Observer - Test, Action-Adventure, XboxOne, Mac, PC, Linux, PlayStation4, PlayStation5, Switch, XboxSeriesX

Observer
07.02.2019, Michael Krosta

Test: Observer

Cyberpunk-Horror

Das Bloober Team macht dort weiter, wo man bei Layers of Fear aufgehört hat: Mit Observer (ab 25,93€ bei kaufen) wartet nicht nur eine weitere Switch-Umsetzung, sondern auch der nächste Psychotrip des Studios, in dem Realität und verstörende Einbildungen miteinander verschmelzen. Ob uns der Cyberpunk-Krimi mit Rutger Hauer gepackt hat, klären wir im Test...

Selten habe ich das Ende eines Spiels so sehr herbeigesehnt wie bei Observer. Nach knapp zehn Stunden kam die Erlösung. Hat mich die verstörende Cyberpunk-Welt und das Abtauchen in fremde, mitunter kranke Gedankenwelten einfach so fertig gemacht? Nein. Aber eigentlich hätte das Spiel alles mitgebracht, um mir ein derart intensives Erlebnis zu bieten. Tatsächlich mangelt es hier nicht an völlig abgedrehten und surrealen Situationen, wenn man sich in der Rolle von Detective Daniel Lazarski (Rutger Hauer) im Jahr 2084 auf die Suche nach seinem Sohn begibt und dabei in mysteriöse Mordfälle innerhalb eines abgeriegelten Wohnkomplexes in einem heruntergekommenen Viertel der Cyberpunk-Metropole stolpert - in einem futuristischen Polen, das von einem machthungrigen Konzern regiert wird, der auch die Polizei und damit den Protagonisten kontrolliert.

Detektivarbeit mit Implantaten

Rutger Hauer (rechts) schlüpft in die Rolle des augmentierten Schnüfflers.
Mit der ersten Spurensicherung, bei der man dank Hightech-Implantaten auf eine Analyse- und Nachtsicht sowie Infrarot zurückgreifen darf, fängt alles noch recht gemächlich und halbwegs bodenständig an. Wie in den Batman-Spielen von Rocksteady geht man den Hinweisen nach und nutzt dafür primär den Detektiv-Modus, obwohl er mit seiner groben Darstellung im Schwarzweiß-Look sehr gewöhnungsbedürftig ausfällt und die Kulisse für meinen Geschmack etwas zu sehr entfremdet. Mitunter wird man als Schnüffler aber auch intensiver gefordert als nur den hervorgehobenen Auffälligkeiten nachzugehen. Schön ist, dass einem trotz der technischen Unterstützung nicht alles auf dem Präsentierteller geliefert wird: Bei der ersten Suche nach einem vierstelligen Zugangscode erhält man durch das Hacking-Werkzeug z.B. nur die letzte Ziffer. Erst mit einem genauen Umsehen und einer gewissen Kombinationsgabe ermittelt man die fehlenden Zahlen.

Auf der Suche nach Spuren erlebt man viel wirres Zeug - und ungewöhnliche Schauplätze samt experimentellen Grafikeffekten.
Wichtige Hinweise liefern aber auch die Bewohner. Also klappert man die gefühlt gleichen Stockwerke an den gefühlt gleichen Türen ab und stellt in den Multiple-Choice-Dialogen gefühlt die immer gleichen Fragen. Da man die Wohnungen in der Regel nicht betreten darf, bekommt man das Gegenüber nur ausschnittsweise über einen kleinen Monitor zu sehen, der zusammen mit der Klingel an den Türen angebracht ist. Dabei sind die Dialoge mindestens ebenso zäh wie das Durchwühlen von Dokumenten und Mails in manchen Computern, zu deren Daten man im Gegensatz zu Deus Ex auch ohne Hacker-Künste Zugriff bekommt. Stellenweise wirkt der Spielverkauf dadurch wie ein einschläfernder Türen-Verhör-Simulator. Die gelangweilte und unglaubwürdige Performance von Rutger Hauer trägt ihren Teil dazu bei: Selbst wenn später extrem irres Zeug passiert, bleibt er unfassbar gelassen. Vielleicht gehört eine solche Mentalität zum Beruf des Observers. Wenn er aber nach einem weiteren kranken Trip in die Erinnerungen eines Opfers in seine Realität zurückkehrt und auch dort zunehmend merkwürdige Dinge geschehen, steckt er mir das viel zu locker weg. „Ich glaube, ich verliere langsam den Verstand“, murmelt er emotionslos, als würde er diese Zeilen einfach von einem Zettel ablesen – was er vermutlich auch getan hat. Sorry, aber bei einer solch schwachen Performance kann ich dem Protagonisten nichts abnehmen und mich nur schwer in ihn hineinversetzen. Wie bei Layers of Fear gibt es übrigens lediglich eine englische Sprachausgabe. Optional lassen sich deutsche Untertitel hinzuschalten.

