Riot - Civil Unrest - Test, Taktik & Strategie, PlayStation4, PC, XboxOne, Switch

Riot - Civil Unrest
06.02.2019, Mathias Oertel

Test: Riot - Civil Unrest

Der Protest-Simulator

Immer wieder wird man in den Nachrichten Zeuge, wie vermeintlich friedliche Demonstranten und Staatsgewalt aufeinander prallen. Egal ob Venezuela, Brasilien, Spanien, Deutschland: Die Verhaltensweisen und Resultate scheinen global nach ähnlichen Mustern zu verlaufen. Riot: Civil Unrest von Leonard Menchiari verpackt diese Konflikt-Dynamik in ein Strategiespiel mit Pixelkulissen. Wir haben für den Test sowohl mit der Polizei als auch den Aktivisten sympathisiert.

Reaktion. Gegenreaktion. Gewalt. Gegengewalt. Provokation. Deeskalation. Egal, ob das Stören der öffentlichen Ordnung durch Autonome fest einkalkuliert ist oder als Kollateralschaden provozierter bzw. zufälliger Ereignisse passiert: Die Bilder von Polizeieinheiten, die auf die Frontlinie einer riesigen Gruppe von Demonstranten prallen, sind allgegenwärtig. Die Aktionen des G20-Gipfels in Hamburg letztes Jahr wirken bis heute nach und angesichts jüngster Ereignisse in Venezuela wirkt Riot: Civil Unrest als Spiel so aktuell wie kaum ein anderes. Das Projekt von Leonard Menchiari lässt einen in der „Kampagne“ in vier Szenarien realistische Unruhen nachempfinden. So findet man z.B. den Arabischen Frühling oder die Proteste um eine Deponie im griechischen Keratea, aber auch die Proteste, die den Hauptentwickler überhaupt erst zu diesem Spiel gebracht haben: Die Demonstrationen, die im italienischen Val di Susa Mitte der 2000er gegen die Errichtung einer Strecke für den Hochgeschwindigkeitszug TAV begannen, bis heute nachwirken und die teilweise nur unter Gewalteinsatz von der Polizei aufgebrochen wurden.

Krawall-Dynamik

Löblich ist bei den „Story“-Missionen, dass man sie von beiden Seiten erleben darf und somit theoretisch keine moralische Einordnung oder Wertung stattfindet – zumindest seitens der Entwickler. Denn natürlich kann die persönliche Wahrnehmung sowie die Einstellung zu derartigen Ereignissen bei der Seitenwahl bzw. der Art und Weise, wie man versucht, die jeweiligen Aufgabenstellungen zu erfüllen, eine Rolle spielen und sich auswirken. Versucht man, die Seite der Staatsorgane so friedlich wie möglich vorwärts zu bewegen, während man die Demonstranten irgendwann zu Gewaltbereiten werden lässt, obwohl es seitens der Polizei keine Provokation gab? Möglichkeiten für diese Extreme, die entgegengesetzten Positionen sowie einige Grauzonen dazwischen gibt es.  Und die Ergebnisse werden durchaus realistisch dargestellt. Doch da es zwar zeitlich bzw. thematisch miteinander verbundene Missionen, aber keine quasi Kampagnen-persistente Übergabe von Situations-Parametern gibt, die nachfolgende Szenarien erschweren oder erleichtern könnten, wirkt vieles dennoch zu belanglos.

