer
- leichter Einstieg und sukzessiv steigende Komplexität
- stets komplexer werdende Produktionsketten
- Industrielle Revolution und Expeditionen fügen sich gut in die Annowelt ein
- motivierendes Grundkonzept um Aufbau, Ausbau und Optimierung
- Session-System mit parallel laufenden Siedlungen ohne Ladezeiten
- Session-System wird nicht so exzessiv genutzt wie in Anno 2205
- Attraktivität der Stadt zahlt sich aus
- sinnvoller Ausbau der Items
- Vielzahl an Ornamenten
- Arbeitskraft, Pendlerkais und Elektrizität krempeln vieles um
- modulare Grossgebäude (Zoo und Museum)
- aufwändiges, mehrstufiges Endgame-Projekt
- Einfluss ermöglicht leichte Spezialisierungen und Bonus-Freischaltungen
- viele Möglichkeiten die Produktion zu beeinflussen: Zeitung, Items, Handelskammer
- Optionalität vieler Spielelemente
- für Neulinge: Spielvariante mit mehr Hilfen
- diverse Einstellungsoptionen für den Endlosmodus
- Erwerb von Anteilen anderer Inseln möglich
- reibungslos funktionierender Mehrspieler-Modus ohne Sync-Probleme
- traumhaft schöne Spielwelt
- lebendige Siedlungen und hoher Wuselfaktor
- hervorragender Soundtrack
- versteckte Ego-Perspektive STRG Shift R
- witzige Credits
Kontra
- Kampagne endet zu schnell und zu früh
- keine Szenarien; keine weiteren Fraktionen
- eher oberflächliche Kämpfe und Diplomatie
- Balance-Schwierigkeiten
- KI-Macken (Wegfindung, Schiffverhalten, Kampfpassivität)
- Expeditionen hätten von Sprachausgabe und mehr Übersicht/Filtern profitiert
- kein direktes Forschungssystem, keine Jahreszeiten, keine "runden" Straßen
- sektorübergreifende Item-Übersicht fehlt
- Bedürfnis-Deckung wurde in Anno 1404 schöner visualisiert
- wenig Statistiken und Übersichten über die Inseln (kommt via Patch)
- nicht alle Spielelemente werden gut erklärt
- hohe Grafik-Einstellungen stellen hohe Ansprüche an die CPU
- etwaige Abstürze
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Vorbesteller und Käufer der Deluxe Edition erhalten zusätzliche kosmetische Inhalte; Season Pass mit neuen Inhalten und weiteren kosmetischen Gegenständen kostet 24,99 Euro
- Es gibt keine Käufe.