Türgespräche

Man erlebt ganz schön viel krasses Zeug, wenn man sich in die Gehirne einklinkt und die bizarren, mitunter auch enorm verstörenden Sequenzen überstehen muss. Schnell werden Erinnerungen an Layers of Fear wach – kein Wunder, denn viele Schockeffekte und Mindfucks wurden hier quasi 1:1 recycelt und zaubern Kennern des Erstlingswerks (wie mir) über weite Strecken nur in gelangweiltes Gähnen ins Gesicht. Im Gegensatz zum Abstieg in den Wahnsinn des Malers wird man hier allerdings auch mit konkreten Bedrohungen konfrontiert: Diese Passagen beschränken sich zwar meist auf ein simples Versteckspiel oder eine kurze Flucht, sind aber trotzdem eine willkommene Ergänzung und sorgen für eine schöne Spannung, die sich insgesamt leider viel zu selten aufbauen kann.

Zurück zu Layers of Fear

Und schon wieder eine Leiche, die man untersuchen und in deren Erinnerungen man eindringen kann.
Dem Bloober Team fehlt einfach der Sinn für das richtige Maß. Schon bei Layers of Fear haben sich die Mindfucks irgendwann spürbar abgenutzt. Hier erfolgt die Ernüchterung noch rasanter: Als Spieler wird man regelrecht bombardiert mit bizarren Illusionen, verwirrenden Wendungen, krassen Bildern, ungewöhnlichen Filtern und Schockmomenten. Teilweise hatte ich das Gefühl, in einer Tech-Demo gelandet zu sein, in der es primär darum geht, ein Mindfuck-Feuerwerk in einer Kombination mit „Best of Grafik-Effekte“ abzubrennen. Doch die großen Ambitionen verpuffen viel zu schnell und scheitern am puren Overkill, der hier aufgefahren wird. Weniger wäre hier mehr gewesen. Da hilft es auch nicht, dass das Produktionsniveau mit sehenswerten Grafikeffekten und Filtern sowie einer beklemmenden Klangkulisse erfreulich hoch ausfällt. In manchen Momenten blitzt abseits der Effekt-Orgie sogar hinsichtlich des Spieldesigns das kreative Potenzial durch, wenn man sich passend zur Musik vorwärts bewegen oder sich in zwei übereinanderliegenden Welten orientieren muss, von denen eine nur schemenhaft und in kurzen Intervallen dargestellt werden kann. Die Story mit ihren Ansätzen aus Deus Ex, Tron und Blade Runner hält ebenfalls bei der Stange und beinhaltet neben dem Familiendrama auch eine mehr oder weniger subtile Dosis Gesellschaftskritik. Am Ende überrascht sie sogar noch mit einer bedeutenden Entscheidungsmöglichkeit, die angesichts eines automatischen Spielstands gleichzeitig zu einem erneuten Durchlauf mit dem alternativen Ende einlädt. Aber würde ich mich dafür nochmal durch die zähen Gespräche, den irgendwann nur noch nervigen Mindfuck-Overill und die rudimentären Schleich-Einlagen quälen? Nein. Wie eingangs erwähnt: Ich habe mich schon beim ersten Durchgang dem Ende entgegen gesehnt und war froh, als dieser wirre Cyberpunk-Trip endlich vorbei war.