Auf dem Papier klingen die Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Polizei interessant. In der Umsetzung entwickelt sich weder Spaß noch strategischer Tiefgang.
Immerhin bietet der „Global“-Modus ein System an, das etwas Kohärenz anbietet: Je nachdem, wie erfolgreich man hinsichtlich der politischen bzw. „militaristischen“ Bewertung abschneidet, hat man in der folgenden Mission Vorteile wie z.B. eine erhöhte Startzahl an Demonstranten. Zusätzlich kann man hier neue „Archetypen“ sowie Boni freischalten wie z.B. Chemikalien, die gegen die Wirkung von Tränengas eingesetzt werden dürfen oder Feuerwerkskörper, die man Richtung Polizei schleudern kann. Dieser Modus ist durch seine zumindest in Ansätzen vorhandene Abhängigkeit von vorhergehenden Aufgaben etwas interessanter, krankt aber an den allgemeinen Problemen, die sich durch das gesamte Design ziehen – nicht nur, weil hier Missionen aus den Stories wiederholt werden. Sondern vor allem, weil sowohl der echtzeitstrategische Unterbau als auch die Steuerungsbasis dürftig ausfallen. Das beginnt bei den sehr überschaubaren Möglichkeiten, die sich sowohl auf Seite der Zivilisten als auch bei der Polizei zeigen, die aber immerhin mit unterschiedlichen Einheiten und rudimentären Formationen etwas mehr Abwechslung in die Brennpunkte bringen. Doch auch hier hat man schnell alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Und es geht weiter bei fehlendem Komfort: So kann man z.B. nicht alle Einheiten oder mehrere Trupps auf einmal auswählen und ihnen Marschbefehle geben, sondern muss alle einzeln aktivieren.

Globale Gefahr

Zusätzlich gibt es auch bei der KI Probleme. Das betrifft nicht nur die Wegfindung, die mitunter an simplen Hindernissen wie einem aufgestellten Zelt scheitert oder partout nicht die Öffnung im Zaun finden möchte. Im Falle der Aktivisten nutzt sie keine von der Polizei angebotenen Lücken, so dass auch strategische Finessen wie z.B. der Versuch, zumindest mit ein paar Figuren hinter die Frontlinie zu kommen, um mit einem pazifistischen Sitzstreikt die Aufmerksamkeit einzelner Gegnertrupps auf sich zu ziehen, keine Option darstellen. Zudem wirken die strategischen Entscheidungen, die man nach den ersten Story-Missionen mehr oder weniger automatisch abspult, schnell belanglos. Man baut in Riot emotional weder zur einen noch der anderen Seite eine Verbindung auf, sondern nutzt die mitunter chaotischen Pixelhaufen eher wie Playmobil-Figuren im Sandkasten.

Doch selbst das könnte Spaß machen, wenn entsprechend Abwechslung geboten würde. Hier fehlt jedoch eine spielinterne Dramaturgie, die für Dramatik, Spannung oder Intensität sorgen würde. Die Reaktionen auf bestimmte Maßnahmen, so etwa, wenn die Aktivisten kurzzeitig ihr besetztes Gebiet räumen, wenn gegen sie Tränengas eingesetzt wird und man kein Gegenmittel parat hat, wirken einigermaßen authentisch. Doch da man sich viel zu häufig als Zuschauer fühlt denn als aktiver Stratege, der mit dem mal friedlichen, mal zu Gewalt neigenden Mob oder der Staatsgewalt seine Ziele durchsetzen möchte, verfehlt das prinzipiell interessante Konzept seine Wirkung – auch auf den höheren Schwierigkeitsgraden, bei denen das Gewimmel auf dem Schirm zu häufig zu einer Materialschlacht verkommt, die in ihren schlimmsten Momenten sogar zu einem „Klickspiel“ auf Mobiltelefonen erinnert.