Overkill

Da hilft es auch nicht viel, dass das Bloober Team wie schon bei Layers of Fear auch hier eine ordentliche Umsetzung abgeliefert hat, die um einige Switch-Features erweitert wurde. So lassen sich Türen auf Wunsch bei der Verwendung der Joy-Cons per Bewegungssteuerung öffnen, was die Immersion durchaus etwas erhöhen kann. Auch dürfen die Multiple-Choice-Dialoge optional bei mobiler Verwendung mit einem Druck auf den Touchscreen ausgewählt werden, was aufgrund der relativ kleinen Textzeilen aber nicht immer gelingt, zumal die Wahl per Knopfdruck nicht nur präziser, sondern auch schneller erfolgt. Der standardmäßigen Trägheit beim Umsehen sollte man mit Anpassungen in den Steuerungseinstellungen entgegenwirken, damit sich der teilweise ermüdende Spielablauf nicht auch auf die Steuerung überträgt. Im Gegensatz zur PC-Version muss man auf Switch mit niedrigeren Bildraten Vorlieb nehmen, die zwar teilweise hart an der Grenze, aber immer noch in einem akzeptablen Bereich bleibt.

Ordentliche Umsetzung

Fazit

Layers of Fear hat mir trotz einer gewissen Abnutzung mit seinen wohl dosierten Mindfucks auch auf Switch noch richtig gut gefallen. Doch bei Observer wollen die bizarren Trips in die Cyberpunkt-Welt, das Bewusstsein und die Erinnerungen anderer Leute einfach nicht so recht zünden. Das liegt zum einen daran, dass das Bloober Team zu häufig in die gleiche Trickkiste greift wie beim Vorgänger. So werden Kenner angesichts des Recyclings oft nur müde lächeln statt Angst zu verspüren. Wer Layers of Fear gespielt hat, darf daher gedanklich noch ein paar Prozentpunkte von der Wertung abziehen. Zum anderen übertreibt man es schlichtweg mit dem bizarren Effekt-Overkill und verwandelt dadurch das Außergewöhnliche und Schockierende viel zu schnell in langweilige Routine, die sich auch in den zähen Dialogen mit verschlossenen Türen widerspiegelt. Mit seiner öden Vorstellung bringt Rutger Hauer die Rolle des augmentierten Ermittlers einfach nicht überzeugend rüber. Was The Observer neben der ansprechenden Story und der tristen Cyberpunk-Welt noch in den befriedigenden Wertungsbereich hievt, sind die mitunter originellen Ideen und ein gewisser Anspruch bei den Rätseln. Schön auch, dass man nach dem sehr rudimentären Layers of Fear auch die Spielmechaniken erweitert und mit tödlichen Bedrohungen die Spannung erhöht hat. Trotzdem setzt mir das Erlebnis zu sehr auf die simple Aneinanderreihung von Psycho-Spielchen mit beklemmender Soundkulisse, die aufgrund der exzessiven Nutzung rapide ihre anfängliche Faszination und den anvisierten Schockeffekt verlieren. Obwohl man auf Switch gewisse Abstriche in Sachen Technik in Kauf nehmen muss, ist dem Bloober Team erneut eine ordentliche Umsetzung gelungen, die auf Nintendos Konsole sogar um exklusive Funktionen wie Bewegungssteuerung oder Touchscreen-Einbindung erweitert wurde.

Pro

  • extrem verstörendes Spielerlebnis...
  • schicke Kulisse im Cyberpunk-Stil
  • leichte Schleich-Ansätze mit Gefahrenpotenzial
  • nette, z.T. ungewöhnliche Umgebungsrätsel
  • Implantate als sinnvolle Ermittlungs-Werkzeuge
  • eindringliche Klangkulisse

Kontra

  • ...das schnell nur noch nervt und sich rapide abnutzt
  • schwache Darbietung von Rutger Hauer
  • langatmige Dialoge
  • viel Copy & Paste von Layers of Fear
  • eintöniger Haupt-Schauplatz
  • unvollständige Lokalisierung
  • wirre Story

Wertung

Switch

Observer ist ein abgedrehter Cyberpunk-Thriller mit vielen Psycho-Spielchen, die leider zu schnell ihre Wirkung verlieren.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.