Das interessante Pixeldesign kommt vor allem bei den einleitenden Zwischenseqeuenzen zur Geltung - in den Missionen wirkt es trotz gut eingesetzter Effekte mitunter spröde.
Doch nicht nur auf dem Bildschirm findet eine Konfrontation statt. Auch davor gibt es ein ungleiches Duell zwischen den Konsolen- und PC-Versionen. Während das interessante Pixeldesign, das vor allem bei den guten Einleitungsfilmen zu Hochform aufläuft (obwohl man hier durchaus weniger grob hätte vorgehen können) auf allen Systemen gleich gut oder schlecht aussieht, bleiben die Unruhestifter auf PS4 und One bedingt durch zwei andere Mankos nur die zweite Wahl. Zum einen bietet die PC-Fassung eine Anbindung an den Steam-Workshop, so dass hier zumindest theoretisch ein steter Nachschub an Szenarien gewährleistet ist. Bereits in der Early-Access-Phase wurden haufenweise neue Missionen erstellt, wobei auch die Gelbwesten-Proteste in Frankreich oder G20-Auseinandersetzungen verarbeitet werden.

PC vs. Konsole

Zum anderen wurde nicht genug Zeit in die Steuerung auf den Konsolen investiert. Unintuitiv, ungenau sowie ungemein hakelig macht es hier noch weniger Spaß, sich durch die Einheiten zu wühlen, ihnen Marschbefehle zu geben oder die zur Verfügung stehenden Gegenstände bzw. Sonderaktionen einzusetzen.

Fazit

Auf dem Papier klingt Riot: Civil Unrest hoch aktuell und spannend: Man darf sowohl auf Seiten von Aktivisten als auch auf Seiten der Polizei auf realen Geschehnissen basierende Demonstrationen nachspielen. Man hat die Wahl, ob und wie viel Gewalt man einsetzt, wie man auf Provokationen reagiert und wie man versucht, der Gegenseite den Zahn zu ziehen, ohne in der Öffentlichkeit sein Gesicht zu verlieren. In der Praxis jedoch hält sich der Spaß in Grenzen. Das idealistische Vorhaben, dem Spieler einen ungefilterten Blick auf Konfliktdynamik, Aktion und Reaktion sowie Gewalt und Gegengewalt in diesen Situationen zu geben, ist löblich. Doch das Spiel dahinter ist zu oberflächlich und die zur Verfügung stehenden Aktionen sind überschaubar. Dazu gesellen sich KI-Probleme, die sich nicht nur in der maroden Wegfindung äußern. Nicht zu vergessen die sehr gewöhnungsbedürftige Steuerung auf Konsolen, die das einfache Prinzip unnötig komplex macht. Auch im Hinblick auf die Steam-Workshop-Anwendung  und die damit verbundene Nachschub-Option an Szenarien sind PS4 und One unterlegen. Doch selbst wenn die PC-Fassung deutliche Vorteile hat, macht sie das noch lange nicht zu einem packenden Strategiespiel mit sozialkritischem Hintergrund. Dazu fehlen schlichtweg Substanz sowie Tiefgang - die Idee alleine trägt das Konzept nicht.

Pro

  • interessantes Konzept
  • Missionen auf beiden Seiten spielbar (Aktivisten, Polizei)
  • PC-Version unterstützt Steam-Workshop
  • in Ansätzen interessante Konfliktdynamik
  • rudimentär spannender "Global"-Modus mit inhaltlicher Kontinuität und leichten Auswirkungen
  • spannendes Pixeldesign

Kontra

  • nur wenige Aktionsmöglichkeiten
  • unhandliche Benutzerführung (Konsolen)
  • KI-Probleme
  • Schwierigkeiten mit Wegfindung
  • nahezu kein strategischer Anspruch

Wertung

PlayStation4

Die Konsolenversionen teilen sich nicht nur die Schwächen der PC-Fassung, sondern haben zudem mit herben Kontrollmankos und fehlender Mod-Einbindung zu kämpfen.

PC

Das Konzept ist spannend, doch bei der Umsetzung wurde vergessen, ein gleichermaßen spannendes Spielerlebnis um die idealistischen Ansätze und die Konfliktdynamik zu bauen.

XboxOne

Die Konsolenversionen teilen sich nicht nur die Schwächen der PC-Fassung, sondern haben zudem mit herben Kontrollmankos und fehlender Mod-Einbindung zu kämpfen.

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